Schlagwort-Archive: Thomas Starke

15.06.2016

„Was ist mit den Bums“ – und was mit der Erinnerung?

Einziger Zeuge heute war ein Ermittler des LKA Berlin, der über die Telefonüberwachung beim Chemnitzer Blood and Honour-Chef Jan Werner in den Jahren 1998-2001 im Ermittlungsverfahren gegen die Naziband Landser berichten sollte. Werner hatte u.a. am 25.08.1998 eine SMS mit der Frage „Was ist mit den Bums?“ an ein Handy des Brandenburger V-Manns Carsten Szczepanski geschickt. Dies ist natürlich zum einen ein Hinweis darauf, dass Werner eine Schusswaffe für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt besorgen sollte und deswegen mit Szczepanski in Kontakt stand, und damit natürlich auch auf eine Möglichkeit, die drei Untergetauchten festzunehmen – eine Möglichkeit, die dann vom Brandenburger Verfassungsschutz vereitelt wurde (vgl. den Bericht vom 15.03.2016 und die Presseerklärung vom 02.06.2016). Weiterlesen

31.07.2014

Noch einmal zu „Blood & Honour“ Chemnitz

Die Verhandlung begann heute später, weil zuerst noch der Beschluss des anderen Senats zu den Befangenheitsgesuchen abgewartet werden sollte. Dieser Senat verwarf – wenig überraschend – die Gesuche als unbegründet. Damit ist auch das vierte Befangenheitsgesuch der Verteidigung Zschäpe abgeschmettert worden.

Danach wurde zunächst der letzte Vernehmungsbeamte von Thomas Starke, „Blood & Honour“-Aktivist aus Chemnitz, vernommen. Insbesondere ging es um einen DNA-Treffer aus der Frühlingsstraße, der die Möglichkeit aufgeworfen hatte, dass Starke bzw. einer seiner Söhne in der Wohnung gewesen war – das stellte sich aber im Nachhinein als falsch heraus. Obwohl diese Vernehmung also für den Prozessausgang völlig irrelevant ist, stellten die Verteidigungen Zschäpe und Wohlleben über eine halbe Stunde sinnlose Nachfragen zum Vorgehen der Polizeibeamten.

Nachdem Starkes Aussagen bei der Polizei jetzt vollständig in das Verfahren eingeführt sind, gab die Nebenklage eine Erklärung zu den Angaben Starkes ab.

Letzter Zeuge diese Woche war ein BKA-Beamter, der die Nachbarin des NSU in der Zwickauer Frühlingsstraße befragt hatte – da sich der Gesundheitszustand der alten Dame nach dem Brand erheblich verschlechtert hat und sie nun nicht mehr vernehmungsfähig ist, werden jetzt die Beamten befragt, die mit ihr gesprochen haben. Nach dem bisherigen Stand der Beweisaufnahme spricht alles dafür, dass die Nachbarin durch den Brand und die Explosion, die Zschäpe ausgelöst hatte, erheblich gefährdet wurde – die Angaben des heutigen Zeugen fügten sich in dieses Bild ein.

03.07.2014

Keine Zweifel an Schuld des Ralf Wohlleben erkennbar

Der Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben wurde mit einem Beschluss abgelehnt, der die Klarheit des Haftfortdauerbeschlusses des Senats um den Vorsitzenden Götzl noch unterstreicht: Drei weitere Richter des OLG München stellten fest, es könne keine Befangenheit darstellen, wenn der Senat nach vorläufiger Prüfung des Ermittlungsergebnisses keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten habe und dies in einem Haftfortdauerbeschluss auch so darstelle. Und der Senat hatte eben keine Zweifel daran, dass Ralf Wohlleben bei seinen Bemühungen um die Lieferung der Ceska in dem Bewusstsein handelte, dass mit dieser Waffe Morde begangen werden sollten. Und wenn dies für Wohlleben galt, dann kann auch am Mordvorsatz von Beate Zschäpe kein Zweifel bestehen.

Als Zeugin war dann zunächst die Ehefrau des Angeklagten Wohlleben geladen. Sie verweigerte die Aussage.

Danach wurde ein weiterer Vernehmungsbeamter des Chemnitzer Blood and Honour-Aktivisten und V-Mannes Starke befragt. Eine zusammenfassende Bewertung dieser Aussage wird nach der Vernehmung des letzten Vernehmungsbeamten am 30. Juli erfolgen.

