28.07.2015

Lügen und Verharmlosen XV – die gewaltfreie Naziszene Thüringens in den 90ern

Der gesamte heutige Verhandlungstag wurde auf die Vernehmung eines Zeugen verwendet, der ab den frühen 90er Jahren bei den Jungen Nationaldemokraten, der NPD und im Thüringer Heimatschutz aktiv war. Der Zeuge war bis heute nicht vernommen worden, vermutlich, weil er seit 10 Jahren in Kuwait lebt. Die Ladung ging auf einen Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben zurück, der Zeuge sollte belastende Angaben zu Wohllebens Verstrickung in die Unterstützung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos widerlegen.

Tatsächlich lässt sich aus der Aussage des Zeugen nichts Relevantes für die Beweisaufnahme herausfiltern. Der Zeuge, offensichtlich immer noch in nazistische Ideologie und Terminologie verstrickt, bemühte sich zwar sichtlich, Zschäpe und Wohlleben zu entlasten, es wurde aber schnell deutlich, dass er dabei die Wahrheit nach Belieben verdrehte. Dabei mischte sich in seine erdichteten Geschichten zur Nazi-Szene und zur Rolle von Zschäpe und Wohlleben auch immer wieder eine glasklare Werbung für die neo-nationalsozialistische Ideologie.

Zschäpe ließ er anfangs völlig außen vor, sprach nur vom Untertauchen von Böhnhardt und Mundlos. Auf Nachfrage meinte er, Zschäpe sei wohl nur aus Solidarität und Abenteuerlust mitgegangen. Die Thüringische Naziszene beschrieb er als vollständig gewaltfreies Opfer von Übergriffen der Polizei und Antifa. Der Thüringer Heimatschutz sei die „Mutter der Organisationen“, gar „keine Organisation“, ein „Dachverband“ gewesen, es habe keine Strukturen gegeben, aber regelmäßige sogenannte „Mittwochstreffen“ und zu deren Vorbereitung „Sonntagstreffen“.

Immerhin verplapperte er sich an dieser Stelle und gab an, es habe jedenfalls ein Treffen gegeben, zu dem auch Blood and Honour und White Youth Thüringen eingeladen und gekommen waren. Selbst wenn der Angeklagte Wohlleben an diesem Treffen eventuell nicht teilgenommen hat, ist also klar, dass sich die Führungsebene der verschiedenen „nationalen Organisationen“ kannte. Wohlleben verfügte also über Kontakte zu der Organisation, deren sächsischer Teil später die Unterstützung des NSU übernahm. Auch den Einfluss von westdeutschen „Führungskadern“ der „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (vgl. den Bericht vom 30.09./01.10.2014) auf die Gründung und Führung der ostdeutschen Organisationen bestätigte er.

Auch bestätigte der Zeuge, dass auf verschiedenen Konzerten Geld für „die Drei“ gesammelt wurde. Zunächst gab er an, es sei per Aushang auf die Unterstützung hingewiesen worden, später widersprach er und meinte, am Eingang sei jedem mitgeteilt worden, wofür gesammelt wurde. Offensichtlich war allen Besuchern klar, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt unterstützt wurden.

Es zeigt sich erneut, dass der Großteil der Zeugen aus der rechten Szene bis heute ihre politische Haltung beibehalten hat und im Prozess ihre Verbundenheit mit den Angeklagten durch Lügen, Ausreden und Geschwätz ausdrückt.