Schlagwort-Archive: Mandy Struck

19.03.2015

Nachbarinnen aus der Polenzstraße: Zschäpes Tarnung war perfekt.

Heute sagten zunächst zwei ehemalige Nachbarinnen der NSU-Wohnung in der Polenzstraße in Zwickau aus. Die erste Zeugin hatte 2006 bis 2008 dort gewohnt, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt waren vor ihr ausgezogen. Ihre Vernehmung zeigte einmal mehr, dass die Tarnung Zschäpes perfekt funktioniert hatte. Die damals alleinerziehende Zeugin hatte sich offensichtlich eine Freundin gewünscht und immer wieder Annäherungsversuche unternommen, Zschäpe konnte und wollte ihr aber natürlich keine Einblicke in ihr Leben und die Wohnung geben und wehrte daher unter Verweis auf „ihren Freund“ ab. Die Zeugin war nun angesichts der Tatvorwürfe gegen ihre ehemalige Nachbarin bemüht, diese als unschuldiges Opfer ihres Freundes (Uwe Mundlos) darzustellen. Und so interpretierte sie vermeintliche Blicke, Gesten und Andeutungen der ihr als Lisa Dienelt bekannten Zschäpe: Lisa habe ihr ihre Telefonnummer nicht gegeben, weil ihr Freund nicht gestört werden wollte, Lisa habe ihr angedeutet, dass sie mit ihrem Freund und dessen Bruder (Uwe Böhnhardt) gemeinsamen Sex habe, obwohl sie das nicht wolle. All diese Schlüsse waren jedoch nicht auf wirkliche Beobachtungen gestützt und lösten sich auf Nachfragen des Vorsitzenden in vage Vermutungen auf. Weiterlesen

26.02.2015

Und täglich lügt der Nazi-Zeuge.

Heute sagte zunächst eine Jugendfreundin von Carsten Schultze aus der rechten Szene Jenas aus, die sich auch mit ihm zusammen aus der Szene zurückgezogen hatte. Sie war sichtlich bemüht, ihren alten und noch-Freund Schultze zu entlasten. Insbesondere versuchte sie ihn als jemand darzustellen, der keine eigenständige Rolle in der Szene spielte, sondern nur von anderen – vor allem André Kapke und Ralf Wohlleben – „geschickt“ wurde und reine Jugendarbeit machte. Wie auch Schultze selbst, versuchte die Zeugin den Eindruck zu erwecken, sie selbst und auch Schultze hätten damals gar keine politische Meinung gehabt, sondern seien nur wegen persönlicher Probleme in die Szene geraten.

Ihre Aussage war offensichtlich genau so extrem gefärbt wie die Selbstdarstellung Schultzes: Sicher stimmt es, wie die Zeugin sagte, dass Wohlleben und Kapke die führende Rolle in der Nazi-Szene Jenas spielten. Dass deswegen alle anderen reine MitläuferInnen ohne eigene Meinung gewesen seien, mag vielleicht für sie selbst gelten, die im Alter von 12 oder 13 Jahren Weiterlesen

