Archiv für den Tag: 1. Oktober 2013

01.10.2013

Die Verzweiflung des Ismail Yozgat

Der heutige Verhandlungstag war geprägt von extremen Emotionen. Der Vater des ermordeten Halit Yozgat, Ismail Yozgat, erhielt Gelegenheit, seine Wahrnehmungen zum Tod seines Sohnes zu schildern. Ismail Yozgat schilderte aber nicht nur, wie er unter dramatischen Umständen seinen hingerichteten Sohn auffand, sondern auch, wie beispielsweise der bisherige Umgang der Justiz mit dem V-Mannführer Temme sein Vertrauen in die hiesige Justiz beschädigt hat.

Die Schilderung des Herrn Yozgat hat einen Hauch der durch die Nazimorde angerichteten Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit wieder in den Gerichtssaal zurückgeholt, der sich durch die betont sachliche Verhandlungsführung des Vorsitzenden Götzl in den letzten Wochen zu einer weitgehend emotionsfreien Zone entwickelt hatte.

Nachmittags begann die Vernehmung des Verfassungsschutzmitarbeiters und V-Mann-Führers Andreas Temme. Dieser äußerst dubiose Zeuge war zum Tatzeitpunkt in dem Internetcafé des Ermordeten gewesen, hatte sich aber nicht bei der Polizei gemeldet. Seine Vernehmung wurde über lange Zeiträume durch das Hessische Innenministerium be-, phasenweise sogar verhindert. Ein gegen Temme eingeleitetes Strafverfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt.

Auch am heutigen Verhandlungstag löste der Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit diesem Zeugen Streit aus: die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungsakte des Strafverfahrens gegen Temme größtenteils nicht zu den Akten in dem Verfahren gegen Zschäpe und Co. gegeben und verweigert dies auch nach wie vor. Um die Beiziehung dieser Akten, die eine Nebenklägervertreterin beantragt hat, wird noch eine nachdrückliche Auseinandersetzung geführt werden müssen.

Die Ausführungen des Verfassungsschützers Temme, warum er sich nicht bei der Polizei gemeldet hatte, als er von dem Mord an Halit Yozgat erfahren hatte, konnten auch den Vorsitzenden Richter Götzl nicht überzeugen. Dieser machte überdeutlich, dass er den Ausführungen des Zeugen keinerlei Glauben schenkt, und brach schließlich für heute die Vernehmung ab, wobei er deutlich machte, dass die Befragung noch sehr intensiv fortgeführt werden wird.

Die heutige Vernehmung hat deutlich gemacht, dass die dubiose Verstrickung des Verfassungsschutzes im Mordfall Halit Yozgat in diesem Prozess noch eine erhebliche Rolle spielen wird.