Archiv für den Monat: Mai 2015

20.05.2015

Lügen und Verharmlosen XIV – Ein kurzer Auftritt von Marcel Degner

Erster und einziger Zeuge heute war erneut Marcel Degner alias „Riese“, ehemaliger Chef von „Blood and Honour“ Thüringen und zeitweise einer der drei Deutschland-Chefs (zu seiner ersten Befragung s. den Bericht vom 11.03.2015). Er behauptete erneut, er sei nie V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen – auch nachdem ihm vorgehaltene wurde, dass ein VS-Mitarbeiter ihn als V-Mann bezeichnet hatte (vgl. Bericht vom 22.04.2015) und auch entsprechende Deckblattmeldungen vorliegen.

Nach dieser dreisten Lüge stellten die VertreterInnen der Nebenklage keine weiteren Fragen, sondern beantragten, zunächst einen weiteren VS-Mitarbeiter als Zeugen zu hören, der Degner damals „geführt“ hat, um sodann Degner mit dessen Aussagen konfrontieren zu können. Dieser Antrag wird zum nächsten Verhandlungstag schriftlich gestellt werden, danach wird das Gericht entscheiden.

Degner scheint sich sicher zu sein, mit seiner Lüge durchzukommen, weil die Akten mit den ausführlichen Berichten des V-Mannes „Hagel“, so nach Auskunft des Thüringer VS-Mitarbeiters sein Deckname, geschreddert wurden. Dem Gericht liegen daher nur wenige Deckblattmeldungen vor. Die Auskunft des VS-Mitarbeiters zu Degner war zwar eindeutig dazu, dass dieser V-Mann war, ergab aber kaum inhaltliche Anknüpfungspunkte. Daher ist nun sein ehemaliger V-Mann-Führer zu hören, der nähere Details mitteilen kann. Weiterlesen

19.05.2015

Zur Lieferkette der Mordwaffe, einem „geständigen“ Lügner und „Missverständnissen“ der Verteidigung Zschäpe

Der halbe Tag war heute von Unterbrechungen geprägt, weil die Verteidigung Zschäpe erreichen wollte, dass der Sachverständige Psychiater Saß ihre Mandantin nur noch eingeschränkt beobachten darf. Im Ergebnis sitzt Saß nun 50 cm weiter von Zschäpe entfernt. Allerdings offenbarte sich, wie wenig sich die Verteidigung bisher für alltägliche Bedürfnisse ihrer Mandantin eingesetzt hat: auf die Angabe der Verteidigung, Zschäpe dürfe ihren Laptop mit der Ermittlungsakte während Unterbrechungen nicht in die Vorführzelle im Gericht mitnehmen, entgegnete der Vorsitzende lediglich, das sei selbstverständlich möglich, wenn es bisher verweigert worden sei, müsse das auf einem Missverständnis beruhen. Offensichtlich wurde diese tatsächliche Beschränkung Zschäpes bis zum heutigen 205. Verhandlungstag nie von der Verteidigung angesprochen.

Nach der Mittagspause konnte dann endlich der erste Zeuge, ein Polizeibeamter aus dem Berner Oberland, gehört werden. Er war auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen und berichtete über ein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des Waffengeschäftes, von dem die Mordwaffe Ceska stammt. Laut Anklage ging die Ceska vom ersten Käufer an den Schweizer Hans-Ulrich Müller, über diesen nach Thüringen und über weitere Personen an die Weiterlesen

13.05.2015

Wiederum zu den Raubüberfällen, und zur „Brauchtumspflege“ in der NS-Szene

Die erste Zeugin heute war eine sehr mutige Angestellte einer Sparkasse in Zwickau, die am 23.09.2003 von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos überfallen wurde. Obwohl einer der beiden ihr seine Pistole ins Gesicht schlug, seinen Komplizen laut fragte „soll ich sie erschießen?“, verschaffte sie den beiden keinen Zugang zum Tresor. Ihre Kollegin bestätigte den Ablauf, auch sie wurde von den Tätern gewaltsam zur Herausgabe von Geld aufgefordert, konnte aber nach kurzer Zeit fliehen.