01.07.2014

OLG München: Beweisaufnahme hat die Vorwürfe gegen Ralf Wohlleben bestätigt

Die Hauptverhandlung begann heute erneut mit langwierigen Unterbrechungen und einem Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben gegen den gesamten Senat. Der Antrag war eine eher verzweifelte Reaktion auf einen Haftfortdauerbeschluss des Senats vom 25. Juni, der der Verteidigung am vergangenen Freitag zugestellt wurde. Die Verteidigung hatte die Aufhebung bzw. Aussetzung des Haftbefehls gegen Wohlleben beantragt. In seinem Beschluss stellt das Gericht nun ziemlich klar dar, dass sich nach vorläufiger Bewertung der bislang erfolgten Beweisaufnahme der Anklagevorwurf gegen Wohlleben – Beihilfe zu neun Fällen des Mordes – in vollem Umfang bestätigt hat. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot oder andere Umstände, die zur Aufhebung oder Aussetzung des Haftbefehls führen müssten, seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Das Gericht entschied auch, weiter zu verhandeln und nicht zu unterbrechen, bis über den Befangenheitsantrag entschieden ist. An der Entscheidung über den Befangenheitsantrag dürfen die abgelehnten Richter nicht beteiligt sein. Insoweit könnte sich der Antrag der Verteidigung Wohlleben in einen Bumerang verwandeln: Denn es steht zu erwarten, dass das Ergebnis eine weitere Entscheidung durch weitere Richter des Oberlandesgerichts sein wird, die den Beschluss des Senats jedenfalls moralisch stärkt. Ob Wohlleben auch das ihm mögliche Rechtsmittel einer Beschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen wird, ist bislang unklar. Immerhin birgt ein solcher Schritt die Gefahr, dass ein Senat des höchsten Strafgerichts die Bewertung des OLG bestätigt und damit endgültig festschreibt.

Der Beschluss zeigt nicht nur Wohlleben, dass die Aktivitäten seiner Verteidiger bislang keinerlei Wirkung beim Senat bewirkt haben, er macht auch deutlich, dass auch die immer wieder geäußerten Zweifel der Verteidigung Zschäpe an den gegen ihre Mandantin vorgebrachten Beweisen letztlich Schall und Rauch bleiben dürften. Der Senat geht mit leichter Hand über die von der Verteidigung Wohlleben vorgebrachten Zweifel hinweg, so dass leicht vorstellbar wird, dass auch die von ihrer Verteidigung vorgebrachten Zweifel an einer (Mit-)Täterschaft von Beate Zschäpe als wenig überzeugend verworfen werden.

Nach der Mittagspause wurde der eigentlich für den gesamten Tag eingeplante Zeuge Thomas Gerlach vernommen, eine der zentralen Figuren der Thüringer Naziszene und auch bundesweit und international bedeutsam, insbesondere wegen seiner Bedeutung im Netzwerk der Hammerskins.

Gerlach versuchte, sich nach dem hier im Prozess immer wiederkehrenden Motto „Leugnen und Verharmlosen“ herauszureden. Seit zwei Jahren sei er nicht mehr aktiv, habe aber seine Gesinnung nicht aufgegeben. Seit einer mehrjährigen Haftstrafe habe er erkannt, dass Gewalt kein Mittel im politischen Kampf sei, das habe auch die gesamte Kameradschafts- und NPD-Szene, insbesondere der Angeklagte Wohlleben, so vertreten. Mit Wohlleben und Kapke habe er seit Anfang 2000 viel zusammengearbeitet, beim Aufbau von überregionalen Netzwerken wie dem Freien Netz, bei verschiedenen Kampagnen und dem sog. „Fest der Völker“. Über dieses habe er viele internationale Kontakte aufgebaut, in der Schweiz, nach Portugal und in andere Länder. Es war deutlich spürbar, dass auch der Vorsitzende die verharmlosende Darstellung des Aufbaus bundesweiter Nazinetzwerke durchschaute.

Verräterisch war, wenn Thomas Gerlach – der übrigens mit dem Angeklagten Holger Gerlach nicht verwandt ist – von „Kameradschaften und Aktionsgruppen“ sprach, ein Begriff, der vor allem in Zusammenhang mit dem Aufbau eines „führerlosen“ militärischen Widerstandes benutzt wird, wie er von amerikanischen Nazis entwickelt und von „Blood and Honour“ und den Hammerskins verwendet wird.

Bei den Hammerskins wurde auch deutlich, dass der Zeuge Gerlach nicht nur Leugnen und Verharmlosen will: gefragt nach seiner Mitgliedschaft in dieser Organisation, wie sie von der Zeugin Mandy Struck beschrieben wurde, mit der er früher eine Beziehung hatte, teilte Gerlach mit, er werde solche Fragen nicht beantworten. Hierbei blieb er auch nach eindeutiger Belehrung durch den Vorsitzenden, dass hierfür Ordnungsgeld und Ordnungshaft verhängt werden könnten. Sein „an sich selbst gestelltes Wertegefühl“ würde ihm verbieten, zu den Hammerskins Angaben zu machen.

