Schlagwort-Archive: Carsten Schultze

03.07.2018

Urteilsverkündung am Mittwoch, 11.07.2018. Letzte Worte der Angeklagten ohne Überraschungen.

Heute war die Publikums- und Pressetribüne bis auf den letzten Platz gefüllt. Bevor das Gericht allerdings den Angeklagten die Gelegenheit zum letzten Wort geben konnte, meldete sich zunächst Rechtsanwalt Erdal zu Wort: er hatte im Februar beantragt, dass zur Urteilsbegründung das Kruzifix im Gerichtssaal abgehängt werde; diesen Antrag hatte der Vorsitzende Richter erst gestern abgelehnt. Erdal rief dagegen nun den gesamten Senat an, blieb aber erfolglos.

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02.05.2018

Plädoyer der Verteidigung Carsten Schultze: „Meine Gewalt war nur ein stummer Schrei nach Liebe“.

Das Plädoyer der Verteidigung des Carsten Schultze war mit einiger Spannung erwartet worden: immerhin ist er derjenige Angeklagte, der sich sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung am stärksten, und als einziger glaubhaft, bemüht hat, einen Beitrag zu Aufklärung der Taten des NSU zu leisten. Dadurch wurde er einerseits zum Hauptangriffsziel der Verteidigung Wohlleben, weil er diesen massiv belastete, ihm gelang es aber damit auch andererseits, dass mehrere Nebenkläger_innen direkt oder durch ihre Anwält_innen erklärten, dass sie seine Entschuldigung annehmen und eine Bewährungsstrafe für ihn akzeptieren könnten.

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08.11.2016

Angriff an der Endhaltestelle geklärt – Verletzter Zeuge berichtet

Am heutigen Tag wurde der Zeuge gehört, der aufgrund von Recherchen der Nebenklage als Verletzter des Vorfalls an der Jenaer S-Bahnendhaltestelle ermittelt werden konnte (vergleiche unsere Meldungen vom 21.07.2016, 12.10.2016, 26.10.2016).

Der Zeuge berichtete, wie er und ein Begleiter von einer Gruppe von etwa sechs Nazis an der Endhaltestelle zunächst mit Flaschen beworfen und dann zusammengeschlagen wurden. Er selbst trug bei dem völlig überraschenden Angriff eine gebrochene Nase, ein Hämatom am Auge und zahlreiche Prellungen davon und musste operiert werden, um den Bruch zu korrigieren. Der Zeuge schilderte den Angriff ohne jegliche Belastungstendenz. Ebenso schilderte er seine Verärgerung, dass die Polizei den Übergriff als „Auseinandersetzung“ abtat und er nie wieder davon hörte, bis er vor kurzem, nach Recherchen der Nebenklage, vom Bundeskriminalamt kontaktiert wurde. Die erneute Konfrontation mit dem Vorfall habe ihn noch einmal deutlich belastet. Weiterlesen

21.07.2016

Zu Schlägereien Jenaer Nazis in den 90ern und der Glaubwürdigkeit des Angeklagten Schultze

Heute befasste sich das Gericht mit der Überprüfung einer Aussage des Angeklagten Carsten Schultze: der hatte von einem Angriff mehrerer Jenaer Neonazis auf zwei Personen Ende der 1990er berichtet. Beteiligt gewesen sei auch Wohlleben, der habe ihm hinterher mitgeteilt, er sei dem einem „auf dem Gesicht herumgesprungen“ (vgl. den Bericht vom 11.06.2013). Das Gericht hat nun die weiteren Personen geladen, die nach Schultzes Angaben dabei waren.
Der erste Zeuge, der Bruder von THS-Chef André Kapke (zu seiner ersten Vernehmung vgl. den Bericht vom 04.03.2015), teilte mit, er könne sich an eine solche Schlägerei nicht erinnern. Das bedeutet aber für die Angaben Schultzes schon deshalb wenig, weil der sich alles andere als sicher gewesen war, dass der Zeuge damals beteiligt gewesen sei. Weiterlesen

30.06.2016

Weiter zu den Vernehmungen des Angeklagten Carsten Schultze

Heute wurde zunächst die Vernehmung eines BKA-Beamten vom 08.06.2016 fortgesetzt. Dieser Beamte war bei allen Vernehmungen des Angeklagten Carsten Schultze beteiligt oder zumindest anwesend. Die Verteidigung Wohlleben versuchte sich längere Zeit daran, dem Zeugen Angaben zu Widersprüchen und Auffälligkeiten in der Genese der Aussage Schultzes zu entlocken. Diese Versuche blieben erfolglos.

Im Gegenteil konnte Schultze persönlich durch eigene Fragen einen vermeintlichen Widerspruch ausräumen: In einem der Vernehmungsprotokolle ist als seine Angabe niedergelegt, er könne sich nicht konkret erinnern, das Geld für die Waffe von Ralf Wohlleben erhalten zu haben. Die Verteidigung hatte dies immer als Hinweis darauf gesehen, dass Wohlleben womöglich das Geld für die Waffe gar nicht gegeben hatte. Weiterlesen

08.06.2016

Erneut zu den frühen Angaben von Carsten Schultze

Heute beschäftigte sich das Gericht erneut mit den frühen Angaben von Carsten Schultze nach der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011.

