Schlagwort-Archive: Holger Gerlach

03.07.2018

Urteilsverkündung am Mittwoch, 11.07.2018. Letzte Worte der Angeklagten ohne Überraschungen.

Heute war die Publikums- und Pressetribüne bis auf den letzten Platz gefüllt. Bevor das Gericht allerdings den Angeklagten die Gelegenheit zum letzten Wort geben konnte, meldete sich zunächst Rechtsanwalt Erdal zu Wort: er hatte im Februar beantragt, dass zur Urteilsbegründung das Kruzifix im Gerichtssaal abgehängt werde; diesen Antrag hatte der Vorsitzende Richter erst gestern abgelehnt. Erdal rief dagegen nun den gesamten Senat an, blieb aber erfolglos.

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09.05.2018

Plädoyer der Verteidigung Gerlach: ganz gut gemacht, aber vom eigenen Mandanten widerlegt

Heute hielt die Verteidigung Gerlach ihr Plädoyer. Und wenn auch dieses Plädoyer im Ergebnis nicht überzeugen kann und Gerlach nicht vor der verdienten Verurteilung retten wird, kann man jedenfalls zu den Ausführungen von Rechtsanwalt Hachmeister sagen: das war jedenfalls mal ein Plädoyer. Auch Gerlachs Verteidiger griffen „politische Kreise an“, die das Verfahren für politische Zwecke nutzen wollten, und vertraten abwegige Thesen wie die, vor den 2000ern habe man sich doch nie mit rechtem Terror auseinandersetzen müssen. Aber sie unternahmen immerhin auch einen wirklichen Versuch, das Gericht zu überzeugen, setzten sich tatsächlich in einiger Tiefe mit den von der Bundesanwaltschaft vorgebrachten Indizien auseinander. Weiterlesen

27.07.2016

Zschäpes Einlassung erneut konkret widerlegt.

Das Gericht hörte heute einzig eine BKA-Sachverständige für „Personenidentifizierung anhand von Lichtbildern“. Sie hatte einen Schnappschuss, den Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in ihrem Sommerurlaub 2006 von einem Begleiter gemacht hatten, mit Fotos des Angeklagten Gerlach verglichen. Heute stellte sie ausführlich und anschaulich dar, dass es sich mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ um Gerlach handelt.

Ihr Gutachten ist relevant, weil es erneut eine unwahre Behauptung Beate Zschäpes aufzeigt: die hatte ausgesagt, Gerlach nach 2004 nicht mehr getroffen zu haben, insbesondere nicht im Urlaub. Auch diese Angabe – eine der wenigen überprüfbaren Detailangaben, die Zschäpe überhaupt gemacht hat – ist damit widerlegt. Weiterlesen

05.04.2016

Aussetzungsantrag der Verteidigung Wohlleben: Viel Lärm um sehr sehr wenig. Und: weitere Fragen an Zschäpe, diesmal zu Holger Gerlach

Wer die Hoffnung gehegt hatte, das Gericht würde nach der Osterpause mit ein wenig mehr Elan verhandeln, wurde einmal wieder enttäuscht: Auch heute verhandelte das Gericht nicht zur Sache, beendete den Tag gegen Mittag und sagte die Verhandlung für morgen ab.
Hintergrund war der Aussetzungsantrag der Verteidigung Wohlleben von vor den Osterferien: Bei der Durchsuchung Wohllebens 2011 war ein T-Shirt gefunden worden, das dessen nationalsozialistische Einstellung eindeutig unter Beweis stellte – unter der Aufschrift „Eisenbahnromantik“ waren darauf Eisenbahngleise zu sehen, die ins Konzentrationslager Auschwitz führen.

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04.02.2016

Ausnahmsweise kein Befangenheitsgesuch der Verteidigung

Auch heute wurde die Hauptverhandlung gleich nach Beginn für 2 Stunden unterbrochen, da die Verteidigung Wohlleben Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden und eine Beisitzerin vorbereiten wollte. Offensichtlich dämmerte der Verteidigung während der Vorbereitung der Anträge allerdings doch, dass sie sich damit lächerlich machen würde;. Die Verhandlung ging jedenfalls weiter, ohne dass ein weiterer Befangenheitsantrag gestellt wurde.