Der Vorsitzende Richter Götzl verzichtete an dieser Stelle darauf, Ordnungsmittel zu verhängen, und unterbrach die Vernehmung kurz nach 16 Uhr, weil noch Fragen zu anderen Themen, zu denen Gerlach bislang ausssagebereit war, offen sind. Der Zeuge „Ace“ Gerlach wird also erneut nach München reisen und dann ggf. beweisen müssen, ob er bereit ist, für sein „an sich selbst gestelltes Wertegefühl“ in Ordnungshaft zu gehen.

10.04.2014

Mit „Blood and Honour“ in den Untergrund II

Heute wurde die Befragung von Mandy Struck, einer frühen Unterstützerin aus Chemnitz, fortgesetzt (Über die bisherigen Aussagen Strucks haben wir in den posts vom 26.02.2014 und 27.02.2014 berichtet). Struck versuchte weiter, die Nazi-Ideologie und Gewaltbereitschaft der Szene kleinzureden und sich selbst als unbedeutend darzustellen. Durch beharrliche Nachfragen kamen aber doch zumindest einige Details ans Licht. Positiv fiel auf, dass der Vorsitzende die Zeugin mehrere Male anwies, den Fragen der Nebenklage nicht auszuweichen, und auch selbst kritische Nachfragen zu „Blood and Honour“-Strukturen stellte.

Am Ende der Befragung gab Rechtsanwalt Hoffmann eine Erklärung zur gesamten Aussage Strucks ab, die wir nachfolgend wiedergeben:

Die Zeugin Mandy Struck, deren Vernehmung heute fortgesetzt wurde, war fest in die Chemnitzer und die bundesweite Naziszene eingebunden. Sie war Teil des Chemnitzer „Blood & Honour“-Netzwerkes bzw. der Chemnitzer „88-er“. Wir wissen aus den Aussagen der Zeugen Starke und Rothe, dass diese beiden Gruppen praktisch identisch waren.

Struck hatte bundesweiten Einfluss über ihre Mitarbeit in der Hilfsorganisation Nationaler Gefangener und ihre Verbundenheit zur Nürnberger Fränkischen Aktionsfront. Sie konnte daher beispielsweise gemeinsam mit einem inhaftierten „Kameraden“ in der überregionalen Szene-Zeitschrift „Landser“ einen Aufruf zur Überwindung von Streitigkeiten in der Naziszene unter ihrem Namen veröffentlichen, sie initiierte den Aufbau einer Frauengruppe und Plakatieraktionen. Sie verharmloste in ihrer Zeugenvernehmung bewusst ihre Bedeutung, die Qualität ihrer Kontakte und ihre Einbindung in die verschiedenen Nazinetzwerke. So gab sie beispielsweise an, das Kennzeichen eines auf sie zugelassenen Autos – „-BH 88“ – habe für sie die Bedeutung „Bike-Halterin Honda Hornet“, obwohl offensichtlich ist, dass diese in der Naziszene ständig benutzten Zahlencodes für „Blood and Honour“ und „Heil Hitler“ stehen. Immerhin musste sie zugeben, dass sie zu ihrem Spitznamen „White Power Mandy“ gekommen war, weil sie immer eine „White Power-Anstecknadel“ an ihrer Jacke getragen hatte und damit ein Bekenntnis zum militanten rassistischen Kampf.

Die Zeugin Struck hat als Teil und im Auftrag der Chemnitzer Blood and Honour-Gruppe um Thomas Starke die Unterbringung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos kurze Zeit nach deren Untertauchen organisiert. Auch nach ihren eigenen Angaben gehörten alle bislang als Unterstützer am Abtauchen der „Drei“ beteiligten Personen dem Blood and Honour-Netzwerk an. Es handelte sich also um eine organisierte Unterstützung durch eine bestehende Struktur, nicht, wie die Bundesanwaltschaft in der Anklage behauptet, um individuelle Hilfeleistungen durch Einzelne.

