Schlagwort-Archive: Chemnitz

08.03.2016

Weitere Zeugenaussagen zu den Raubüberfällen des NSU

Heute sagten mehrere Kriminalbeamte aus Sachsen als Zeugen aus, die seinerzeit Ermittlungen zu den Raubüberfällen des NSU auf Post- und Sparkassenfilialen in Chemnitz und Zwickau durchgeführt hatten. Damals waren zwar Bilder von Überwachungskameras, auch Schuh- und Reifenspuren gesichert worden, aber den Tätern kam man nicht auf die Spur.

Die Zuordnung der Taten zum NSU erfolgte später durch das BKA über die in der NSU-Wohnung in Zwickau und im Wohnmobil in Eisenach gefundenen Kleidungsstücke, Waffen und Beute-Teile, die mit denen von den Taten übereinstimmen.

03.03.2016

Weitere ZeugInnen zu den brutalen Banküberfällen des NSU

Heute sagten mehrere ZeugInnen zu den Banküberfällen des NSU aus, diesmal zu drei Überfällen auf Sparkassen in Chemnitz in den Jahren 2004 und 2005. Auch hier zeigte sich das altbekannte Bild, insbesondere das extrem brutale Auftreten der inzwischen mit Pistole und „pumpgun“ bewaffneten Mundlos und Böhnhardt – diese bedrohten Bankangestellte durchgängig aus nächster Nähe mit Waffen, schlugen ihnen mit dem Gewehrschaft auf den Kopf, zertrümmerten Mobiliar, im letzten Fall zeigte sogar einer von ihnen eine Handgranate vor und drohte, diese zu zünden, wenn nicht weiteres Geld herausgegeben wird. Weiterlesen

23.06.2015

Zur Tötungsbereitschaft des Trios von Anfang an

Am heutigen Verhandlungstag wurde nur ein Zeuge vernommen, bevor die Verhandlung wegen Zahnschmerzen und einer notwendigen Zahnbehandlung der Angeklagten Zschäpe unterbrochen wurde. Die Zeugenvernehmung brachte allerdings spannende Erkenntnisse, die erneut die Anklagethese, der NSU habe nur aus drei Mitgliedern bestanden, in Frage stellen.

Der Zeuge berichtet, er habe während des Überfalls auf die Edeka-Filiale in Chemnitz am 18.12.1998 mit Freunden vor dem Markt gestanden, sei dann den Tätern hinterhergelaufen. Eine der Personen habe gerufen „bleib stehn“ und dann mehrfach auf ihn geschossen. Die Kugeln seien in Brust- und Kopfhöhe an ihm vorbeigeflogen, mindestens eine sei in die Wand des Supermarktes eingeschlagen. Das Einschussloch – auf Brusthöhe – habe er sich später noch hin und wieder angeschaut. Er habe die Kugel an seinem Kopf vorbeizischen gehört. Weiterlesen

11.05.2015

Zu den Raubtaten des NSU

Diese Woche befasst sich das Gericht vor allem mit einigen der insgesamt 15 Raubüberfälle des NSU. Heute wurden zunächst ZeugInnen zur ersten dieser Taten, einem Raub am 18.12.1998 in einem Edeka-Markt in Chemnitz, vernommen. Demnach entrissen die Täter der Hauptkassiererin die Tageseinnahmen und flüchteten zu Fuß. Sie wurden von einem Jugendlichen verfolgt, schossen dreimal auf ihn. Die verwendete Munition entspricht Munition, die 2011 in der NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden wurde – die Waffe, mit der diese Munition verschossen wurde, wurde allerdings bislang nicht gefunden. Der Jugendliche, der die Täter verfolgte, wurde erst vor kurzem wieder ausfindig gemacht und wird sicher in einer der kommenden Wochen geladen werden.

