13.01.2015

Weitere Vernehmung des Ex-V-Mannes Carsten Szczepanski.
Und: Die Front bröckelt – Beweisanträge der Verteidigung Wohlleben

Heute wurde zunächst die Befragung des Bombenermittlers beendet, der die Auswirkungen der Nagelbombe in der Kölner Keupstraße untersucht hatte.
Danach wurde die Vernehmung des ehemaligen V-Mannes Carsten Szczepanski fortgesetzt (zum Beginn seiner Vernehmung vgl. den Bericht vom 03.12.2014).

Die Befragung war wie zu erwarten zäh und schleppend, seine Erinnerung (oder sein Wille zur Erinnerung) an ehemalige Kameraden, Namen und Daten schlecht. Immerhin berichtete er relativ offen zur ideologischen Ausrichtung und Gewaltbereitschaft der Szene. Die Nebenklage fasste die Ergebnisse der Befragung des Zeugen in einer mündlichen Erklärung zusammen, die wir hier sinngemäß zusammenfassen. Deutlich wurde nicht nur die offene Werbung für rassistische Gewalttaten und den bewaffneten Kampf, die die gesamte Naziszene der 90er Jahre maßgeblich bestimmte. Vor allem lässt einen die Tatsache erschrecken, dass der Zeuge während seiner V-Mann-Tätigkeit genau diese politische Tätigkeit fortsetzte, ein extrem gewaltverherrlichendes Fanzine selbst während seiner Inhaftierung herausgab und die Hefte vor dem Versand seinem V-Mann-Führer vorlegte, ohne dass hier Widerspruch erfolgte. Die Tatsache, dass die Meldungen des Zeugen, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hielten sich in Chemnitz auf, die dortige Blood and Honour-Sektion unterstütze sie, nicht ganz einfach zur Festnahme der drei führte, zeigt, dass dieser Verfassungsschutz kein Interesse an der Bekämpfung der Naziszene und an der Festnahme hatte.

Szczepanski war ursprünglich auch für morgen geladen; nachdem es damit für morgen kein Beweisprogramm mehr gab, setzte der Vorsitzende Richter Götzl den Verhandlungstag morgen kurzerhand ab.

Zum Schluss des Hauptverhandlungstages stellte die Verteidigung Wohlleben eine ganze Reihe von Beweisanträgen. Deren Tenor: nicht Ralf Wohlleben war die Zentralfigur unter den UnterstützerInnen der drei Untergetauchten und des NSU, sondern die „Blood & Honour“-Sektion Sachsen, und diese war es auch, die die Radikalisierung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos herbeiführte, die in den Mordtaten des NSU mündete, und die dem NSU auch die hierfür verwendeten Waffen besorgte. Zum Beweis dieser Tatsache sollen u.a. alle bedeutenden Personen von „B&H“ Sachsen sowie die damaligen Führer von „B&H“ Thüringen und Deutschland als Zeugen geladen werden.

Diese Anträge bedeuten – das war an den Mienen von Verteidigern Heer und Stahl deutlich zu erkennen – eine ganz deutliche Distanzierung von der Verteidigung Zschäpe.
Interessanterweise kommen die Zeugen, deren Vernehmung heute durch die Wohlleben-Verteidigung beantragt wurde, aus genau der Szene, mit der sich das Gericht auf Anträge der Nebenklage hin in den letzten Wochen näher beschäftigt hatte – was bekanntlich nicht nur von den Generalbundesanwaltschaft und der Verteidigung Zschäpe, sondern gerade auch von Wohllebens Verteidigung kritisiert wurde. Die Nebenklage, der in den vergangenen Wochen immer wieder vorgeworfen wurde, sie würde den Prozess verzögern, kann sich insoweit bestätigt sehen, dass sie in die richtige Richtung agiert hat. Interessant ist auch, dass einige der Anträge mit Insider-Wissen begründet wurden, etwa die Angabe, beim Auflösungstreffen von „B&H“ Sachsen seien Böhnhardt und Mundlos anwesend gewesen.

Zugleich ist es mehr als unwahrscheinlich, dass der Versuch der Verteidigung Wohlleben verfängt, ihren Mandanten als (gegenüber B&H Sachsen) vergleichsweise harmlos und ahnungslos und damit letztlich als unschuldig darzustellen. Denn sowohl die objektiven Beweismittel als auch die Aussage des Mitbeschuldigten Schultze sprechen eindeutig dafür, dass Schultze und Wohlleben den „Dreien“ eine scharfe Schusswaffe mit Schalldämpfer besorgten – eine Waffe, die für keine andere Verwendung als für politische Attentate geeignet ist.

Die Verteidigung Wohlleben hat offensichtlich die Ablehnung ihres erneuten Haftantrages richtig interpretiert: ihrem Mandanten droht eine langjährige Haftstrafe, weil die Beschaffung der Ceska 83 mit Schalldämpfer bewiesen ist, weil klar ist, dass Wohlleben, der ja gemeinsam mit Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos die „Volkstod“-Kampagne geführt hatte, der die hochaggressive Gewaltaffinität des Uwe Böhnhardt kannte, genau wusste, wen er da mit einer Mordwaffe ausrüstete. Die Beweisanträge jetzt stellen den Versuch dar, die neu gewonnenen Erkenntnisse über die Unterstützer in Chemnitz in der Form zu nutzen, dass diesen die gesamte Verantwortung zugeschoben wird. Den Umstand, dass Böhnhardt und Mundlos bereits vor ihrem Untertauchen, in einer Zeit, in der sie politisch wie freundschaftlich eng mit Wohlleben verbunden waren über die Chemnitzer Blood and Honour-Struktur TNT zum Bombenbau bezogen, dass sie in dieser Zeit bereits eine Bombenwerkstatt hatten, dass also sowohl der Wille zur Begehung von Sprengstoffanschlägen wie auch die politische Übereinstimmung mit B&H bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, übergeht die Verteidigung dabei geflissentlich. Dass Wohlleben von 1998 bis Anfang der 2000er keinen Kontakt zu B&H Sachsen hatte, dürfte eher daran gelegen haben, dass wegen der Bomben in Jena ja auch gegen ihn ermittelt wurde und er als zentraler Unterstützer der Drei sich daher im Hintergrund hielt.