Der Zeuge Mario Brehme wurde ein drittes Mal vernommen (zu seinen bisherigen Vernehmungen vgl. die Einträge vom 15.07.2015 und 14.10.2015). Zuletzt war es um die Frage gegangen, ob er als V-Mann gearbeitet hat – inzwischen haben die Geheimdienste auf Nachfrage des Gerichts angegeben, das sei nicht der Fall gewesen. Brehme konnte daher nach wenigen Minuten entlassen werden und hatte heute keine Gelegenheit, sich erneut als Nazipropagandist zu betätigen. Weiterlesen

02.09.2015

Sommerpause beendet, und Verteidiger von Ralf Wohlleben greift Belastungszeugen an

Der heutige erste Verhandlungstag nach der Sommerpause verlief unspektakulär. Zunächst wurde ein Taxifahrer befragt, der nach den bisherigen Ermittlungen Beate Zschäpe am 16.6.2011 frühmorgens zum Bahnhof gefahren hatte, von wo aus sie ins niedersächsische Haste gereist sein soll, um von dem Mitangeklagten Gerlach einen Reisepass in Empfang zu nehmen. Die Erinnerung des Zeugen entsprach allerdings nicht den bislang bekannten Angaben in einem polizeilichen vermerk über seine Zeugenvernehmung. Der Zeuge meinte nun, er habe Zschäpe zum Bahnhof gefahren, kurze Zeit später habe er dann sie, Böhnhardt und Mundlos wieder in die Frühlingsstraße zurückgefahren. Es bleibt abzuwarten, ob die Vernehmung des Polizeibeamten, der damals die Vernehmung durchgeführt hat, hier Klarheit schafft.

Danach wurde die Vernehmung eines Zeugen fortgesetzt, der bereits am 29.4.2015 und 20.07.2015 befragt worden war. Weiterlesen

14.04.2015

Zum Beschleunigungsgebot und: Bankräuber sprachen „Sächsisch“

Der heutige Hauptverhandlungstag startete mit deutlicher Verspätung, und endete mit einem rekordverdächtigen Vernehmungsspurt – leider ohne wirkliches Ergebnis.

Der Angeklagte Gerlach hatte den Verhandlungstag vergessen und reiste erst im Laufe des Tages an. Der Beginn der Verhandlung wurde daher um 9.30 auf 15.30 verschoben. Richter Götzl teilte mit, wegen des Beschleunigungsgebotes wolle er ab 15.30 Uhr noch verhandeln. Ab 16.30 ging es dann endlich los. Und tatsächlich befragte Götzl einen Polizeibeamten, der die Anmietung von PKW und Wohnmobilen durch den NSU untersucht hatte, sowie verschiedene Zeugen zweier Banküberfälle in Stralsund am 07.11.2006 und 18.01.2007. Diese Befragungen konnten in aller Eile erledigt werden. Ergebnis: zwei maskierte Personen betraten die Bank, schossen in die Decke, nahmen das Geld und verschwanden.

Besonderheit: sie sprachen sächsisch. Vermutlich ist jede südostdeutsche Mundart für Mecklenburger „sächsisch“, aber für solche Nachfragen blieb dem Vorsitzenden keine Zeit.

Immerhin: eine Bankangestellte beschrieb die in der Bank verwendeten Geldbanderolen so genau, dass eine Zuordnung von beim Trio gefundenen Banderolen möglich sein wird.

08.01.2014

Ehepaar Scheidemantel – Lügen und Vergessen

Nachdem der Hauptverhandlungstag am 9.1. wegen der Krankmeldung eines Zeugen ausfiel, beschränkte sich der Prozess diese Woche auf den 8.1. An diesem Tag ging es erneut um die Krankenkassenkarte der Silvia Scheidemantel, die der Angeklagte Gerlach für 300 Euro von dem mit ihm befreundeten Ehepaar erhalten hatte, um Beate Zschäpe eine oder mehrere Arztbehandlungen zu ermöglichen. Die Ehefrau war hierzu bereits am 12. November vernommen worden. Nun sollte zuerst ihr Mann befragt und ihr im Anschluss weitere Fragen gestellt werden.

