Archiv für den Monat: Juli 2015

29.07.2015

V-Mannführer aus Brandenburg: Maskerade statt Aufklärung

Die Fortsetzung der Vernehmung Brandenburg „Verfassungsschützers“ Reiner Görlitz, der jahrelang als V-Mann-Führer des Brandenburger Nazikaders und Informanten Carsten Szczepanski arbeitete, geriet zum Eklat (zur letzten Vernehmung des Zeugen am 01.07.2015). Erneut erschien Görlitz im Gericht im Kapuzenpullover mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze und Perücke und versuchte, sein Gesicht von den Prozessbeteiligten wegzudrehen.

Bereits eine der ersten Fragen nach dem V-Mann Toni Stadler beantwortete er nicht und verwies auf seine beschränkte Aussagegenehmigung. Stattdessen gab er an, er habe zur Vorbereitung auf seine Aussage erneute mehrere Ordner Akten studiert. Schon dies führte zu Verwunderung, denn seine am 01.07.2015 geschilderten Erinnerungen an seine Zusammenarbeit mit Szczepanski hätten sicher auf einem DinA4-Blatt Platz gehabt. Weiterlesen

28.07.2015

Lügen und Verharmlosen XV – die gewaltfreie Naziszene Thüringens in den 90ern

Der gesamte heutige Verhandlungstag wurde auf die Vernehmung eines Zeugen verwendet, der ab den frühen 90er Jahren bei den Jungen Nationaldemokraten, der NPD und im Thüringer Heimatschutz aktiv war. Der Zeuge war bis heute nicht vernommen worden, vermutlich, weil er seit 10 Jahren in Kuwait lebt. Die Ladung ging auf einen Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben zurück, der Zeuge sollte belastende Angaben zu Wohllebens Verstrickung in die Unterstützung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos widerlegen.

Tatsächlich lässt sich aus der Aussage des Zeugen nichts Relevantes für die Beweisaufnahme herausfiltern. Der Zeuge, offensichtlich immer noch in nazistische Ideologie und Terminologie verstrickt, bemühte sich zwar sichtlich, Zschäpe und Wohlleben zu entlasten, es wurde aber schnell deutlich, dass er dabei die Wahrheit nach Belieben verdrehte. Dabei mischte sich in seine erdichteten Geschichten zur Nazi-Szene und zur Rolle von Zschäpe und Wohlleben auch immer wieder eine glasklare Werbung für die neo-nationalsozialistische Ideologie. Weiterlesen

21.07.2015

Mehr Theater von der Verteidigung Zschäpe, und Erkenntnisse zur Nähe André Emingers zum Trio

Der Verhandlungstag begann heute zunächst wieder mit Theater: Der Vorsitzende fragte, ob er über den gestrigen Antrag zur Sitzordnung wirklich entscheiden müsse oder ob die Verteidigung sich so einigen könne. Rechtsanwalt Heer erwiderte, wie man es von ihm gewohnt ist: er sei dazu eigentlich bereit, aber jetzt wo Zschäpe einen weiteren Entbindungsantrag gegen ihn gestellt habe, sei das vielleicht nicht mehr aktuell. Rechtsanwalt Grasel reagierte und stellte den Antrag zur Sitzordnung klar – Heer sollte jetzt noch einen Platz weiter von Zschäpe entfernt sitzen. So wurde es gemacht, und bis die erste Zeugin erschien, war es dann 10:15 Uhr. Die Verteidigung, die sonst so auf dem Beschleunigungsgrundsatz herumreitet, hatte also mit ihrem kindischen Streit mal wieder die Zeit aller Beteiligten verschwendet. Über den neuen Antrag auf Entpflichtung Heers, der bislang nicht allen Prozessbeteiligten zur Kenntnis gegeben wurde, wird das Gericht wohl außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden. Weiterlesen

20.07.2015

Das Zwangsverteidiger-Trio beantragt seine Entpflichtung – ohne Begründung

Der Verhandlungstag begann heute mit Anträgen der drei Pflichtverteidiger Heer, Stahl und Sturm, sie von der Verteidigung zu entbinden. „Begründet“ wurden diese Anträge nur mit einer anwaltlichen Versicherung, dass sog. „wichtige Gründe“ für eine Entbindung vorlägen. Mehr könne man wegen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht nicht sagen, man könne Zschäpe auch nicht raten, die drei insoweit von dieser Pflicht zu entbinden. Rechtsanwältin Sturm ergänzte, Zschäpe seien die Gründe hierfür „teilweise“ schon bekannt. Nach zahlreichen Unterbrechungen, Stellungnahmen und Erläuterungen lehnte der Vorsitzende Richter die Anträge schließlich ab.