Die beiden Täter entkamen mit einer Beute von knapp 500 €. Laut Anklage nutzten sie zur Flucht wieder Fahrräder und ein Wohnmobil – wie bei anderen Banküberfällen und auch den Morden.

Eine Polizeibeamtin berichtete zu den Ermittlungen nach dem 4.11.2011: In der NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße wurden u.a. Waffen und Kleidungsstücke gefunden, die denen auf den Überwachungsvideos entsprachen, außerdem Schuhe passend zu einer Fußspur in der Filiale und eine Stadtkarte, auf der die Filiale markiert war. Das Wohnmobil war auf den Namen André Eminger gemietet worden, laut Anklage durch Eminger selbst. Weiterlesen

12.05.2015

Mehr zu den Raubtaten, und zur Ideologie von Mundlos und Zschäpe

Heute Vormittag sagte zunächst der Jugendfreund von Uwe Mundlos weiter aus – zu seiner bisherigen Aussage vgl. den Bericht vom 15.04.2015. Er berichtete viel zur Gewalttätigkeit der Nazi-Szene, u.a. über einen brutalen Angriff auf jemanden, der „nicht ins Bild passte“, und von einer Schlägerei, bei der Beate Zschäpe jemand mit einem Glas schlug. Bei Mundlos habe er diverse Waffen gesehen, u.a. eine Armbrust, Messer und wohl auch eine Gaspistole.
Aus seiner Aussage ergab sich auch, dass die Drei ihre Straftaten in Jena und die Reaktion staatlicher Stellen richtig einzuordnen wussten – Zschäpe schaute sich häufig um, ob die Polizei sie verfolge, schrieb sich die Kennzeichen von Zivilfahrzeugen der Polizei auf, Mundlos sprach ihm gegenüber davon, es werde gegen sie wegen Terrorismus ermittelt, gab ihm Anweisungen, im Falle konkreter Ermittlungen Beweismittel wie einen Computer verschwinden zu lassen.
Mundlos habe schon damals viele Kontakte nach Chemnitz gehabt, habe dort verschiedene Personen besucht und auch Gegenbesuche empfangen.

Der Zeuge gab sich sichtlich große Mühe, darzustellen, dass er sich nach etwa 18 Jahren nicht mehr an alle Details erinnern kann. Die Verteidigungen Zschäpe und Wohlleben bemühten sich sehr, dies als vermeintliche Widersprüchlichkeiten in seiner Aussage darzustellen, warfen dem Weiterlesen

11.05.2015

Zu den Raubtaten des NSU

Diese Woche befasst sich das Gericht vor allem mit einigen der insgesamt 15 Raubüberfälle des NSU. Heute wurden zunächst ZeugInnen zur ersten dieser Taten, einem Raub am 18.12.1998 in einem Edeka-Markt in Chemnitz, vernommen. Demnach entrissen die Täter der Hauptkassiererin die Tageseinnahmen und flüchteten zu Fuß. Sie wurden von einem Jugendlichen verfolgt, schossen dreimal auf ihn. Die verwendete Munition entspricht Munition, die 2011 in der NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden wurde – die Waffe, mit der diese Munition verschossen wurde, wurde allerdings bislang nicht gefunden. Der Jugendliche, der die Täter verfolgte, wurde erst vor kurzem wieder ausfindig gemacht und wird sicher in einer der kommenden Wochen geladen werden.

Eine Zeugin beschrieb die Einschusslöcher in der Außenwand des Ladens, mindestens eines davon in etwa 1,60 Meter Höhe, also in etwa auf Kopfhöhe des Verfolgers. Der hemmungslose Schusswaffeneinsatz von Böhnhardt und Mundlos noch im ersten Jahr ihres Untertauchens und im Rahmen eines „nur“ der Geldbeschaffung dienenden Überfalles zeigt, dass die Untergetauchten von Anfang an die Tötung von Menschen in Kauf nahmen. Weiterlesen