Alexander Scheidemantel ist ein langjähriger Freund und Kamerad des Angeklagten Holger Gerlach. Er war viele Jahre gemeinsam mit Gerlach in der Hannoveraner Naziszene aktiv und ist bis heute mit ihm befreundet. Scheidemantel bestätigte auf Nachfragen, dass er bis mindestens Ende 2004 aktiv war. Er sei damals Nationalsozialist gewesen, habe den Holocaust geleugnet, Juden abgelehnt und sei Ausländerfeind gewesen. So habe er auch Gerlach kennengelernt.

Eher aus Versehen offenbarte der Zeuge einiges zur Haltung der Neonazis zum deutschen Staat – und damit mittelbar zur Haltung des deutschen Staates zu den Neonazis –, als er bezogen auf sich und den Angeklagten Gerlach angab, sie haben (damals) die Gesellschaft so ändern wollen, dass sie eine nationalsozialistische wird, er habe sich aber nie angemaßt, den Staat ändern zu wollen. Auch wenn die letzte Äußerung sicher nur die eigene Tätigkeit verharmlosen sollte, wird dennoch deutlich, dass es der Naziszene in erster Linie darum geht, gesellschaftliche Stimmung in ihrem Sinne zu erzeugen, also beispielsweise die Ausgrenzung von Migranten voranzutreiben, und weniger darum, staatliche Institutionen, Macht gewaltsam zu übernehmen. Diese Grundhaltung führt dann auch dazu, dass militante Nazis von deutschen Sicherheitsbehörden systematisch in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt werden, da sie gerade diese Institutionen nicht in Frage stellen.

Zur Frage der Übergabe der AOK-Karte war der Zeuge allerdings weniger gesprächig, sondern stellte sich – letztlich erfolgreich – dumm. Er habe keine Erinnerung, er habe kein Gespräch über die Verwendung der Karte gegeben, er habe sich keine Gedanken gemacht. Auf die Nachfrage des Nebenklägervertreters Rechtsanwalt Hoffmann rutsche ihm allerdings doch raus, Gerlach habe ihm nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft mitgeteilt, die Karte sei für einen Arztbesuch von Beate Zschäpe gewesen. Diese Aussage versuchte er allerdings umgehend wieder zurückzunehmen, er habe sich das doch nur zusammengereimt.

Letztlich steht diese Aussage allerdings im Widerspruch zu der Tatsache, dass in der Wohnung des Trios ein Brillenpass, ein Bibliotheksausweis und weitere Unterlagen auf den Geburtsnamen der Silvia Scheidemantel – Roßberg – gefunden wurden, in denen private Daten eingetragen waren, die nur von ihr oder ihrem Ehemann stammen konnten. Es muss also ein intensiveres Gespräch gegeben haben. Der Vorsitzende Götzl nahm diese Widersprüche und das offensichtliche Vortäuschen von Erinnerungslücken allerdings hin, ohne den Druck auf den Zeugen zu erhöhen. Für Götzl scheint es ausreichend, dass nunmehr die Übergabe der Krankenkassenkarte feststeht. Die Bundesanwaltschaft drohte dem Zeugen immerhin die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Falschaussage an.

Die weitere Vernehmung der Ehefrau verlief kurz und ebenfalls ergebnislos. Wie stark die Eheleute in die Betreuung der untergetauchten NSU-Mitglieder verstrickt waren, bleibt unklar.

Nach Abschluss der Zeugenvernehmung stellte Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Hoffmann den Antrag, einen Zeugen zu vernehmen. Dieser gibt an, er habe im Jahr 2004 an den Angeklagten Ralf Wohlleben ein Werkzeug zur Überwindung von Wegfahrsperren von VW-Bussen beschafft und im Gegenzug eine Pistole erhalten. Die Mitglieder des NSU benutzten für ihre Straftaten u.a. VW-Busse, und bis heute sind nicht alle vom NSU genutzten Fahrzeuge ermittelt. Bisher wirft die Anklage Wohlleben nur die Beschaffung der Mordwaffe Ceska vor – das könnte sich nach der Zeugenaussage ändern. Das Gericht wird sich dabei nicht nur auf die Aussage des Zeugen verlassen müssen, denn nach seinen Angaben befindet sich die Waffe noch immer in einem Versteck, das er zeigen könnte.