15.06.2016

„Was ist mit den Bums“ – und was mit der Erinnerung?

Einziger Zeuge heute war ein Ermittler des LKA Berlin, der über die Telefonüberwachung beim Chemnitzer Blood and Honour-Chef Jan Werner in den Jahren 1998-2001 im Ermittlungsverfahren gegen die Naziband Landser berichten sollte. Werner hatte u.a. am 25.08.1998 eine SMS mit der Frage „Was ist mit den Bums?“ an ein Handy des Brandenburger V-Manns Carsten Szczepanski geschickt. Dies ist natürlich zum einen ein Hinweis darauf, dass Werner eine Schusswaffe für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt besorgen sollte und deswegen mit Szczepanski in Kontakt stand, und damit natürlich auch auf eine Möglichkeit, die drei Untergetauchten festzunehmen – eine Möglichkeit, die dann vom Brandenburger Verfassungsschutz vereitelt wurde (vgl. den Bericht vom 15.03.2016 und die Presseerklärung vom 02.06.2016).

Der Zeuge gab allerdings an, er habe zum gesamten Thema Waffen gar keine Erinnerungen mehr, ebenso wenig zu Blood and Honour-Mitgliedschaften beteiligter Personen, zu seinen Vernehmungen in Untersuchungsausschüssen oder zu irgendeinem anderen Thema, das relevant sein könnte – zur Erklärung gab er an, er sei während des Verfahrens anlässlich einer Beförderung „in den Bereich Bekämpfung des Linksextremismus gewechselt“. Machte er am Anfang noch den Eindruck, seine Erinnerungslücken könnten tatsächlich bestehen und schlicht auf Desinteresse beruhen, so änderte sich dieser Eindruck bei der Befragung durch die Nebenklage: als ihm aus den Befragungen in Untersuchungsausschüssen vorgehalten wurde, dass er an der Anwerbung des Blood and Monour-Aktivisten Thomas Starke als Informant für das LKA Berlin beteiligt gewesen sein soll, wurde der Zeuge regelrecht dreist in der Abwehr sämtlicher Fragen. In der Sache ergab seine Aussage damit für das Münchener Verfahren gar nichts.

Wohlleben-Verteidiger Klemke führte seine Verteidigung der Neonazi-Szene allgemein fort – er lehnte im Namen seines Mandanten den Sachverständigen Leygraf ab, weil dieser Carsten Schultze zu den „ausgeprägten ausländerfeindlichen Parolen“ in der Szene befragt hatte. Klemke betätigt sich damit weiter im Sinne der albernen These der Verteidigung, Wohlleben und der THS seien ja gar keine „Ausländerfeinde“ gewesen – Wohlleben selbst hatte sich ja schon auf „ethnopluralistische“ Videos und Texte von seinem Rechner bezogen (vgl. den Bericht vom 28.04.2016).

Schließlich verlas das Gericht noch mehrere Beschlüsse, mit denen die Gegenvorstellungen der Nebenklage vom 02.06.2016 zurückgewiesen wurden. Das Gericht zementiert damit seine Entscheidung, schlichtweg jede weitere Aufklärung zu staatlicher Mitverantwortung und zu weiteren möglichen Unterstützern des NSU zu verweigern.