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06.06.2013

Angeklagter Gerlach entschuldigt sich bei den Opfern, will aber von nichts gewusst haben. 

Die weitere Vernehmung des Angeklagten Carsten Schultze wurde auf dessen Wunsch auf die nächste Woche verschoben, da dann der Gutachter Prof. Leygraf wieder im Gerichtssaal ist. So kam es stattdessen zur Einlassung des Angeklagten Holger Gerlach. Ihm wird vorgeworfen, die untergetauchten Mitglieder des NSU unterstützt zu haben, indem er ihnen u.a. seinen Führerschein und Reisepass überließ. Außerdem soll er 2001 auf Bitte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben eine Pistole an “die Drei” überbracht haben. Da nicht aufklärbar ist, ob diese Pistole für die Mordtaten verwendet wurde, ist diese Straftat Gerlachs allerdings bereits verjährt.

Gerlach gestand all diese Handlungen und entschuldigte sich bei den Opfern des NSU für das Leid, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ihnen zugefügt haben. Er betonte jedoch, es habe sich ausschließlich um einen Freundschaftsdienst für die drei Untergetauchten gehandelt, er habe nicht damit gerechnet, dass die Gewalttaten begehen würden. Er betonte mehrfach, er sei genauso ahnungslos gewesen, wie es auch sämtliche Polizei- und Verfassungsschutzbehörden Deutschlands waren. Gerlach verlas eine vorbereitete Erklärung, Fragen dazu will er derzeit nicht beantworten.

Vorher hatte er sich zu seinem Lebenslauf geäußert und auch Fragen des Vorsitzenden beantwortet. Im Gegensatz zum Mitangeklagten Schultze stand er dazu, dass er damals Neonazi war und ausländerfeindlich dachte. Er betonte auch, er und seine Freunde seien keine Skins gewesen, die “prügelnd durch die Gegend ziehen”, sondern haben politisch etwas ändern wollen. 2004 sei er dann ausgestiegen, sei aber noch bis heute mit einigen alten “Kameraden” befreundet.

Nicht nur die Entschuldigung, sondern auch seine angebliche Ahnungslosigkeit bezüglich der Morde seiner damaligen Kameraden ist wenig glaubhaft. Gerlach hat heute noch einmal bestätigt, bereits 2001 “den Drei” eine Waffe überbracht zu haben. In einer früheren Vernehmung hat er angegeben, er habe damals gesagt, man könne sich nicht “anmaßen, mit fünf Leuten die Welt retten zu wollen.” Diese Angabe will er jetzt nur sinngemäß gemacht haben. Dennoch liegt es nahe, dass er sich, Wohlleben und „die Drei“ als einheitliche Gruppe gesehen hat, mit drei illegalen und zwei legalen Mitgliedern, die entsprechende Hilfe zu den Taten geben konnten. Dies steht natürlich zu der Behauptung, er habe keine Ahnung von den zu erwartenden Taten des NSU gehabt, in klarem Widerspruch. Hiergegen spricht auch, dass Gerlach lange Zeit mitten in der militanten, offen Gewalt gegen Andersdenkende und „Nichtdeutsche“ propagierenden Naziszenen Jenas und Hannovers aktiv war.

Zu einer ganz wesentlichen Frage, die seine Einlassung aufwirft, verhielt sich Gerlach nicht: Er hat heute noch einmal bestätigt, bereits 2001 “den Drei” eine Waffe überbracht zu haben und dabei sinngemäß gesagt zu haben, man könne sich nicht “anmaßen, mit fünf Leuten die Welt retten zu wollen.” Dies steht natürlich der Behauptung, er habe keine Ahnung von den zu erwartenden Taten des NSU gehabt, natürlich in einem klaren Widerspruch. Daneben werden auch die Angaben zu seinem Ausstieg kritisch zu überprüfen sein – er selbst hat etwa eingestanden, 2005 noch auf mehreren Nazi-Demonstration gewesen zu sein, hat dies aber als “Freundschaftsdienst” hingestellt.

Ein Nebenkläger erbat das Wort, um sich zu der Erklärung Gerlachs zu äußern. Der Vorsitzende verweigerte ihm dies.