Archiv für den Monat: September 2015

30.09.2015

Ablehnung weiterer Beweisanträge – OLG verweigert weitere Aufklärung

Die ersten ZeugInnen heute waren zwei PolizeibeamtInnen, die den Taxifahrer befragt hatten, der angab, er habe im Juni 2011 Beate Zschäpe von der NSU-Wohnung in Zwickau zum Bahnhof gefahren – diese Fahrt entsprach einer Internetrecherche auf dem Rechner Zschäpes zu einer Zugverbindung zum Wohnort des Angeklagten Gerlach (vgl. den Bericht vom 02.09.2015). Sie gaben an, der Zeuge habe seine Erinnerung so geschildert, wie in ihrem Vermerk niedergelegt – er habe Zschäpe am Morgen des 16.6.2011 morgens zum Bahnhof gebracht, außerdem habe er einige Wochen vorher einmal Uwe Böhnhardt gefahren. Die Versuche von Zschäpe-Verteidiger Rechtsanwalt Stahl, Widersprüche in die BeamtInnen hineinzufragen, zeichneten sich wieder einmal mehr durch Aufgeregtheit als durch Substanz aus. Weiterlesen

29.09.2015

Gericht lehnt zahlreiche Beweisanträge ab

Heute ging es zunächst noch einmal um den Nagelbombenanschlag in der Keupstraße – eine Nebenklägerin ist bisher nicht zur Zeugenvernehmung erschienen, ihr Rechtsanwalt teilte mit, sie liege in der Türkei im Krankenhaus. Auch der Sohn einer Freundin der Nebenklägerin, der nähere Informationen zu ihr machen sollte, war wegen einer akuten Erkrankung entschuldigt. Ein Arzt aus einem Kölner Krankenhaus konnte sich nur vage erinnern – er berichtete von der Behandlung einer Patientin mit diversen Schnittwunden, die sei noch am selben Abend entlassen worden und auch später nicht mehr vorstellig geworden.

Sodann erstattete der medizinische Sachverständige sein Gutachten zur Gefährdung des damals 16-jährigen jungen Mannes, auf den bei dem Überfall auf den Edeka-Markt im Dezember 1998 geschossen worden war. Weiterlesen

24.09.2015

Die Mühen der Ebene II – DNA-Spuren stützen Netzwerk-Theorie

An zwei Tagen referierte der beim Bundeskriminalamt arbeitende Sachverständige Dr. Proff die Untersuchungen von Gegenständen auf DNA-Spuren, vor allem aus der Frühlingsstraße sowie dem Wohnmobil, in dem Böhnhardt und Mundlos starben Der Sachverständige erklärte zunächst die Untersuchungsmethode und Probleme bei dieser Art der Untersuchung, die sich insbesondere aus der Vermischung von DNA-Material verschiedener Personen ergeben.

Für den Angeklagten Eminger ergibt sich eine Besonderheit, weil er einen Zwillingsbruder hat. Wenn die Behauptung, die beiden seien eineiige Zwillinge, zutrifft, ist ihre DNA identisch.

Viele der in den zwei Tagen aufwändig dargestellten Untersuchungsergebnisse haben im Prozess bereits Beachtung gefunden und wurden auch in diesem Blog schon behandelt: die Spuren von Beate Zschäpe auf Seiten des Zeitungsarchives des NSU, zahlreiche Spuren von Böhnhardt und Mundlos an Waffen. Diese Ergebnisse stützen die bisherige Beweisaufnahme: Böhnhardt und Mundlos benutzten die gefundenen Fahrräder, Bekleidung, Masken und Waffen für die Straftaten des NSU. Zschäpe war nicht direkt an den Morden und Überfällen beteiligt, aber in die Organisation des alltäglichen Lebens, die Beschaffung von Papieren, Unterkunft, Mietwagen und die Aufrechterhaltung des Lebens im Untergrund beteiligt. Weiterlesen

22.09.2015

Die Mühen der Ebene: Details zur Asservatenauswertung

Der heutige Verhandlungstag war kurz, geladen waren nur drei PolizistInnen:
Die erste Zeugin, eine BKA-Beamtin, hatte eine in der Frühlingsstraße gefundene Postkarte ausgewertet. Diese wurde etwa ein halbes Jahr vor dem Mord an Mehmet Kubaşik in Dortmund von Dortmund aus an die Wohnung in der Frühlingsstraße versandt, der banale Inhalt „Viele liebe Güße das Wetter ist schön Tschüß“ stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von Uwe Böhnhardt. Der Tag korrespondiert mit einer Anmietung eines Wohnwagens, am Folgetag wurde eine Liste möglicher Anschlagsziele in Dortmund erstellt, mit Anmerkungen wie „gutes Objekt und geeigneter Inhaber“. Anscheinend hatten Mundlos und Böhnhardt also bei ihren Ausspähungen von Mordopfern in Dortmund noch Zeit, Zschäpe in Zwickau eine Postkarte mit einem Elefantenbaby zu schicken. Weiterlesen

