Schlagwort-Archive: Carsten Szczepanski

31.01.2017

Verlesung von Dokumenten und erneute Verweigerung weiterer Aufklärung

Das Gericht verlas mehrere Dokumente aus den Akten. Darunter war etwa ein Vermerk eines Polizisten, der Beate Zschäpe im Sommer 1997 auf dem Weg zu einer Tagung in Hetendorf auf dem Gelände des Neonazis und Rechtsanwalts Jürgen Rieger festgestellt hatte.

Des Weiteren war nach dem Antrag aus der Nebenklage zum möglichen Ausspähen der Synagoge in Berlin (vgl. den Bericht vom 26.10.2016) eine Liste jüdischer Einrichtungen in der vom NSU zusammengestellten Adresssammlung erstellt worden. Auch diese Liste, die über 200 Adressen umfasste, wurde heute verlesen. Sie stellt, zumal angesichts des bekannten Antisemitismus der NSU-Mitglieder, einen weiteren Hinweis darauf dar, dass diese Anschläge auf jüdische Einrichtungen grundsätzlich geplant hatten, auch wenn solche Pläne dann, soweit bekannt, nicht umgesetzt wurden. Weiterlesen

16.06.2016

Der Zeuge „Görlitz“ präsentiert mal wieder gute Gründe, den Verfassungsschutz abzuschaffen.

Heute war erneut der Zeuge „Reinhardt Görlitz“ geladen, der bereits mehrfach vor Gericht gezeigt hatte, dass der Verfassungsschutz um jeden Preis die Aufdeckung seiner Rolle im Kontext des NSU verhindern will und dass ihm dafür kein Mittel der Antwortverweigerung zu peinlich oder dreist ist (vgl. die Berichte vom 01.07.2015, 29.07.2015 und 02.03.2016).

Auch heute gab der Zeuge vor, sich an gar nichts zu erinnern. Insbesondere behauptete er, gar nichts über Besprechungen zwischen den Verfassungsschutzbehörden von Brandenburg, Thüringen und Sachsen mitbekommen zu haben, was mit den Informationen des V-Mannes Szczepanski über die untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt getan werden sollte. Wie so viele seiner Angaben zuvor, ist ihm auch diese Erinnerungslücke nur sehr schwer zu glauben: zum einen handelte es sich hier natürlich um eine äußerst brisante Information – wären die Informationen weitergegeben worden, hätten die NSU-Mitglieder festgenommen werden können und es wäre nie zur Ceska-Mordserie und den weiteren Taten gekommen. Vor allem aber war Görlitz der V-Mannführer Szczepanskis und musste daher schon aus Quellenschutz-Gründen informiert werden, da eine Weitergabe der Informationen Auswirkungen auf Szczepanski hätte haben können.

15.06.2016

„Was ist mit den Bums“ – und was mit der Erinnerung?

Einziger Zeuge heute war ein Ermittler des LKA Berlin, der über die Telefonüberwachung beim Chemnitzer Blood and Honour-Chef Jan Werner in den Jahren 1998-2001 im Ermittlungsverfahren gegen die Naziband Landser berichten sollte. Werner hatte u.a. am 25.08.1998 eine SMS mit der Frage „Was ist mit den Bums?“ an ein Handy des Brandenburger V-Manns Carsten Szczepanski geschickt. Dies ist natürlich zum einen ein Hinweis darauf, dass Werner eine Schusswaffe für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt besorgen sollte und deswegen mit Szczepanski in Kontakt stand, und damit natürlich auch auf eine Möglichkeit, die drei Untergetauchten festzunehmen – eine Möglichkeit, die dann vom Brandenburger Verfassungsschutz vereitelt wurde (vgl. den Bericht vom 15.03.2016 und die Presseerklärung vom 02.06.2016). Weiterlesen

01.07.2015

Ein weiterer V-Mann-Führer von Carsten Szczepanski sagt aus – ein weiteres Lehrstück dafür, dass der Verfassungsschutz und sein V-Mann-System ersatzlos abgeschafft gehören