Eine Zeugin beschrieb die Einschusslöcher in der Außenwand des Ladens, mindestens eines davon in etwa 1,60 Meter Höhe, also in etwa auf Kopfhöhe des Verfolgers. Der hemmungslose Schusswaffeneinsatz von Böhnhardt und Mundlos noch im ersten Jahr ihres Untertauchens und im Rahmen eines „nur“ der Geldbeschaffung dienenden Überfalles zeigt, dass die Untergetauchten von Anfang an die Tötung von Menschen in Kauf nahmen. Weiterlesen

18.03.2015

U.a. zum Angeklagten Carsten Schultze

Der Verhandlungstag begann mit dem Gutachten des Psychiaters Prof. Leygraf. Er sollte sich dazu äußern, ob für Carsten Schultze, der zur Tatzeit 19 oder 20 Jahre alt war, noch Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Der Gutachter hatte sich bereits in seinem schriftlichen Vorgutachten hierfür ausgesprochen und bestätigte dies heute im Wesentlichen: das Coming Out von Schultze und sein Rückzug aus der Nazi-Szene zeigten, dass er sich nach den ihm vorgeworfenen Taten erheblich weiter entwickelt habe; dies wiederum spreche dafür, dass er zum Tatzeitpunk noch eher einem Jugendlichen gleichgestanden habe. Der Vorsitzende fragte nach, wies insbesondere darauf hin, dass der Ausstieg Schultzes und die ihm vorgeworfenen Taten zeitlich sehr nah beieinanderlagen.

Aus strafrechtlicher Sicht wäre dennoch die Anwendung von Jugendstrafrecht wenig überraschend – gleichzeitig aber in der konkreten Umsetzung auf einen heute Mitte-Dreißigjährigen nicht einfach: das Gericht wird insoweit den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts, aber auch die Schwere und den politischen Charakter der Tat, die Schultze eingestanden hat, berücksichtigen müssen. Weiterlesen

05.03.2015

Lügen und Verharmlosen Deluxe – Hendrik Lasch und sein „rechtskonservativer“ Freund Mundlos

Heute wurde zunächst ein Psychiater vernommen, der ein Gutachten zu einem der jungen Männer erstellt hatte, der durch die Nagelbombe in der Keupstraße schwer verletzt wurde (zu dessen Aussage s. den Bericht vom 20.01.2015). Seine Schilderung machte noch einmal in bedrückender Form deutlich, wie schwer – neben den körperlichen Verletzungen – die psychischen Folgen des Attentats waren: Noch zum Zeitpunkt der Begutachtung 2012 fand sich bei diesem Verletzten das Vollbild einer post-traumatischen Belastungsstörung mit Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, immer wiederkehrenden Alpträumen, flashbacks, noch 2012 lösten alltägliche Szenen wie Fahrräder mit Taschen erhebliche Ängste und Vermeidungsverhalten aus.

Es folgte Hendrik Lasch, ebenfalls aus der Nazi-Szene in Chemnitz und seit Mitte der 1990er v.a. mit Uwe Mundlos befreundet. Auch er war sichtlich bemüht, nichts Substantielles beizutragen, trieb dieses Spiel bis zur Grenze des Lächerlichen und weit darüber hinaus. Der Vorsitzende Richter Götzl sah sich zu vielen genervten Nachfragen veranlasst – aber erneut nicht dazu, Ordnungsmittel auch nur anzudrohen, und das trotz mehrerer Antworten Laschs, die eindeutige Aussageverweigerungen unter dem Deckmantel des Nicht-Erinnern-Könnens darstellten. Weiterlesen

26.02.2015

Und täglich lügt der Nazi-Zeuge.

Heute sagte zunächst eine Jugendfreundin von Carsten Schultze aus der rechten Szene Jenas aus, die sich auch mit ihm zusammen aus der Szene zurückgezogen hatte. Sie war sichtlich bemüht, ihren alten und noch-Freund Schultze zu entlasten. Insbesondere versuchte sie ihn als jemand darzustellen, der keine eigenständige Rolle in der Szene spielte, sondern nur von anderen – vor allem André Kapke und Ralf Wohlleben – „geschickt“ wurde und reine Jugendarbeit machte. Wie auch Schultze selbst, versuchte die Zeugin den Eindruck zu erwecken, sie selbst und auch Schultze hätten damals gar keine politische Meinung gehabt, sondern seien nur wegen persönlicher Probleme in die Szene geraten.

