04.06.2013

Einlassung des Angeklagten Carsten Schultze

Auch der 5. Verhandlungstag im NSU-Verfahren war zunächst von diversen prozessualen Anträgen und vielen Beratungspausen geprägt. Nachdem das Gericht einige zuvor gestellte Anträge auf Einstellung bzw. Aussetzung des Verfahrens abgelehnt hatte, beantragte die Verteidigung Zschäpe erneut die Einstellung des Verfahrens. Sie bezog sich auf drei Aspekte: eine “Vorverurteilung” ihrer Mandantin durch Äußerungen von Generalbundesanwaltschaft und PolitikerInnen; die nicht aufgeklärte Rolle von V-Leuten im Verfahren; und die Vernichtung von Akten zum Umfeld des NSU in den “Verfassungsschutz”behörden. NebenklägervertreterInnen beantragten, wie auch die Generalbundesanwaltschaft, diesen Antrag zu verwerfen. Sie merkten aber auch an, dass das Gericht natürlich wird Beweis erheben müssen über die Rolle von V-Leuten in und um den NSU. Eine Entscheidung des Gerichts über den Antrag wird in den nächsten Tagen erwartet.

Es folgte ein Antrag, zu dem Nebenklage und Verteidigung sich weitgehend einig waren: ein Nebenklägervertreter beantragte, keine Prozessbeobachter von Polizei und “Verfassungsschutz” im Publikum zuzulassen. Das BKA hat angekündigt, BeobachterInnen zu senden, diese sollten u.a. “neue Erkenntnisse” herausfinden; auch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat Interesse angemeldet. Es liegt auf der Hand, dass die Gefahr besteht, dass diese BeobachterInnen ggf. KollegInnen, die später als ZeugInnen im Verfahren aussagen sollen, “briefen”, um das Ergebnis des Prozesses im Sinne ihrer Behörde zu beeinflussen. Die Verteidigungen Zschäpe und Wohlleben schlossen sich dem Antrag an. Das Gericht lehnte ihn ab mit der Begründung, es gebe keinen konkreten Hinweis auf eine drohende Beeinflussung – und das, obwohl dieser Hinweis klar der Ankündigung des BKA zu entnehmen ist und Beispiele für ähnliche Beeinflussungen auch aus den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zum NSU bekannt sind.

Nachdem dann auch der Antrag der Verteidigung Zschäpe, die Einlassung des Angeklagten Schultze wörtlich zu protokollieren, abgelehnt worden war, konnte dieser am Nachmittag endlich beginnen. Er berichtet zunächst ausführlich zu seinem Lebenslauf, u.a. zum Einstieg in die Neonaziszene Jenas mit 16-17 Jahren und zu seinem “Ausstieg” im Alter von 20. Er zählte auch seine Parteiämter bei NPD und JN auf – u.a. war er Stellvertretender Bundesgeschäftsführer der JN. Er behauptete aber, all diese Ämter habe er nicht gewollt, sondern sei hierfür von anderen bestimmt worden.

Dann äußerte sich Schultze zu den Tatvorwürfen. Ihm wird vorgeworfen, zusammen mit dem Mitangeklagten Wohlleben die Ceska-Pistole mit Schalldämpfer besorgt und an Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt übergeben zu haben, mit der dieser neun türkisch- und griechischstämmige Menschen ermordete. Er hatte diese Tat schon im Ermittlungsverfahren gestanden, und dabei blieb er auch in der Verhandlung. Er blieb aber auch dabei, dass er den Schalldämpfer – der die Waffe klar erkennbar zur Mordwaffe machte – damals nicht bestellt habe; sein Lieferant habe einfach keine andere Waffe gehabt. Auch will er sich keine Gedanken dazu gemacht haben, was Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe mit der Waffe vorhatten. Im Gegensatz zum Rest seiner Aussage schien dieser Teil sehr dünn und wenig überzeugend – es ist zu erwarten, dass hierzu kritische Nachfragen der Nebenklage kommen werden.

Morgen werden die Prozessbeteiligten Schultze Fragen stellen. Als erste ist die Generalbundesanwaltschaft an der Reihe. Ob der Vorsitzende danach erst den Verteidigungen der anderen Angeklagten das Wort erteilen wird – immerhin belastet Schultze vor allem Wohlleben massiv –, oder ob die Nebenklage zuerst Fragen stellen wird, bleibt abzuwarten.