Zunächst berichtete erneut der Sachverständige Prof. Leygraf, der begutachtet hatte, ob auf Schultze – zur Tatzeit 19/20 Jahre alt – Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Er schilderte noch einmal ausführlich die Angaben, die Schultze ihm gegenüber gemacht hatte. Sein Eindruck von den Schilderungen Schultzes zu seinen Aktivitäten in der Nazi-Szene deckt sich mit der Wahrnehmung vieler aus der Nebenklage: Schultze habe das Ganze als Erlebnis geschildert und die Inhalte beiseitegelassen, „er hat das mehr als Pfadfinderromantik dargestellt.“

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01.06.2016

Zu den frühen Aussagen Carsten Schultzes

Heute wurde nur eine einzige Zeugin vernommen, eine BKA-Beamtin, die an der ersten polizeilichen Vernehmung des Angeklagten Carsten Schultze teilgenommen hatte. In dieser Vernehmung hatte Schultze – sichtlich bemüht, die verdrängten Erinnerungen an seine Aktivitäten in der Naziszene wieder „hervorzuholen“ – den Kauf der Ceska-Pistole schon weitgehend so geschildert wie später im Gericht. Insbesondere seine Schilderung zur Rolle Wohllebens hat sich nie geändert: der hatte ihn mit den Worten „geh‘ zum Schultz“ zum Betreiber des Szeneladens „Madley“ geschickt, von dem Schultze die Waffe letztlich auch erhielt.
Ebenso versuchte Schultze bereits in dieser ersten Vernehmung, seine eigene Rolle und seine Mit-Verantwortung für die Taten des NSU herunterzuspielen. So behauptete er etwa, den Schalldämpfer habe er gar nicht bestellt gehabt und darüber, was mit der Waffe geschehen würde, habe er sich gar keine Gedanken gemacht. Weiterlesen

09.03.2016

Weitere Angaben des Angeklagten Carsten Schultze

Heute vernahm das Gericht zunächst zwei BKA-Beamte, die mit anderen Kollegen zusammen das Wohnmobil in Eisenach durchsucht hatten, in dem sich Böhnhardt und Mundlos erschossen hatten. Sie hatten dort u.a. mehrere Waffen, darunter eine Maschinenpistole mit Schalldämpfer, gefunden. Ein Kollege der beiden, der weitere Waffen auffand, wird nächste Woche aussagen.
Es folgten dann weitere Angaben des Angeklagten Schultze. Der hatte bereits zu Beginn des Prozesses sehr ausführliche, wenn auch seine eigene Rolle verharmlosende Angaben gemacht (s. die Berichte vom 04.06.2013, 05.06.2013, 11.06.2013, 12./13.06.2013, 18.06.2013, 19./20.06.2013 sowie 10.10.2013). Jetzt wollte er sich noch einmal äußern, nachdem u.a. mehrere ehemalige „Kameraden“, v.a. aus dem Kreis der NPD-Jugendorganisation JN, ausgesagt hatten. Weiterlesen

18.03.2015

U.a. zum Angeklagten Carsten Schultze

Der Verhandlungstag begann mit dem Gutachten des Psychiaters Prof. Leygraf. Er sollte sich dazu äußern, ob für Carsten Schultze, der zur Tatzeit 19 oder 20 Jahre alt war, noch Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Der Gutachter hatte sich bereits in seinem schriftlichen Vorgutachten hierfür ausgesprochen und bestätigte dies heute im Wesentlichen: das Coming Out von Schultze und sein Rückzug aus der Nazi-Szene zeigten, dass er sich nach den ihm vorgeworfenen Taten erheblich weiter entwickelt habe; dies wiederum spreche dafür, dass er zum Tatzeitpunk noch eher einem Jugendlichen gleichgestanden habe. Der Vorsitzende fragte nach, wies insbesondere darauf hin, dass der Ausstieg Schultzes und die ihm vorgeworfenen Taten zeitlich sehr nah beieinanderlagen.

Aus strafrechtlicher Sicht wäre dennoch die Anwendung von Jugendstrafrecht wenig überraschend – gleichzeitig aber in der konkreten Umsetzung auf einen heute Mitte-Dreißigjährigen nicht einfach: das Gericht wird insoweit den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts, aber auch die Schwere und den politischen Charakter der Tat, die Schultze eingestanden hat, berücksichtigen müssen. Weiterlesen

26.02.2015

Und täglich lügt der Nazi-Zeuge.

Heute sagte zunächst eine Jugendfreundin von Carsten Schultze aus der rechten Szene Jenas aus, die sich auch mit ihm zusammen aus der Szene zurückgezogen hatte. Sie war sichtlich bemüht, ihren alten und noch-Freund Schultze zu entlasten. Insbesondere versuchte sie ihn als jemand darzustellen, der keine eigenständige Rolle in der Szene spielte, sondern nur von anderen – vor allem André Kapke und Ralf Wohlleben – „geschickt“ wurde und reine Jugendarbeit machte. Wie auch Schultze selbst, versuchte die Zeugin den Eindruck zu erwecken, sie selbst und auch Schultze hätten damals gar keine politische Meinung gehabt, sondern seien nur wegen persönlicher Probleme in die Szene geraten.

Ihre Aussage war offensichtlich genau so extrem gefärbt wie die Selbstdarstellung Schultzes: Sicher stimmt es, wie die Zeugin sagte, dass Wohlleben und Kapke die führende Rolle in der Nazi-Szene Jenas spielten. Dass deswegen alle anderen reine MitläuferInnen ohne eigene Meinung gewesen seien, mag vielleicht für sie selbst gelten, die im Alter von 12 oder 13 Jahren Weiterlesen