Heute berichtete zunächst ein BKA-Ermittler kurz zu einer CD, die in der NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße gefunden wurde. Darauf sind Fotos von einem Urlaub des Trios in der Holsteinischen Schweiz im Jahr 2004 zu sehen. Eines der Fotos wurde später verwendet für die „Wette“ zwischen Böhnhardt und Zschäpe, in der Zschäpe den Wetteinsatz „200x Videoclips schneiden“ angeboten hatte (vgl. dazu den Bericht vom 16.06.2015) – die heutige Aussage bestätigt also die zeitliche Einordnung der Wette in den Bereich Ende 2005.

Am Nachmittag sagte Reiner Görlitz aus, der ehemalige V-Mann-Führer des Brandenburger Nazikaders und Informanten Carsten Szczepanski (vgl. zu dessen Aussagen die Berichte vom 03.12.2014 und 13.01.2015). Er erschien vor Gericht im Kapuzenpullover mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze, und – so der Eindruck mancher ZuhörerInnen – mit technisch veränderter Stimme. Weiterlesen

22.04.2015

Kaum Erinnerung, keine Verantwortung – Karriere beim Verfassungsschutz

Mit Spannung wurde die Vernehmung des heutigen Präsidenten des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Gordian Meyer-Plath erwartet. Er hatte den V-Mann Carsten Szczepanski in den Jahren 1996 bis 1998 betreut. Szczepanski hatte noch in der zweiten Jahreshälfte 1998 gemeldet, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos hätten Kontakt zu Blood & Honour Chemnitz bzw. Sachsen, hätten von dem Netzwerk Geld erhalten, und die Mitglieder Antje Probst und Jan Werner hätten ihnen Unterstützung durch die Beschaffung falscher Papiere bzw. von Waffen angeboten (zu den Vernehmungen des V-Mannes siehe die Berichte vom 03.12.2014 und 13.01.2015). Szczepanski meldete weiter, die drei hätten bereits einen Überfall durchgeführt und planten weitere.

Der Zeuge Meyer-Plath behauptete, er habe an die konkreten Zusammenhänge praktisch keine Erinnerung, er habe nur Erinnerungen aus den Akten, die er zur Vorbereitung seiner Vernehmungen beim Parlamentarischen Untersuchungsausschuss und der Hauptverhandlung in München studiert habe. Damals habe er für den Brandenburger Verfassungsschutz gearbeitet, zunächst in der Auswertungsabteilung und später in der „Beschaffung“, dabei sei er quasi zweiter V-Mann-Führer Szczepanskis gewesen. Die Meldungen Szczepanskis erinnerte er, ohne spezifische Einzelheiten wiedergeben zu können. Er berichtete auch, dass es daraufhin ein Weiterlesen

13.01.2015

Weitere Vernehmung des Ex-V-Mannes Carsten Szczepanski.
Und: Die Front bröckelt – Beweisanträge der Verteidigung Wohlleben

Heute wurde zunächst die Befragung des Bombenermittlers beendet, der die Auswirkungen der Nagelbombe in der Kölner Keupstraße untersucht hatte.
Danach wurde die Vernehmung des ehemaligen V-Mannes Carsten Szczepanski fortgesetzt (zum Beginn seiner Vernehmung vgl. den Bericht vom 03.12.2014).

Die Befragung war wie zu erwarten zäh und schleppend, seine Erinnerung (oder sein Wille zur Erinnerung) an ehemalige Kameraden, Namen und Daten schlecht. Immerhin berichtete er relativ offen zur ideologischen Ausrichtung und Gewaltbereitschaft der Szene. Die Nebenklage fasste die Ergebnisse der Befragung des Zeugen in einer mündlichen Erklärung zusammen, die wir hier sinngemäß zusammenfassen. Deutlich wurde nicht nur die offene Werbung für rassistische Gewalttaten und den bewaffneten Kampf, die die gesamte Naziszene der 90er Jahre maßgeblich bestimmte. Vor allem lässt einen die Tatsache erschrecken, dass der Zeuge während seiner V-Mann-Tätigkeit genau diese politische Tätigkeit fortsetzte, ein extrem Weiterlesen