Zum Abschluss wurde ein Dortmunder Beamter des polizeilichen Staatsschutzes vernommen, der eine Tatzeugin befragt hatte. Diese hatte in ihren insgesamt etwas widersprüchlichen Angaben auch eindeutig auf „Rechtsradikale“ als mögliche Täter hingewiesen. Weil die Zeugin allerdings die Tatverdächtigen als „Nazis“ oder „Junkies“ beschrieben hatte, und auch der jetzt vernommene Polizeibeamte diese Aussage nicht hinterfragte, blieb der Hinweis unbeachtet. Der Polizeibeamte, dessen Einsatzgebiet ansonsten der „Bereich Türken/Kurden“ ist, konnte auch heute keinen beitrag zur Aufklärung leisten.

02.07.2014

„Kann ich mich nicht dran erinnern …“ – zweite Vernehmung von Enrico Theile

Fortgesetzt wurde heute die Vernehmung von Polizeibeamten, die den nunmehr die Aussage verweigernden Chemnitzer Blood and Honour-Aktivisten und V-Mann Thomas Starke befragt hatten. Der heute anwesende BKA Beamte schilderte vollständig die Befragung vom 11.4.2011. Erneut wurde deutlich, dass das Trio in erheblichem Umfang Unterstützung durch das „Blood and Honour“-Netzwerk erhielt und in der gesamten Zeit des Kontaktes zu Starke geschlossen auftrat.

Danach wurde die Vernehmung des Zeugen Enrico Theile fortgesetzt, der in den Verkauf der Ceska aus der Schweiz nach Thüringen eingebunden gewesen sein soll. Theile war und ist ein enger Freund des Schweizers Hans Peter Müller, der in der vergangenen Woche in der Schweiz vernommen wurde. Theile, der offensichtlich dem schwerkriminellen Milieu Thüringens entstammt und unter anderem zweimal wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt wurde, war bereits durch den Vorsitzenden befragt worden. Dieser hatte heute, genau wie die Bundesanwaltschaft, zunächst kaum Interesse an der Befragung. Theile beantwortete fast alle Fragen der Nebenklage mit den Worten „Kann mich nicht daran erinnern“, wollte ganz offensichtlich die Fragen einfach nicht beantworten. Der Vorsitzende Richter und die Bundesanwaltschaft tolerierten diese Form der Aussageverweigerung, bis die Befragung durch die Nebenklage beendet war.

Danach nutzten sie allerdings ihre Chance, dafür zu sorgen, dass gegen Theile ein Strafverfahren wegen Falschaussage eingeleitet wird. Mit einem Protokollantrag der Generalbundesanwaltschaft wurden die unglaubwürdigsten Antworten Theiles festgehalten. Aus Sicht der Nebenklage ist sehr wahrscheinlich, dass er hierfür verurteilt werden wird. Alles andere als eine Haftstrafe würde bei seinen Vorbelastungen überraschen.

03.04.2014

Die resignierte Mutter

Die Zeugenvernehmung der Mutter von Uwe Mundlos war beinahe das Gegenteil der Vernehmung des Vaters: abgeklärt, resigniert schilderte Ilona Mundlos, wie ihr Sohn Uwe ihr, während sie mit der Pflege seines behinderten Bruder völlig beschäftigt war, immer mehr entglitt. Die „Fliegerjacke“ hatte sie ihm noch gekauft, weil diese so modern und pflegeleicht war, das Nazi-Braunhemd hatte sie ihm verboten – aber er zog immer wieder mit seinen Nazifreunden los und sie hatte keinen Einfluss auf seine Entwicklung. Sie bekam mit, dass er einem im Gefängnis einsitzenden „Kameraden“ schrieb – vermutlich der spätere Chemnitzer Unterstützer und Polizeiinformant Thomas Starke, sie bekam mit, dass er nach der Störaktion in der Gedenkstätte Buchenwald Hausverbot bekam – aber all dies lief offensichtlich neben ihr ab, ihr Einfluss war allenfalls marginal.

Ihr Sohn sagte ihr, die Polizei habe eine Garage entdeckt, nach Aussage seines Rechtsanwalts würden ihm 7 Jahre Gefängnis drohen – und das, obwohl er mit den Waffen nichts zu tun habe, von ihm sei nur „Schreibzeugs“ dort gewesen. Er müsse zehn Jahre wegbleiben, dann käme er wieder. Damit verabschiedete sich Uwe Mundlos von seiner Mutter, die ihn nie wieder sah.

Andre Kapke sei bei diesem letzten Besuch dabei gewesen. Mit Juliane Walther habe sie in diesem Zusammenhang zweimal gesprochen: Diese Treffen hat Juliane Walther bislang bestritten, sie wird dies in der Fortsetzung ihrer Vernehmung erklären müssen.