08.04.2014

Erste Eindrücke zu André Eminger

Heute wurde eine Jugendfreundin des Angeklagten André Eminger vernommen. Sie hatte 1997 bis 1999 eine Beziehung zu Eminger, hatte sich dann aber von ihm getrennt, weil ihm seine rechten Ansichten und der dazugehörige Lebensstil zu extrem wurden und sie einengten. Die Zeugin selbst wuchs in einer Familie auf, in der der Stiefvater bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Ausländer schimpfte, judenfeindliche Sprüche absonderte und das Dritte Reich glorifizierte. Es fiel ihr vor diesem Hintergrund ersichtlich schwer, sich einzugestehen, wie ihr erster Freund (und in gewissem Maße auch sie selbst) politisch drauf war. Durch recht hartnäckige Fragen wurde aber dennoch deutlich, dass es sich bei ihm schon damals um einen Nachwuchs-Nationalsozialisten handelte – Nazi-Skinheadmusik und -outfit, Nazi-Publikationen, Nazi-Konzerte und -Demonstrationen, ausländerfeindliche Sprüche und Gerede über germanische Götter. Eine wichtige Rolle spielten damals schon Mandy Struck, die diesen Donnerstag weiter vernommen wird, und Max-Florian B.

Kurz vor Ende der Beziehung, so die Zeugin heute, habe er die rechte Szene auf einmal nicht mehr so gut gefunden – wenn es dieses Gespräch, von dem sie bei der Polizei nichts erzählt hatte, tatsächlich gegeben hat, dann hat diese Meinung Emingers jedenfalls nicht lange gehalten.

Die Zeugin hatte zusammen mit ihrem Freund Eminger einige Male „die Drei“ in der damals von ihnen genutzten Wohnung in Chemnitz zum Kaffeetrinken getroffen und kleinere Einkäufe mitgebracht. Um wen es sich handelte, wurde ihr nicht gesagt, nur, dass die Drei sich verstecken mussten. Hier wird erneut deutlich, wie viele Menschen in Chemnitz damals von der Anwesenheit der drei Jenaer wussten, wenn Unterstützer sogar ihre Freundinnen zum Kaffeeplausch mitbringen konnten. Offensichtlich war jedenfalls die gesamte Naziszene der Stadt eingeweiht – wie es Verfassungsschutz und LKA angesichts dessen geschafft haben, sie dennoch nicht zu finden, bleibt weiterhin ein Rätsel.

02.04.2014

Mit „Blood and Honour“ in den Untergrund I

Der heutige Zeuge Thomas Starke, der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach ihrem Untertauchen die Unterkünfte in Chemnitz und vorher schon Sprengstoff besorgt hatte, verweigerte wie erwartet die Aussage, da gegen ihn noch immer wegen Unterstützung des NSU ermittelt wird. Starke hatte aber insgesamt siebenmal Aussagen bei der Polizei gemacht, und so wurde der vorsorglich geladene Vernehmungsbeamte vernommen, diesmal zu den ersten beiden Vernehmungen.

Weil Starke seine Aussage im Laufe der Vernehmungen korrigiert und präzisiert hat, kann diese erst endgültig bewertet werden, wenn alle Vernehmungen eingeführt sind. Dies wird wohl noch mehrere Verhandlungstage dauern. Selbst die Vernehmung zu den ersten beiden Aussagen konnte heute nicht abgeschlossen werden, weil Beate Zschäpe ab 15:53 Uhr wegen Erschöpfung und Kopfschmerzen nicht mehr verhandlungsfähig war, wie der herangezogene Landgerichtsarzt bestätigte.

