18.03.2015

U.a. zum Angeklagten Carsten Schultze

Der Verhandlungstag begann mit dem Gutachten des Psychiaters Prof. Leygraf. Er sollte sich dazu äußern, ob für Carsten Schultze, der zur Tatzeit 19 oder 20 Jahre alt war, noch Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Der Gutachter hatte sich bereits in seinem schriftlichen Vorgutachten hierfür ausgesprochen und bestätigte dies heute im Wesentlichen: das Coming Out von Schultze und sein Rückzug aus der Nazi-Szene zeigten, dass er sich nach den ihm vorgeworfenen Taten erheblich weiter entwickelt habe; dies wiederum spreche dafür, dass er zum Tatzeitpunk noch eher einem Jugendlichen gleichgestanden habe. Der Vorsitzende fragte nach, wies insbesondere darauf hin, dass der Ausstieg Schultzes und die ihm vorgeworfenen Taten zeitlich sehr nah beieinanderlagen.

Aus strafrechtlicher Sicht wäre dennoch die Anwendung von Jugendstrafrecht wenig überraschend – gleichzeitig aber in der konkreten Umsetzung auf einen heute Mitte-Dreißigjährigen nicht einfach: das Gericht wird insoweit den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts, aber auch die Schwere und den politischen Charakter der Tat, die Schultze eingestanden hat, berücksichtigen müssen.

Der Gutachter beschrieb auch Schultzes Verhalten in den Gesprächen mit ihm. Dieses entsprach sehr weitgehend seinem Verhalten in der Hauptverhandlung. Vor allem hat Schultze auch Leygraf gegenüber nichts Konkretes zu seiner damaligen ideologischen Einstellung gesagt, sondern hat seine Tätigkeit in der Nazi-Szene eher als „gemeinschaftliche jugendliche Freizeitgestaltung“ dargestellt.

Es folgte Giso Tschirner, ein weiteres Mitglied der Chemnitzer „Blood & Honour“-Szene. Auch dieser Zeuge stellte sich als dumm und nichtwissend dar. Er sei zwar bei „B&H“ gewesen, habe dort aber nur „Security“ bei den Konzerten gemacht. „B&H“-Chef Starke hatte angegeben, Tschirner habe das TNT, das Jörg Winter für die Drei besorgte, an ihn überbracht – Tschirner selbst stritt das heute ab, ebenso wie Winter vor ihm, und mit fast dem gleichen Wortlaut. Auch ansonsten wollte Tschirner von allem relevanten nichts mitbekommen haben. Insofern ist auch eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Zeugenaussage an dieser Stelle überflüssig.
Als nächstes folgte ein weiterer früherer Bekannter von Beate Zschäpe aus Schulzeiten. Seine Aussage brachte allerdings wenig Neues, war auch inhaltlich ziemlich konfus – es ist sehr unwahrscheinlich, dass darauf viel zu geben sein wird.

Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof inzwischen die Haftbeschwerde der Verteidigung Wohlleben verworfen, mit einem sehr klaren Beschluss: Zum einen sei nach der bisherigen Beweisaufnahme weiter der dringende Tatverdacht der Beihilfe zu neun Fällen des Mordes gegeben. Es läge auch weiterhin Fluchtgefahr vor. Außerdem sei das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die zu erwartende Strafe werde auch eine Untersuchungshaft von erheblicher Dauer (bis heute 3 Jahre 2 Monate) nicht nur unwesentlich übersteigen.