02.04.2014

Mit „Blood and Honour“ in den Untergrund I

Der heutige Zeuge Thomas Starke, der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach ihrem Untertauchen die Unterkünfte in Chemnitz und vorher schon Sprengstoff besorgt hatte, verweigerte wie erwartet die Aussage, da gegen ihn noch immer wegen Unterstützung des NSU ermittelt wird. Starke hatte aber insgesamt siebenmal Aussagen bei der Polizei gemacht, und so wurde der vorsorglich geladene Vernehmungsbeamte vernommen, diesmal zu den ersten beiden Vernehmungen.

Weil Starke seine Aussage im Laufe der Vernehmungen korrigiert und präzisiert hat, kann diese erst endgültig bewertet werden, wenn alle Vernehmungen eingeführt sind. Dies wird wohl noch mehrere Verhandlungstage dauern. Selbst die Vernehmung zu den ersten beiden Aussagen konnte heute nicht abgeschlossen werden, weil Beate Zschäpe ab 15:53 Uhr wegen Erschöpfung und Kopfschmerzen nicht mehr verhandlungsfähig war, wie der herangezogene Landgerichtsarzt bestätigte.

Bereits jetzt kann aber gesagt werden, dass Starkes Aussagen eine klare Einordnung des Unterstützernetzwerkes in Chemnitz und teilweise in Zwickau ermöglichen wird. Hier wurden „die Drei“ von einem Netzwerk aufgenommen, das größtenteils „Blood and Honour“ angehörte, einer internationalen Organisation, die ihre Botschaft vom „Rassenkrieg“ über den Vertrieb von Musik und die Veranstaltung von Konzerten verbreitet. Neben Starke waren auch der erste Wohnungsgeber Rothe und Mandy Struck, die die Unterbringung bei Max Florian B. mitorganisierte, „B&H“-Mitglieder. So bedurfte es nur einer Anfrage Starkes bei einem anderen Mitglied, damit dieser 1996/1997 unentgeltlich einen Schuhkarton voll TNT-Sprengstoff besorgte. Dass die Bombe, wegen der die Drei gesucht wurden und schließlich abtauchten, nur eine Attrappe war, lag Starke zu Folge auch nur daran, dass sie so schnell keinen Zünder besorgen konnten. Zu diesem Zeitpunkt, also schon deutlich vor dem Abtauchen der Drei, habe Mundlos auch nach Waffen gefragt.

Starke berichtete auch, 1996/1997 habe er eine kurze Liebesbeziehung zu Zschäpe gehabt. Er hätte diese gerne vertieft, wollte mit Zschäpe zusammenziehen. Diese jedoch habe nur die beiden Uwes und Politik im Kopf gehabt und keine Zeit für die Beziehung. Zschäpe habe gerne mit ihm diskutiert, Werbung für die NPD gemacht und die „Blood and Honour“-Szene dafür kritisiert, dass sie sich zu wenig an Demonstrationen und politischen Aktionen beteilige.

01.04.2014

Das Netzwerk in Chemnitz

Zunächst wurde erneut einer derjenigen Verfassungsschutzmitarbeiter vernommen, die den V-Mann Tino Brandt betreut hatten. Er habe anfangs geglaubt, Brandt wolle sie hinters Licht führen, mit der Zeit sei aber eine alltägliche, gute Zusammenarbeit entstanden. Er habe Brandt „abschalten“ müssen, da der Leiter des Landesamtes, Roewer, geglaubt habe, dass der eigentliche V-Mann-Führer Brandts, Wießner, ihn hinters Licht führen wolle. Auch dieser Zeuge wird nach der Vernehmung des Tino Brandt nochmals nach München kommen müssen.

Danach folgte die Vernehmung von Thomas Rothe, der, soweit bislang bekannt, die erste Unterkunft in Chemnitz für das Trio nach dessen Untertauchen gestellt hatte. Zunächst versuchte er mit Angaben wie „Die standen bei mir vor der Tür, dann haben sie bei mir geschlafen“ genauere Nachfragen abzublocken. Durch geduldiges Nachfragen kam heraus, dass Rothe in die Nazimusikszene in Chemnitz eingebunden war, häufiger Mitglieder von internationalen Nazibands bei sich übernachten ließ. Weiter gab er an, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe einige Zeit bei ihm wohnten, vor allem aber, dass er sie auch nach ihrem Auszug und bis 2001 regelmäßig traf, sowohl in Chemnitz als auch in Zwickau.

