Archiv für den Monat: Juni 2015

30.06.2015

Noch mehr zum Verfassungsschützer Andreas Temme

Der heutige Verhandlungstag stand im Zeichen der erneuten Vernehmung des Kasseler Verfassungsschutzmitarbeiters Temme und seiner Ehefrau. Wie schon berichtet, hatte die Nebenklage im Wege der Akteneinsicht beim Bundeskriminalamt verschiedene Telefongespräche zwischen Temme und seinen Kollegen sowie zwischen seiner Frau und deren Schwester ausgegraben, die die bisherige Version Temmes, er habe nichts gesehen, nichts gehört und nichts getan, in Frage stellen.

Die Hauptverhandlung begann allerdings mit einem Antrag der Angeklagten Zschäpe selbst, die Befragung weiterer Zeugen erst nach Beiordnung des Rechtsanwalts Grasel als weiteren Pflichtverteidiger durchzuführen. Grasel hatte sie bisher nur außergerichtlich in der JVA aufgesucht und beraten, ein Antrag auf seine Beiordnung als weiteren Pflichtverteidiger oder im Austausch gegen die abgelehnte Rechtsanwältin Sturm lag bislang noch gar nicht vor. Vielmehr war es offensichtlich eine Idee des Vorsitzenden gewesen, Rechtsanwältin Sturm als Weiterlesen

24.06.2015

Noch einmal zur Keupstraße, und weiter zum Verfassungsschützer Temme

Zunächst sagte heute ein weiterer Geschädigter des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße aus, der sich zum Zeitpunkt der Explosion im Reisebüro seines Vaters in der Keupstraße aufhielt. Er hatte das Glück, nicht verletzt zu werden, weil ein Lieferwagen zwischen ihm und der Bombe stand und Dutzende Nägel abfing. Die beiden Gutachter, die bereits sehr klare und eindeutige Gutachten zur Lebensgefährlichkeit der Nagelbombe erstattet hatten (vgl. den Beitrag vom 11.02.2015), ergänzten und bestätigten ihre Gutachten im Hinblick auf die Aussagen des heutigen Zeugen und weiterer Zeugen aus der Keupstraße aus den letzten Monaten.

Nachmittags sagte ein weiterer Kollege des hessischen Verfassungsschützers Temme, der damalige Geheimschutzbeauftragte Hess, aus. Auch er hatte nach dem Mord an Halit Yozgat in Kassel mehrere Telefonate mit dem – damals beschuldigten – Temme geführt, die von der Kriminalpolizei abgehört und aufgezeichnet wurden. In dem ersten Gespräch sagte er wörtlich: „Ich sage ja jedem, äh, wenn der weiß, dass irgendwo sowas passiert, bitte nicht vorbeifahren.“ Weiterlesen

23.06.2015

Zur Tötungsbereitschaft des Trios von Anfang an

Am heutigen Verhandlungstag wurde nur ein Zeuge vernommen, bevor die Verhandlung wegen Zahnschmerzen und einer notwendigen Zahnbehandlung der Angeklagten Zschäpe unterbrochen wurde. Die Zeugenvernehmung brachte allerdings spannende Erkenntnisse, die erneut die Anklagethese, der NSU habe nur aus drei Mitgliedern bestanden, in Frage stellen.

Der Zeuge berichtet, er habe während des Überfalls auf die Edeka-Filiale in Chemnitz am 18.12.1998 mit Freunden vor dem Markt gestanden, sei dann den Tätern hinterhergelaufen. Eine der Personen habe gerufen „bleib stehn“ und dann mehrfach auf ihn geschossen. Die Kugeln seien in Brust- und Kopfhöhe an ihm vorbeigeflogen, mindestens eine sei in die Wand des Supermarktes eingeschlagen. Das Einschussloch – auf Brusthöhe – habe er sich später noch hin und wieder angeschaut. Er habe die Kugel an seinem Kopf vorbeizischen gehört. Weiterlesen

17.06.2015

Zu den abgehörten Telefonaten des V-Mann-Führers Temme mit seinen Kollegen

Heute wurden drei ehemalige Kollegen des V-Mann-Führers Temme vom Verfassungsschutz Hessen vernommen, mit denen Temme im April/Mai 2006, als er Beschuldigter des Mordes an Halit Yozgat in Kassel war, telefoniert hatte.

Am 9. Mai 2006 hatte Temme mit seinem Vorgesetzten Muth telefoniert, u.a. ging es um eine dienstliche Stellungnahme Temmes. Muth empfahl ihm zunächst, das Geschehen so zu schildern, wie es war – nahm dies dann aber gleich wieder zurück und empfahl Temme stattdessen, zunächst mit dem Geheimschutzbeauftragten Hess Kontakt aufzunehmen.

