12.03.2015

Erneut zur Keupstraße, und zur ideologischen Entwicklung von Uwe Mundlos

Heute sagte ein weiterer Geschädigter der Nagelbombe von 09.06.2004 in der Kölner Keupstraße aus. Er arbeitete in dem Friseursalon, vor dem das Fahrrad mit der Bombe abgestellt wurde, und erlitt durch die Explosion diverse Wunden am Kopf, am Arm und am Bein sowie eine Schädigung des Gehörs – schwerere Verletzungen blieben ihm erspart, weil jemand zwischen ihm und der Bombe stand. Er leidet bis heute an psychischen Folgen, wird immer wieder an die Bombenexplosion erinnert, wenn z.B. eine Tür laut zuknallt. Auch er machte deutlich, dass er von den deutschen Behörden keinerlei Unterstützung erhielt, um mit den Folgen des Attentates zurechtzukommen.

Es folgte ein Zeuge, der mit Uwe Mundlos zur Schule ging, mit ihm gut befreundet war und Mundlos‘ Entwicklung hin zum offenen Nazi miterlebte: Der hörte statt früher Udo Lindenberg nun die „Böhsen Onkelz“ und anderen Rechtsrock, etwa den „Kanakensong“ (Textauszug: „Steckt sie in den Kerker oder steckt sie ins KZ, von mir aus in die Wüste, aber schickt sie endlich weg. Tötet ihre Kinder, schändet ihre Frauen, vernichtet ihre Rasse und lehrt sie so das Grauen“), kleidete sich szenetypisch mit Bomberjacke und Springerstiefeln, später in Kleidung, die den Zeugen an eine SS-Uniform erinnerte. Ab der 7./8. Klasse begann er, sich offen positiv auf das 3. Reich zu beziehen. In seinem Zimmer spielte er der Clique vor Reichskriegsfahnen Aufnahmen von Hitler- und Goebbels-Reden vor.

Der Zeuge beschrieb Mundlos bereits als Jugendlicher als agitatorisch, in seinen Ansichten „fast unverrückbar“, kalt und erbarmungslos, ohne jedes Mitleid. Etwa in der 10. Klasse, so der Zeuge, erinnere er sich an ein von Mundlos programmiertes Computerspiel, in dem der Spieler Juden „abschießen“ sollte.

Beate Zschäpe erlebte der Zeuge am Ende der Freundschaft über die gemeinsame Jugendclique, nahm sie aber weniger in politischer Hinsicht, sondern eher allgemein als „primitiv“ wahr. Sie habe viel geklaut, vietnamesischen Zigarettenverkäufern die Zigaretten abgenommen. Mitglieder der Clique hätten auch „Jagd auf ‚Linke‘ gemacht“.

Uwe Mundlos hatte sich auch schon als Jugendlicher mit Themen wie Rasterfahndung, Untertauchen usw. befasst. Eine seiner Lieblingssendungen im Fernsehen war „Der Rosarote Panther“ – den der NSU ja dann später in seinem widerlichen Bekennungsvideo verwurstete.
Man merkte, wie viele Erinnerungen der Zeuge sich aus seinem ehrlichen Bemühen, sich in die damalige Situation hineinzuversetzen, erarbeitete. Dabei setzte er oft an Details an, die er erinnerte und dann bestimmten Geschehnissen zuordnete. Eine solche Erinnerung an teilweise sogar belanglos erscheinende Details, die dennoch eine Situation charakterisieren und unverwechselbar machen, macht eine Aussage besonders glaubwürdig. Insoweit zeugte diese Zeugenaussage den krassen Gegensatz zu den Aussagen von Nazizeugen, die im Bemühen sich und die Angeklagten möglichst zu schonen, keinerlei Anstrengung unternehmen, ihre Erinnerung zu aktivieren.

Die Verteidigung Zschäpe versuchte vor allem, die Angaben des Zeugen anzugreifen, Beate Zschäpe habe damals sehr viel geklaut und sei ihm vulgär vorgekommen – ob dieses Thema im Urteil des Gerichts viel Raum einnehmen wird, mag bezweifelt werden. Die Aussage hat vor allem deutlich gemacht, dass die Ideologie von Uwe Mundlos und seinen Freunden sich über viele Jahre konsequent entwickelt und verstetigt hat. Die Vernichtungsträume, die in jungen Jahren in Sprüchen, Musik und Videospielen ausgedrückt wurden zeigten sich später in dem selbst hergestellten „Pogromly-Spiel“ und schließlich in den Morden des NSU und dem widerlichen Bekennervideo. Dass in diese Entwicklung nicht eingegriffen wurde, obwohl sie für Eltern, Schule und Behörden offensichtlich war, wirft weitere Fragen auf.