Der Kontakt zu den Dreien sei durch Thomas Starke hergestellt worden, der sei mit den Dreien zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, sie bei sich aufzunehmen. Starke habe ihn auch angerufen, auf einen Bericht im Fernsehen mit einem Fahndungsaufruf hingewiesen und diesen mit den Worten „du weißt schon, wen du da hast“ kommentiert. Rothe selbst gab zu, bei „Blood and Honour“ gewesen zu sein – der Naziorganisation, der zumindest auch Thomas Starke angehörte, und aus der ein wesentlicher Teil der Unterstützer jedenfalls in Sachsen kamen. Thomas Starke wird am Mittwoch vernommen.

Interessant war, dass der Vorsitzende intensiv nach „Blood and Honour“ nachfragte, obwohl die Anklageschrift die Organisation nur am Rand erwähnt. Fragen nach weiteren „B&H“-Mitgliedern blockte der Zeuge aber schließlich ab – unter Verweis auf ein Verfahren gegen ihn wegen seiner „B&H“-Aktivitäten, das 2010 wegen „geringer Schuld“ eingestellt worden war. Erst nachdem der Vorsitzende ihm mit Ordnungsgeld und Ordnungshaft bedroht hatte, verwies Rothe auf ein mögliches Schweigerecht wegen dieses Verfahrens. Der Vorsitzende unterbrach die Vernehmung, um zu prüfen, ob sich ein solches Schweigerecht ergibt. Dafür wird jetzt die Ermittlungsakte beigezogen. Der Zeuge wird sich bei seiner nächsten Vernehmung einem erheblichen Druck seitens des Gerichts ausgesetzt sehen.

27.11.2013

Familie Zschäpe: Mutter schweigt, Cousin verschweigt

Mit dem Cousin und der Mutter Beate Zschäpes sollten heute Familienmitglieder einen Einblick in die Persönlichkeit und Entwicklung der Hauptangeklagten geben. Die Mutter berief sich allerdings auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige und verließ nach drei Minuten den Saal.

Anders der Cousin Zschäpes, Stefan A., der sich als spaßorientiertes Mitglied der Skinhead-Fraktion der Jenaer Naziszene beschreibt, der mit Politik kaum etwas zu tun hatte. „Die Musik stachelt einen halt auf, sagt das, was viele gedacht haben. Gegen den Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen Kommunismus“, beschreibt er die Stimmung in Jena Mitte der 1990er-Jahre. Beate Zschäpe sei auch dabei gewesen in der rechten Szene. Sie sei selbstbewusst gewesen. Ihr erster langjähriger Freund habe sich zwar auch „so“ gekleidet, sei aber nicht so anerkannt worden. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, mit denen Beate dann rumgezogen sei, seien an Nazimusik und Politik interessiert gewesen.

Er selbst bestreitet allerdings, eine Rolle in der Jenaer Naziszene gehabt zu haben. Auf Vorhalt des sogenannten Schäferberichts und von Berichten des LKA Thüringen, in denen er als eines der acht aktiven Mitglieder der „Kameradschaft Jena“ bezeichnet wird, spielt er seine Rolle herunter. Fast alle weiteren genaueren Nachfragen beantwortet er nun mit Gedächtnisproblemen – kaum Erinnerungen an gemeinsame Konzerte, an Reisen nach Nürnberg, Gespräche. Immerhin beschreibt er, dass Uwe Mundlos für die Jenaer „Kameraden“ den Briefkontakt zu dem inhaftierten Chemnitzer Nazi und späteren V-Mann Thomas Starke hielt und diesem auch vom Zeugen Grüße ausrichtete. Daran, dass es sich bei diesem Starke und einem weiteren Bekannten vermutlich um führende Kader von „Blood and Honour“ Chemnitz handelte, wollte er sich dann wieder nicht erinnern können. Der Zeuge folgt der offensichtlich für die Zeugen aus der Naziszene ausgegebenen Losung „alles vergessen!“ So muss er zwar nach Vorlage verschiedener Bilder zugeben, dass er an Ku Klux Klan-artigen Kreuzverbrennungen teilgenommen hat und sich mit dem sogenannten „Kühnengruß“, einem leicht abgewandelten Hitlergruß, hat fotografieren lassen – er behauptet aber, er habe nie gewusst, was dieser Gruß bedeutet.

Das Gericht lässt ihn gewähren, denn die für die Bestätigung der Anklage wichtigen Angaben hat er bereits gemacht: Beate Zschäpe war selbstbewusst, sie hatte ihre Männer im Griff und ließ sich nicht unterbuttern. Sie war gleichberechtigtes Mitglied der Naziszene um sie, Mundlos, Böhnhardt, Kapke, Gerlach und Wohlleben.

Seine Vernehmung wird morgen fortgesetzt. Die für morgen angesetzten Zeugen wurden abgeladen mit Ausnahme einer früheren Freundin des Angeklagten Eminger.