Der Antrag konnte in dieser Form keinen Erfolg haben, denn er enthielt keine Begründung. Die anwaltlichen Versicherungen der VerteidigerInnen reichen nicht aus: Es ist schon sehr fraglich, ob man überhaupt eine rechtliche Wertung – dass wichtige Gründe vorlägen – anwaltlich versichern kann. Hinzu kommt, dass die drei noch vor wenigen Wochen, als Zschäpe von sich aus die Entpflichtung von Rechtsanwältin Sturm beantragt hatte, ausführlich dargelegt hatten, warum aus Ihrer Sicht kein Grund für eine Entpflichtung vorliege. Weiterlesen

15.07.2015

Dreist, dreister, Mario Brehme

Heute Vormittag hörte das Gericht drei ZeugInnen zu verschiedenen Themen: Den Anfang machte ein Chemnitzer, der seine Mutter im Haus Wolgograder Allee 76 in Chemnitz besucht und dabei Beate Zschäpe mehrmals im Hausflur getroffen hatte. In dem Haus war das Trio recht bald nach dem Untertauchen auf Vermittlung von André Eminger untergekommen. Er sagte, seine Mutter habe sich über die neuen Mieter beschwert, die laut wären, Nazilieder sängen und Zigarettenkippen vom Balkon würfen. Sie habe die Frau, die er nach 2011 als Beate Zschäpe identifizierte, angesprochen und sei von dieser beschimpft worden.

Es folgte ein Polizeibeamter aus Thüringen, der mehrere Vermerke zur Entwicklung des THS geschrieben hatte. Er gab allerdings zu Beginn seiner Vernehmung freimütig an, dass er nur „im Sinne einer Hausarbeit“ schriftliche Berichte von Verfassungs- und Staatsschutz Weiterlesen

14.07.2015

Und täglich lügt der Nazizeuge – so dreist, dass sogar die Bundesanwaltschaft mit Konsequenzen droht

Der erste Zeuge heute war ein Polizeibeamter, der zu einem Reisepass recherchiert hatte, den Holger Gerlach im Jahr 2011 im Auftrag von Uwe Böhnhardt bestellt hatte. Die Ermittlungen ergaben, dass Gerlach diesen Pass am 16.6.2011 selbst abgeholt hatte. Nächste Woche wird eine BKA-Beamtin berichten zu den Ermittlungen darüber, was danach mit dem Reisepass geschah. Demnach dürfte Beate Zschäpe am selben Tag allein nach Niedersachsen gefahren sein, um den Pass abzuholen – ein weiteres Indiz für die tiefe Einbindung und gleichberechtigte Rolle Zschäpes innerhalb des NSU. Weiterlesen

07.07.2015

Zschäpes vierter Verteidiger bekommt eine Woche Zeit, um sich einzuarbeiten.

Der Verhandlungstag begann zunächst mit einer längeren Besprechung zwischen dem bisherigen Verteidigertrio Zschäpes und dem frisch beigeordneten vierten Mann Rechtsanwalt Grasel – anscheinend u.a. um die Sitzordnung. Sturm, Stahl und Heer setzten sich zunächst an die angestammten Plätze und wiesen Grasel einen Platz am Rand zu – Zschäpe reagierte, indem sie sich einfach neben Grasel setzte.

Dessen erster Antrag lautete, die Hauptverhandlung für drei Wochen zu unterbrechen, damit er sich angemessen vorbereiten könne. Das Gericht kam dem teilweise nach – diese Woche wurde ganz gestrichen, die beiden letzten Wochen im Juli von drei auf zwei Tage gekürzt.
Rechtlich notwendig war diese Unterbrechung nicht – wie die Generalbundesanwaltschaft in ihrer Stellungnahme richtig anmerkte, ist Zschäpe ja „durch drei Verteidiger zusätzlich noch verteidigt.“ Allerdings war ja schon die Beiordnung von Grasel alles andere als zwingend, nachdem der Senat den Antrag auf Entpflichtung von Anja Sturm abgelehnt hatte. Weiterlesen

01.07.2015

Ein weiterer V-Mann-Führer von Carsten Szczepanski sagt aus – ein weiteres Lehrstück dafür, dass der Verfassungsschutz und sein V-Mann-System ersatzlos abgeschafft gehören

Heute berichtete zunächst ein BKA-Ermittler kurz zu einer CD, die in der NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße gefunden wurde. Darauf sind Fotos von einem Urlaub des Trios in der Holsteinischen Schweiz im Jahr 2004 zu sehen. Eines der Fotos wurde später verwendet für die „Wette“ zwischen Böhnhardt und Zschäpe, in der Zschäpe den Wetteinsatz „200x Videoclips schneiden“ angeboten hatte (vgl. dazu den Bericht vom 16.06.2015) – die heutige Aussage bestätigt also die zeitliche Einordnung der Wette in den Bereich Ende 2005.

Am Nachmittag sagte Reiner Görlitz aus, der ehemalige V-Mann-Führer des Brandenburger Nazikaders und Informanten Carsten Szczepanski (vgl. zu dessen Aussagen die Berichte vom 03.12.2014 und 13.01.2015). Er erschien vor Gericht im Kapuzenpullover mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze, und – so der Eindruck mancher ZuhörerInnen – mit technisch veränderter Stimme. Weiterlesen