11.03.2015

Schreddern, leugnen, vergessen – V-Männer liefern keine Information. Und: zur Normalität der Weißen Bruderschaft Erzgebirge

Der erste Zeuge heute war Marcel Degner, Mitbegründer und Chef der „Blood & Honour“-Sektion Thüringen, später „B&H“-Chef für „Mitteldeutschland“, zudem nach Ermittlungen des Untersuchungsausschusses des Bundestages unter dem Codenamen „Hagel“ von 1997 bis 2001 V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutzes (TLfV). Er brachte – wie fast alle bislang gehörten „Vertrauens“-Männer – keinerlei brauchbaren Informationen. Wie alle anderen Nazizeugen und auch etliche V-Männer hatte Degner natürlich fast keine Erinnerung, insbesondere an Erlebnisse, die die Angeklagten belasten könnten. Ja, er er bestritt sogar, überhaupt V-Mann gewesen zu sein. Allerdings hatte der Mitarbeiter des TLfV Wiessner in seiner Vernehmung am 11.11.2014 mitgeteilt, er habe zwar keine Aussagegenehmigung zur Identität des V-Mannes „Hagel“, dann aber doch ausgesagt, dass dies Degner war.

Außerdem fand sich eine Tatsachenschilderung Degners eins zu eins in einem Treffbericht von „Hagel“ wieder: er hatte bei dem Chemnitzer Thomas Starke nachgefragt habe, ob die drei Geflüchteten – Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos – Geld bräuchten, Starke hatte geantwortet, nein, die würden „jobben“. Genauso findet sich die Begegnung in einem der zwei erhaltenen Treffberichte von „Hagel“. Die übrigen Treffberichte wurden seinerzeit geschreddert, was es natürlich schwierig macht, Degners Angaben zu überprüfen. Die Nebenklage beantragte deshalb, Degners Vernehmung zu unterbrechen und zunächst die beiden TLfV-Mitarbeiter Wiessner und Zweigert als Zeugen zur Tätigkeit Degners zu befragen. Der Vorsitzende reagierte hierauf genervt, kam aber dem Antrag schließlich doch nach, so dass Degner noch einmal wird aussagen müssen.

Zuvor hatte er unter anderem angegeben, den Angeklagten Wohlleben Anfang der 1990er in Gera kennengelernt und später mehr oder weniger regelmäßig getroffen zu haben. Sehr regelmäßig habe er neben seinen „B&H“-Kumpanen auch André Kapke und Tino Brandt getroffen. Nachdem er öffentlich als V-Mann beschrieben wurde, sei er mindestens zweimal körperlich angegriffen worden, er habe sich dann aus der Szene zurückgezogen. Zuvor habe er aber noch versucht, gegen das Verbot von B&H zu klagen, dies sei aber gescheitert, weil vor allem die norddeutsche Sektion ihm verboten habe, für die gesamte Organisation aufzutreten. Ob diese Klage vom Verfassungsschutz angeordnet und bezahlt wurde, dürfte eine der spannenden Frage der anstehenden Vernehmungen von Wiessner und Zweigert werden.

Der nächste Zeuge, ein früheres Mitglied der vom Angeklagten Eminger und seinem Bruder geführten „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ (WBE), in der auch der NSU-Unterstützer Dienelt Mitglied war, zeigte ebenfalls kaum Bemühungen, sich konkret zu erinnern. Die WBE habe Fußballturniere, Geländespiele und Konzerte veranstaltet und versucht, „gegen Drogen“ zu agieren und „der Jugend“ etwas zu bieten.

Etwas konkreter wurde die ideologische Ausrichtung der WBE anhand des Fanzines „Aryan Law and Order“, das von der WBE herausgegeben wurde. Die zwei Ausgaben dieses Magazins wurden durch die Nebenklage bereits in den Prozess eingeführt. Sie sind eine einzige Ansammlung rassistischer und antisemitischer Propaganda und werben offen für den Aufbau bewaffneter Kleingruppen und die Durchführung bewaffneter Aktionen. Der Zeuge bestätigte anhand des Magazins, dass die meisten der ideologischen Artikel von André und Maik Eminger geschrieben wurden.

Immerhin war der Zeuge auch bereit, einen weiteren Einblick in die Ideologie des Angeklagten Eminger zu vermitteln, dessen Verhältnis zu „Ausländern“ und zu Juden beschrieb er wie folgt: „wird wie bei jedem im Erzgebirge gewesen sein: alles böse, alles schlecht, [die] müssen weg.“