Ihre Aussage war offensichtlich genau so extrem gefärbt wie die Selbstdarstellung Schultzes: Sicher stimmt es, wie die Zeugin sagte, dass Wohlleben und Kapke die führende Rolle in der Nazi-Szene Jenas spielten. Dass deswegen alle anderen reine MitläuferInnen ohne eigene Meinung gewesen seien, mag vielleicht für sie selbst gelten, die im Alter von 12 oder 13 Jahren Weiterlesen

25.02.2015

Chemnitzer Zeugen: Einige Details, viele Geschichten und weiter keine Entlastung für Wohlleben

Heute wurden zwei Zeugen aus dem Bereich Chemnitz befragt. Beide waren auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen worden, die versucht, die Verantwortung für die Unterstützung des NSU von Wohlleben wegzuschieben und allein bei „Blood & Honour“ Sachsen festzumachen.

Dieser Plan ging auch bei diesen Zeugen nicht auf. Die beiden Zeugen waren aber auch ansonsten bemüht, nicht besonders viel Erkenntnisse zu liefern – wie viele Zeugen aus der Nazi-Szene vor ihnen bestätigten sie im wesentlichen nur das, was eh nachgewiesen ist, und erzählten ansonsten Märchen oder gaben vor, sich nicht zu erinnern.

Zunächst kam Gunter Fiedler, einer der „88er“ Skinheads aus Chemnitz. Er bestätigte, dass nach dem Untertauchen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sein Bruder und er eine Wohnung für diese besorgten. B&H-Chef Thomas Starke hatte sie angesprochen, die Drei bräuchten eine Unterkunft, sie seien auf der Flucht vor der Polizei. Die Fiedlers sprachen zunächst Mandy Struck an, die verwies auf ihren Freund Max-Florian B., wo die Drei tatsächlich unterkamen. Weiterlesen

11.11.2014

Mehr Einblicke zu Tino Brandt und zum „Thüringer Heimatschutz“

Heute wurde erneut der hauptsächliche V-Mann-Führer von Tino Brandt, damals Führer des „Thüringer Heimatschutzes“ und V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes, vernommen.
Vor allem ging es noch einmal um die Unterstützung der untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt durch Brandt und die anderen Mitglieder des THS. Die diversen „Deckblattmeldungen“ über Berichte Brandts bestätigten erneut, dass diverse „Kameraden“ aus Jena und Chemnitz in die Unterstützung eingebunden waren und das Landesamt schon damals genug Informationen hatte (Kontaktpersonen, Telefonnummern usw.), um die „Drei“ in Chemnitz zu suchen und zu finden.

Ansonsten glänzte der inzwischen pensionierte „Verfassungsschützer“ immer wieder mit Erinnerungslücken, vor allem, wenn es um das Verhalten des VS im Zusammenhang mit rechten Straftaten ging. Die Polizei hatte sich bekanntlich beschwert, dass der VS häufig Quellen vor bevorstehenden Durchsuchungen gewarnt hatte. Der Zeuge hatte im Untersuchungsausschuss des Bundestages noch geäußert, gegen Brandt seien ca. 30 Ermittlungsverfahren geführt worden, von denen keines zu einer Verurteilung geführt habe – aber damit könne man leben. Heute wollte er nicht mehr wissen, was er damit gemeint habe. Auch auf Vorhalte aus anderen Quellen, wonach das Thüringische Landesamt u.a. eine USA-Reise Tino Brandts finanziert habe, antwortete der Zeuge, er könne sich nicht erinnern.

Auch Fragen zu einem Anwerbevorgang mit dem Codenamen „Delhi“ – der Geburtsstadt des Angeklagten Carsten Schultze – wich der Zeuge aus und wollte sich nicht erinnern.
Deutlich wurde – erneut – dass zumindest das LfV Thüringen ein sehr enges, fast freundschaftliches Verhältnis zu ihren Naziquellen unterhielt. Brand musste nichts erzählen, was er nicht erzählen wollte. Im Übrigen war dem Amt völlig klar, dass zu den Unterstützern der drei Abgetauchten die „Blood & Honour“-Szene in Chemnitz zählte. Offensichtlich gab es keinen wirklichen Willen, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos festzunehmen und die militanten Nazistrukturen in Thüringen zu zerschlagen.