Bereits jetzt kann aber gesagt werden, dass Starkes Aussagen eine klare Einordnung des Unterstützernetzwerkes in Chemnitz und teilweise in Zwickau ermöglichen wird. Hier wurden „die Drei“ von einem Netzwerk aufgenommen, das größtenteils „Blood and Honour“ angehörte, einer internationalen Organisation, die ihre Botschaft vom „Rassenkrieg“ über den Vertrieb von Musik und die Veranstaltung von Konzerten verbreitet. Neben Starke waren auch der erste Wohnungsgeber Rothe und Mandy Struck, die die Unterbringung bei Max Florian B. mitorganisierte, „B&H“-Mitglieder. So bedurfte es nur einer Anfrage Starkes bei einem anderen Mitglied, damit dieser 1996/1997 unentgeltlich einen Schuhkarton voll TNT-Sprengstoff besorgte. Dass die Bombe, wegen der die Drei gesucht wurden und schließlich abtauchten, nur eine Attrappe war, lag Starke zu Folge auch nur daran, dass sie so schnell keinen Zünder besorgen konnten. Zu diesem Zeitpunkt, also schon deutlich vor dem Abtauchen der Drei, habe Mundlos auch nach Waffen gefragt.

Starke berichtete auch, 1996/1997 habe er eine kurze Liebesbeziehung zu Zschäpe gehabt. Er hätte diese gerne vertieft, wollte mit Zschäpe zusammenziehen. Diese jedoch habe nur die beiden Uwes und Politik im Kopf gehabt und keine Zeit für die Beziehung. Zschäpe habe gerne mit ihm diskutiert, Werbung für die NPD gemacht und die „Blood and Honour“-Szene dafür kritisiert, dass sie sich zu wenig an Demonstrationen und politischen Aktionen beteilige.

27.02.2014

Lügen und Verharmlosen IV 1/2: Mandy Struck mauert weiter – und bekommt Druck vom Gericht

Heute sagte die Zeugin Mandy Struck weiter aus. Struck beantwortete Fragen des Vorsitzenden zu ihrem Lebenslauf, zur Nazi-Szene in Chemnitz usw. Sie war weiterhin sichtlich bemüht, ihre eigene Rolle kleinzureden, behauptete, keine Ahnung von der Identität, Vorgeschichte usw. ihrer drei „Gäste“ gehabt zu haben, diese später nie wieder gesehen und auch 2011/2012 nicht als Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt wiedererkannt zu haben.

Struck war 2003 zunächst von der Kriminalpolizei und dann von einem Richter befragt worden, weil Ermittlungen ergeben hatten, dass Sie Kontakt zu „den Drei“ hatte. Heute behauptete sie hartnäckig, sie habe damals nicht gewusst, um wen es gegangen sei. Der Vorsitzende Richter Götzl warnte sie mehrfach und sehr eindringlich, dass ihre Angabe mehr als unglaubwürdig ist – immerhin werden in den Protokollen von damals die Namen der Drei genannt, sind Fotos der Drei enthalten, ist von falschen Papieren usw. die Rede. Struck blieb bei ihrer Behauptung.

Aus Sicht der Nebenklage ist es sehr zu begrüßen, dass der Vorsitzende die offensichtlichen Lügen und vorgeschobenen Erinnerungslücken der Zeugen aus der Nazi-Szene nicht weiter akzeptiert und kritisch nachfragt. Interessant ist, dass ausgerechnet die Zeugin Struck, die jede Aussage verweigern könnte und die vor Gericht ihren Rechtsanwalt dabei hatte, sich hier wahrscheinlich in ein Strafverfahren wegen Falschaussage hineinquatscht.

Nach langer Befragung durch den Vorsitzenden konnte die Nebenklage am Nachmittag mit der Befragung beginnen. Sie kam aber nicht weit, zum einen weil Struck auch hier blockierte, zum anderen weil die Generalbundesanwaltschaft und die Verteidigung mehrfach mit der Behauptung unterbrach, Fragen z.B. zur Stellung Strucks seien nicht zur Sache gehörig. Das ist zwar transparenter Unfug, reichte aber aus, die Befragung soweit zu verzögern, dass sie schließlich gegen 16.30 Uhr unterbrochen wurde. Struck wird ein anderes Mal weiter befragt werden.