03.12.2014

Erster Teil der Vernehmung von V-Mann Carsten Szczepanski

Heute war als Zeuge Carsten Szczepanski geladen, ehemaliger Kader aus der Naziskinhead- und -musikszene und Informant des Verfassungsschutzes Brandenburg. Szczepanski befindet sich seit seiner Enttarnung als V-Mann im Jahr 2000 im Zeugenschutzprogramm, er erschien vor Gericht mit Perücke und mit einer Rechtsanwältin als Zeugenbeistand.

Er behauptete, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nicht persönlich gekannt zu haben, Kontakte habe er aber zu „Blood & Honour“ Sachsen gehabt, v.a. zu den Eheleuten Probst. Im Gegensatz zu den „B&H“-Zeugen, die ihre Organisation als reine Konzertveranstalter von „Musikfreunden“ darzustellen versuchten, beschrieb Szczepanski „B&H“ zutreffend als „absolute Hardliner – da haben sich Menschen getroffen, die nationalsozialistisch, neonationalsozialistisch drauf waren und die daraus auch keinen Hehl gemacht haben.“

Befragt zu Waffenkäufen, sagte er aus, alle in der Szene hätten damals über Waffen geredet und wollten gerne Waffen haben – konkrete Erkenntnisse wollte er aber nicht haben. Er selbst sei auch nie konkret angesprochen worden – dabei wurde er wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt, zuletzt wegen Waffengeschäften mit weiteren Personen aus dem Umfeld von „B&H“ Sachsen.

Problematisch war, dass der Zeuge keine Erinnerung hatte bzw. haben wollte an jegliche Details zu seinen Berichten über „B&H“ Sachsen, Jan Werner und Antje Probst. Er gab aber an, dem LfV Brandenburg regelmäßig über seine Erkenntnisse berichtet zu haben, er gehe davon aus, dass diese Berichte zutreffend sind.

Die Befragung wurde am Nachmittag nach der Befragung durch den Vorsitzenden und die Verteidigung unterbrochen. Szczepanski muss also noch einmal anreisen und es gibt dann die Gelegenheit, nach der weiteren Vernehmung von Antje Probst und ihrem Ex-Ehemann die sich widersprechenden Angaben gegeneinander zu stellen.

Die Verteidigung Wohlleben stellte im Anschluss noch einen Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung des Haftbefehls gegen ihren Mandanten. Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft sei nicht mehr zulässig, da einerseits kein dringender Tatverdacht mehr vorliege und andererseits die U-Haft nicht mehr verhältnismäßig sei. Nachvollziehbare Zweifel am dringenden Tatverdacht – den der Senat ja zuletzt mit Beschluss vom 01.07.2017 ausdrücklich bejaht hat – wurden allerdings nicht vorgetragen, insbesondere die Behauptung, die Lieferkette der Ceska sei nicht lückenlos bewiesen, ist falsch. Es ist bekannt, dass die Mordwaffe, die bei den NSU-Mördern gefunden wurde, an den Waffenhändler in der Schweiz geliefert wurde. Es ist ein Lieferweg von der Schweiz nach Thüringen plausibel und nachvollziehbar ermittelt. Und zuletzt hat der Angeklagte Schultze glaubhaft dargestellt, dass er eine Waffe mit Schalldämpfer übernommen und an Wohlleben übergeben hat. Auf dieser Grundlage wurde bislang der dringende Tatverdacht angenommen und es sind auch weiter keine Zweifel hieran ersichtlich.