Am 2. und 15. Mai 2006 telefonierte Temme mit seinem Kollegen Fehling. Im ersten Gespräch berichtete Fehling, welche Maßnahmen das Landesamt eingeleitet habe, um die polizeilichen Ermittlungen zu behindern und zu steuern: Man habe Sorge getragen, dass die Polizei keinen Zugriff auf seine Quellen erlangen würde und dass auch die mit der Sache in Zusammenhang stehenden Berichte Temmes der Polizei nicht bekannt würden. Weiterlesen

16.06.2015

Schlechte Stimmung in der Verteidigung Zschäpe und zu Zschäpes Beteiligung am NSU-Bekennervideo

Die Hauptverhandlung begann heute, ohne dass der Antrag der Angeklagten Zschäpe, ihre Verteidigerin Sturm zu entpflichten (vgl. den Bericht vom 10.06.2015), auch nur erwähnt wurde. Allerdings war zu bemerken, dass Zschäpe gegenüber Sturm, aber auch gegenüber den beiden anderen Verteidigern Stahl und Heer demonstrative Ablehnung zeigte. Rechtsanwältin Sturm hatte vergangene Woche dem Gericht mitgeteilt, die von Zschäpe gegen sie erhobenen Vorwürfe seien falsch. Stahl und Heer nahmen ebenfalls in eigenen Schriftsätzen Stellung: die Angaben Zschäpes träfen nicht zu. Zschäpe hat sich beim Gericht bis Mittwoch eine Fristverlängerung zur Stellungnahme erbeten. Sie wolle sich noch anwaltlichen Rat einholen. Eine Entscheidung über den Antrag Zschäpes, in dem bisher lediglich die Entpflichtung von RAin Sturm beantragt und kein möglicher neuer Verteidiger genannt wurde, wird also frühestens nächste Woche fallen. Weiterlesen

10.06.2015

Zschäpe will neue Pflichtverteidiger II – Rechtsanwältin Sturm soll gehen

Nach längeren Verzögerungen und Unterbrechungen gab der Vorsitzende heute bekannt, dass Zschäpe beantragt hatte, ihre Verteidigerin Rechtsanwältin Sturm zu entbinden – die Gründe hierfür sind bisher nicht bekannt. Die Sitzung wurde daraufhin für heute beendet.
Bereits letzten Sommer, am 16.7.2014, hatte Zschäpe erklärt, kein Vertrauen mehr zu ihren Verteidigern zu haben. Ihr Antrag, alle drei Pflichtverteidiger zu entpflichten, wurde damals eine Woche später mit der knappen Begründung zurückgewiesen, sie habe keine ausreichenden Gründe vorgetragen.

Es ist klar, dass eine solche Entpflichtung nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommt, denn ein Austausch aller drei Verteidiger würde zwangsläufig dazu führen, dass die Beweisaufnahme wiederholt werden muss. Die Strafprozessführung sieht eine Entpflichtung nur dann vor, wenn Gründe genannt werden, die belegen, dass eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliegt, die befürchten lässt, dass die Verteidigung nicht mehr sachgerecht geführt werden kann. Weiterlesen

09.06.2015

Zu den Waffen des Trios, zu den Raubüberfällen und noch einmal vom V-Mann Degner

Heute berichteten zunächst zwei Sachverständige zu den Waffen des Trios, vor allem zu Munitionsteilen, die in der NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden wurden. Es ergab sich, dass die Munitionsteile – alle vom Kaliber 6.35mm Browning – aus vier verschiedenen Waffen stammten, von denen nur eine gefunden wurde. Der NSU hatte also wahrscheinlich noch weitere Waffen. Einige der Hülsen stammten aus der Tatwaffe des Überfalls auf einen Edeka-Markt in Chemnitz im Dezember 1998, dem wohl ersten der Überfälle des NSU – dort hatten sie auf einen Jugendlichen, der ihnen hinterhergelaufen war, scharf geschossen.

Im Weiteren sagten Zeuginnen und Zeugen zu weiteren Überfällen des NSU aus. Den Beginn machte ein Kriminalbeamter von der Kripo Chemnitz, der zu mehreren Überfällen in Chemnitz ermittelt hatte und den Gang der damaligen Ermittlungen darstellte. Es folgten zwei Zeuginnen des Überfalles auf eine Postfiliale in Chemnitz im November 2000.

Mehrere Nebenklage-VertreterInnen beantragten, einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Thüringen als Zeugen zu laden, der den V-Mann Marcel Degner, Chef von „Blood and Honour“ Weiterlesen