 

26.02.2014

Lügen und Verharmlosen IV – Mandy Struck

Heute wurde zunächst der Waffensachverständige Nennstiel vom Bundeskriminalamt erneut gehört. Nennstiel hatte schon die in der Frühlingsstraße gefundenen Pistolen Ceska und Bruni als die Mordwaffen der NSU-Mordserie identifiziert. Heute berichtete er von seiner Arbeit zu den beiden Waffen, die für den Mord an Michèle Kiesewetter und den Mordversuch an Michael Arnold in Heilbronn verwendet wurden. Auch hier identifizierte der Sachverständige zwei Waffen, die in der Frühlingsstraße gefunden wurden, als die Tatwaffen.

Nennstiel wurde auch gebeten, noch einmal zur Identifikation der in der Frühlingsstraße gefundenen Pistolen Ceska und Bruni als die Tatwaffen der NSU-Mordserie zu berichten – vor einigen Wochen hatte ja der Sachverständige Pfoser in seinem mündlichen Vortrag für einige Verwirrung gesorgt, der angesichts des klaren schriftlichen Gutachtens vermeidbar erschien (s. den Bericht vom 04.02.2014). Nennstiel stellte noch einmal sehr anschaulich die Übereinstimmung in den Schussspuren dar, anhand derer er die beiden Waffen eindeutig als Tatwaffen identifizierte, und sorgte so für Klarheit in dieser Frage.

Mehrere NebenklägervertreterInnen stellten den Antrag, diverse Unterlagen zum Zeugen Tino Brandt, die dem NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags vorliegen, beizuziehen. Brandt war Führer des „Thüringer Heimatschutzes“ und V-Mann des Verfassungsschutzes, er wird in den nächsten Wochen als Zeuge in München aussagen. Weitere Beweisanträge bezogen sich auf Beweismittel, die die Einbeziehung Zschäpes in die Ausspähung möglicher Anschlagsziele und in die Erstellung des „Paulchen Panther“-Bekennervideos belegen.

Nachmittags begann die Zeugin Mandy Struck ihre Aussage. Gegen sie wird immer noch wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung NSU ermittelt, sie könnte also schweigen. Dennoch sagte Struck aus, sie will offensichtlich ihre Geschichte erzählen. Die Vernehmung erfolgte über drei Stunden und wird morgen fortgeführt. Bereits heute wurde deutlich, dass auch Mandy Struck ihre eigene Rolle systematisch herunterspielt, allenthalben Gedächtnislücken vorschiebt und dabei offensichtlich unglaubwürdige Geschichten erzählt.

Sie sei vor allem über ihren damaligen Freund ab 1994 in die nicht sehr politische Naziskinheadszene gekommen, habe sich vollständig angepasst. Später sei dann die gesamte Szene politisiert worden, auch weil beispielsweise nur die den Veranstaltungsort von Konzerten mitgeteilt bekommen hätten, die auch auf Demonstrationen gegangen seien. Auf rechte Demonstrationen sei sie allerdings erst seit 1999/2000 gegangen.

Eines Abends habe dann ein „Kamerad“ vor ihrer Tür gestanden und gefragt, ob drei „Kameraden“ bei ihr schlafen könnten, die „Scheiße gebaut“ hätten. Mehr müsse sie nicht wissen. Sie habe sie bei Max Florian B. untergebracht, habe das als „Kameradschaftshilfe“ begriffen. Allerdings gibt Struck an, sie habe nur einen der drei vom sehen her gekannt, die Namen habe sie nie genannt bekommen und sie habe auch nicht Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos als die drei wiedererkannt.

Aus „Kameradschaftshilfe“ beteiligte sie sich allerdings ohne Zögern an der Unterbringung, half mit, einen neuen Personalausweis mit falschem Bild zu beantragen und holte diesen beim Einwohnermeldeamt ab, und lieh Zschäpe ihre Krankenkassenkarte.