16.09.2015

Zur frühen Zeit der Kameradschaft Jena

Einziger Zeuge heute war Tom Turner, der mit dem Trio, Wohlleben, Gerlach und anderen die Kameradschaft Jena gegründet hatte, dann aber nach einigen Monaten ausgetreten war, weil ihm die ernsthaften Strukturen in der Kameradschaft zu eng wurden und er sich lieber seiner Skinhead-Band widmen wollte. Turner war schon mehrfach geladen, aber bisher nie erschienen, hatte sich beim letzten Anlauf krank gemeldet. Heute erschien er und sagte auch recht umfassend aus. Seine Vernehmung wurde allerdings am frühen Nachmittag unterbrochen und wird im Oktober fortgesetzt.

Turner hatte schon bei der Polizei recht ausführlich zu den ideologischen Grundlagen der Kameradschaft Jena ausgesagt. Demzufolge war Mundlos ein überzeugter und unerbittlicher Nationalsozialist, der bei politischen Themen kein Einlenken kannte, Böhnhardt hatte einen „Waffentick“ und neigte schon damals zu Gewalttätigkeiten. Auch Beate Zschäpe war „natürlich“ von Anfang an dabei, auch wenn sie sich damals nicht mit inhaltlichen Statements hervortat. Weiterlesen

15.09.2015

Aktenschreddern war gestern – überraschende Aktenvermehrung beim Thüringer Verfassungsschutz

Als einziger Zeuge heute war auf Antrag der Nebenklage der ehemalige Thüringer Verfassungsschützer Jürgen Zweigert geladen, 1997 bis 2000 einer der V-Mann-Führer des V-Mannes Marcel Degner alias „Hagel“. Degner, der bis zu seiner Enttarnung 2000 Chef von „Blood and Honour“ Thüringen und Kassenwart von B&H Deutschland war, hatte in seiner Vernehmung beim OLG München vehement bestritten, jemals für den Verfassungsschutz gearbeitet oder gar Geld erhalten zu haben (blogs vom 11.03.2015 und 20.05.2015).

Sein V-Mann-Führer bestätigte heute nicht nur, dass es sich bei „Hagel“ um Marcel Degner handelte, sondern erklärte sogar, dieser habe als sehr quellenehrlich gegolten und bei jedem der wöchentlichen Treffen über drei Jahre hinweg mehrere hundert DM an Prämien erhalten. Damit ist Degner auf einer Ebene mit dem V-Mann Brandt zu sehen: er war an herausragender Stelle tätig (der Zeuge sprach davon, der V-Mann habe (Zitat!) „gute Aufbauarbeit“ der B&H-Struktur geleistet) und erhielt dafür eine ähnlich hohe finanzielle Gratifikation wie Brandt. Weiterlesen

03.09.2015

Nazizeuge meldet sich krank

Die für heute geplante Fortsetzung der Vernehmung des Mario Brehme konnte nicht durchgeführt werden, weil sich dieser krankgemeldet hat.

Es folgte dann die Verlesung von Briefen der Jenaer Kameradschaft an in Haft befindliche Chemnitzer Nazis und weiterer Unterlagen.

Die Verhandlung wird am 15. September fortgesetzt.

02.09.2015

Sommerpause beendet, und Verteidiger von Ralf Wohlleben greift Belastungszeugen an

Der heutige erste Verhandlungstag nach der Sommerpause verlief unspektakulär. Zunächst wurde ein Taxifahrer befragt, der nach den bisherigen Ermittlungen Beate Zschäpe am 16.6.2011 frühmorgens zum Bahnhof gefahren hatte, von wo aus sie ins niedersächsische Haste gereist sein soll, um von dem Mitangeklagten Gerlach einen Reisepass in Empfang zu nehmen. Die Erinnerung des Zeugen entsprach allerdings nicht den bislang bekannten Angaben in einem polizeilichen vermerk über seine Zeugenvernehmung. Der Zeuge meinte nun, er habe Zschäpe zum Bahnhof gefahren, kurze Zeit später habe er dann sie, Böhnhardt und Mundlos wieder in die Frühlingsstraße zurückgefahren. Es bleibt abzuwarten, ob die Vernehmung des Polizeibeamten, der damals die Vernehmung durchgeführt hat, hier Klarheit schafft.

Danach wurde die Vernehmung eines Zeugen fortgesetzt, der bereits am 29.4.2015 und 20.07.2015 befragt worden war. Weiterlesen