07.10.2014

Erneut „Blood and Honour“ Chemnitz – erneut Leugnen und Verharmlosen

Erneut wurde heute der Chemnitzer Thomas Rothe vernommen, bei dem Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in ihrer Anfangszeit in Chemnitz, direkt nach ihrem Abtauchen, Unterschlupf gefunden hatten. Rothe versuchte weiterhin (vgl. die Berichte vom 01.04.2014 und vom 29.07.2014), alle Fragen mit dumpfem „kann mich nicht erinnern“ abzuwehren. Dies gelang ihm auch erneut, zumindest beim Vorsitzenden Richter Götzl, recht gut.

Die Verteidigung Zschäpe zeigte erneut, offensichtlich angetrieben durch die Unzufriedenheit ihrer Mandantin, etwas mehr an Aktivität und ließ dabei offensichtlich Wissen ihrer Mandantin einfließen. So hielt Rechtsanwältin Sturm dem Zeugen vor: „Nach meinen Erkenntnissen soll Herr Mundlos einmal mehrere Wochen bei Ihnen gewohnt haben.“ Rothe allerdings hatte nicht vor, zur Aufklärung beizutragen, und verneinte auch dies.

Immerhin führte Rothe auf Frage der Verteidigung Zschäpe aus, dass er nicht nur das Trio in Chemnitz aufgenommen hatte, sondern die drei auch in deren späteren Wohnungen in Chemnitz und in Zwickau mehrmals besucht hatte. Mit Mundlos alleine habe er sich in der gesamten Zeit, also über zwei Jahre lang, öfter getroffen, sie seien Freunde gewesen. Mundlos habe ihm auch ein paarmal bei Layoutproblemen am Computer geholfen – vermutlich bei Layouts seines eigenen Naziblättchens „Sachsens Glanz“ oder des „B&H“-Blattes White Youth.

Es war wieder mal der Nebenklage vorbehalten, die Einbindung des Zeugen in die militante Naziszene herauszuarbeiten. Rothe war in einem Zeitraum von zwei Jahren zumindest „Anwärter“ bei „Blood & Honour“, kannte die wichtigen Leute, beteiligte sich nicht nur an Konzerten, sondern auch am Layout von Publikationen. Durch sein eigenes Fanzine „Sachsens Glanz“, so schilderte er, wurden ihm viele andere Zeitschriften und Tonträger zugeschickt. Die in seinem Heft nachzulesenden Besprechungen von Fanzines und Musik zeigen eine Sammlung der aggressivsten, gewaltverherrlichenden neonationalsozialistischen Propaganda der damaligen Zeit.

An einer Stelle log Rothe nachweislich: mehrfach gab er an, er habe erst durch die Fernsehsendung „Kripo live“ am 22.02.1998 erfahren, dass „die Drei“ u.a. wegen dem Aufhängen einer Puppe gesucht wurden. Mit den dreien selbst habe er darüber nicht gesprochen. In der „Kripo Live“-Sendung, die in einer früheren Hauptverhandlung bereits vorgeführt wurde, taucht allerdings der Puppentorso an der Autobahnbrücke gar nicht auf.

Die nachfolgende Vernehmung eines Polizeibeamten, der Enrico Theile vernommen hatte, brachte nichts Neues.

Zum Abschluss gab die Nebenklage eine Erklärung zur Vernehmung Tino Brandt ab und betonte die Bedeutung von Brandts Aussage zur „Gesinnungsgemeinschaft der neuen Front“ (vgl. Blog vom 30.09./01.10.2014).

Die Bundesanwaltschaft nahm Stellung zu Beweisanträgen der Nebenklage und erklärte sich mit der Vernehmung mehrerer Zeugen einverstanden. Dies betrifft insbesondere GndF-Kader Kai Dalek, der auch lange Jahre V-Mann des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz war.