Obwohl nach ein paar Wochen zahlreiche Gerüchte durch die Chemnitzer Szene gegangen seien, dass Jenaer Nazis sich in Chemnitz verstecken, und obwohl sie die Frau sogar gebeten hätte, in ihrem Beziehungsstreit mit Burkhardt zu intervenieren, habe sie nie die Namen der drei „Gäste“ erfahren. Nach ein paar Wochen habe sie sich von B. getrennt und danach nie wieder von ihren drei Gästen gehört, bis die Polizei sie vernommen habe.

Struck bemüht sich offensichtlich, ihre eigene Rolle so unbedeutend wie möglich darzustellen. Dabei ist aus den Akten ersichtlich, dass sie eine durchaus wichtige Rolle in der Chemnitzer Szene spielte. Auch der Vorsitzende Richter Götzl machte deutlich, dass er ihr nicht alles glaubte. Man darf gespannt sein, wie die Zeugenvernehmung morgen weitergeht.

20.02.2014

Erster Zeuge heute war Max-Florian B. B. steht im Verdacht, den NSU dadurch unterstützt zu haben, dass er Mundlos seine Personalien für einen Reisepass und andere Papiere zur Verfügung stellte. Er durfte daher die Auskunft vor Gericht zu verweigern, was er auch tat. Er hatte allerdings bei der Polizei umfangreiche Angaben gemacht, und so wurden als weitere Zeugen die Polizeibeamten gehört, die ihn vernommen hatten.

Bei der ersten Vernehmung am 7.11.2011, drei Tage nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt, hatte er noch behauptet, Zschäpe und Mundlos seien Zufallsbekanntschaften gewesen, die eine Nacht in seiner Wohnung übernachtet hätten und ihm wohl die Dokumente gestohlen hätten.

Zwei Wochen bei einer Vernehmung durch das BKA gab er dann zu, die Drei als „Kameraden“ bei sich untergebracht zu haben. Er sei auch überredet worden, Uwe Mundlos seinen Ausweis zur Verfügung zu stellen. Er habe aber auch später regelmäßig mit Mundlos telefoniert, es habe auch bis 2009/2010 Besuche gegeben, und er habe – mehr unbewusst – weitere persönliche Daten weitergegeben.

B. beteuerte, von Straftaten der drei habe er keine Ahnung gehabt, er sei auch selbst später gar nicht mehr rechts gewesen. Es tue ihm sehr leid, dass er unbewusst die Verbrechen des NSU unterstützt habe, und er wolle bei der Aufklärung helfen. Tatsächlich traf sich B. auch mehrfach mit den Beamten und machte Angaben, allerdings oft erst auf konkrete Nachfrage. Ob dies der langen Zeit und der Verdrängung geschuldet ist oder ob B. in Wirklichkeit noch mehr wusste und weiß und daher aufklären konnte, ist bisher nicht geklärt. Die Vernehmung des Beamten, der die meisten Befragungen von B. durchgeführt hatte, wird in den nächsten Wochen fortgeführt.

Jedenfalls zeigt sich an der Person Max-Florian B. wie auch an seinen Berichten über Unterstützungshandlungen durch viele weitere Nazis aus Chemnitz erneut, wieviele verlässliche UnterstützerInnen der NSU hatte. Es ist weiter davon auszugehen, dass dies nicht nur für die erste Zeit des Untertauchens, sondern auch für die Zeit der Mordtaten der Fall war. B. hatte insbesondere zu André Eminger Aussagen gemacht und gesagt, dieser habe noch lange Kontakt zu den „Drei“ gehabt und ihm noch Ende 2010 eine SMS mit Nazi-Sprüchen geschickt.

Gegen Ende stellte die Nebenklage einen Antrag auf Beiziehung der Akte gegen Mandy Struck. Dieser wird ebenfalls Unterstützung des NSU vorgeworfen, sie wird nächste Woche als Zeugin aussagen.