Die U-Haft, so Wohllebens Verteidigung weiter, sei nicht mehr verhältnismäßig, weil der Senat zu viel Zeit für „überflüssige“ Anträge der Nebenklage verschwende. Da die zuletzt durchgeführte Beweisaufnahme u.a. darauf zielt, festzustellen, ob sich die Szene, in der sich die schweigenden Angeklagten damals aufhielten, offen für Morde und Anschläge gegen MigrantInnen aussprach, ist sie nicht zuletzt auch für die Feststellung des Mordvorsatzes von Wohlleben notwendig, eine Prozessverzögerung stellt sie sicher nicht dar. Die Verteidigung will mit dem Haftantrag anscheinend eine weitere Aufklärung verhindern.

20.11.2014

Lügen und Verharmlosen IX – Musikfreunde in Sachsen

Der Tag begann mit einer Darstellung der „Waffenvorlage“ im Februar 2012, bei der der Angeklagte Schultze anhand vorgelegter Waffen mit und ohne Schalldämpfer die Tatwaffe Ceska 83 vom Typ her „identifizieren“ sollte. Das fragwürdige Unternehmen, bei der Waffen aus der „Sammlung“ des BKA vorgelegt wurden, lieferte erwartungsgemäß keinen Beweiswert.

Danach wurde die Zeugin Antje Probst vernommen, die nach Aussagen des V-Mannes Carsten Szczepanski an der Unterstützung der untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mitgewirkt hat. Sie soll Zschäpe einen Reisepass zum Verlassen des Landes angeboten haben.

Die Vernehmung der Zeugin wurde nach stundenlanger Befragung durch den Vorsitzenden unterbrochen und wird am 10.12.2014 fortgesetzt. Probst verharmloste ihre Aktivitäten bis zur Grenze des Erträglichen und darüber hinaus. Bezeichnend war eine Situation, in der sie abstritt, den Angeklagten Eminger und seinen Bruder zu kennen – auf Vorhalt des Vorsitzenden, bei der Polizei habe sie zugegeben, die beiden zu kennen, entgegnete die Zeugin: „Oh Scheiße! Jetzt steht natürlich meine Glaubwürdigkeit total in Frage.“

Weiter versuchte Probst dem Gericht vorzugaukeln, „Blood & Honour“ sei für sie keine politische Betätigung gewesen: „Wir saßen in einer Kneipe und waren der Meinung, es wäre schön, ein paar musikalische Veranstaltungen zu haben…“ Andere aus der Gruppe hätten vielleicht politische Ziele gehabt: „Vielleicht eine weiße Welt, Menschen mit weißer Hautfarbe, könnte ich mir vorstellen, dass es vielleicht bei manchen eine Rolle gespielt hat.“ Gemeinsam habe man damals ein bis zwei Konzerte im Monat durchgeführt, mit 40 bis 400 Besuchern.

Sie beteuerte, die drei Untergetauchten nie wahrgenommen oder getroffen zu haben – und das obwohl ihr ein Foto vorgelegt wurde, auf dem sie bei einer Party oder Konzert neben Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zu sehen ist. Sie will auch nicht mitbekommen haben, dass die Drei in Chemnitz untergekommen waren, ebenso wenig von Waffen, von einer Unterstützung der Drei oder von Spendensammlungen.

Spannend war die Angabe, irgendwann im Jahr 1997 oder 1998 habe Carsten Szczepanski mitgeteilt, aus den Einnahmen von Konzerten fehlten 20.000 DM. Sie habe damals vermutet, dass er selbst das Geld privat verwandt habe. Allerdings habe ihr enger Freund Jan Werner (ebenfalls „B&H“) gesagt, „Du spinnst wohl, niemand hat das Geld geklaut“, und mit den Worten „Halt die Fresse“ eine weitere Diskussion verhindert haben. Die gewaltverherrlichenden Konzerte spielten also offensichtlich viel Geld in die Kassen der Organisation – dies könnte der Grundstock der Unterstützung des späteren NSU gewesen sein.

Vor der weiteren Vernehmung von Probst werden zunächst ihr damals ebenfalls in der Nazimusikszene aktiver Ex-Ehemann und der V-Mann Carsten Szczepanski vernommen werden – dies wird zu einer konfrontativen Befragung führen.