Archiv für den Monat: Februar 2015

26.02.2015

Und täglich lügt der Nazi-Zeuge.

Heute sagte zunächst eine Jugendfreundin von Carsten Schultze aus der rechten Szene Jenas aus, die sich auch mit ihm zusammen aus der Szene zurückgezogen hatte. Sie war sichtlich bemüht, ihren alten und noch-Freund Schultze zu entlasten. Insbesondere versuchte sie ihn als jemand darzustellen, der keine eigenständige Rolle in der Szene spielte, sondern nur von anderen – vor allem André Kapke und Ralf Wohlleben – „geschickt“ wurde und reine Jugendarbeit machte. Wie auch Schultze selbst, versuchte die Zeugin den Eindruck zu erwecken, sie selbst und auch Schultze hätten damals gar keine politische Meinung gehabt, sondern seien nur wegen persönlicher Probleme in die Szene geraten.

Ihre Aussage war offensichtlich genau so extrem gefärbt wie die Selbstdarstellung Schultzes: Sicher stimmt es, wie die Zeugin sagte, dass Wohlleben und Kapke die führende Rolle in der Nazi-Szene Jenas spielten. Dass deswegen alle anderen reine MitläuferInnen ohne eigene Meinung gewesen seien, mag vielleicht für sie selbst gelten, die im Alter von 12 oder 13 Jahren Weiterlesen

25.02.2015

Chemnitzer Zeugen: Einige Details, viele Geschichten und weiter keine Entlastung für Wohlleben

Heute wurden zwei Zeugen aus dem Bereich Chemnitz befragt. Beide waren auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen worden, die versucht, die Verantwortung für die Unterstützung des NSU von Wohlleben wegzuschieben und allein bei „Blood & Honour“ Sachsen festzumachen.

Dieser Plan ging auch bei diesen Zeugen nicht auf. Die beiden Zeugen waren aber auch ansonsten bemüht, nicht besonders viel Erkenntnisse zu liefern – wie viele Zeugen aus der Nazi-Szene vor ihnen bestätigten sie im wesentlichen nur das, was eh nachgewiesen ist, und erzählten ansonsten Märchen oder gaben vor, sich nicht zu erinnern.

Zunächst kam Gunter Fiedler, einer der „88er“ Skinheads aus Chemnitz. Er bestätigte, dass nach dem Untertauchen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sein Bruder und er eine Wohnung für diese besorgten. B&H-Chef Thomas Starke hatte sie angesprochen, die Drei bräuchten eine Unterkunft, sie seien auf der Flucht vor der Polizei. Die Fiedlers sprachen zunächst Mandy Struck an, die verwies auf ihren Freund Max-Florian B., wo die Drei tatsächlich unterkamen. Weiterlesen

24.02.2015

Zum Alltag in Zwickau

Der Sitzungstag heute endete wegen Erkrankung von Beate Zschäpe bereits mittags.
Es berichtete nur eine ehemalige Nachbarin des NSU aus der Zwickauer Polenzstraße über ihre Kontakte zu Beate Zschäpe, die sie als „Lise“ bzw. „Lisa“ kannte. Sie hatte nur Kontakt mit Zschäpe – von den beiden Männern kannte sie nur den einen als ihren Freund, der war aber auch häufig weg, „auf Montage“. Mehrmals standen Wohnmobile vor dem Haus, für den Urlaub, wie „Lisa“ sagte.

Zschäpe kam auch nach dem Umzug in die Frühlingsstraße hin und wieder zu Besuch. Die Zeugin empfand sie als angenehme Gesprächspartnerin, man habe sich gerne mit ihr unterhalten. Sie habe aber vor allem zugehört und wenig über sich selbst erzählt.
Bei einem der letzten Besuche habe es Streit mit einer anderen Nachbarin über Geld gegeben, Zschäpe sei sehr aggressiv geworden: „ich dachte, sie haut ihr gleich eine.“ Bei ihrem letzten Besuch, etwa vierzehn Tage vor der Explosion in der Frühlingsstraße, habe sie sehr gestresst gewirkt und deutlich mehr getrunken als sonst, habe aber gesagt, es sei alles in Ordnung.
Von dem deutschen Alltag, den Zschäpe mit anderen Nachbarinnen pflegte (vgl. die Berichte vom 03.02.2014 und vom 9.-11.12.2013), bekam diese Zeugin nach eigenen Angaben nichts mit, politische Ansichten seien gar nicht geäußert worden, „dann hätte ich ja mit ihr nicht mehr geredet.“

Die Verteidigung Zschäpe stellte der Zeugin eine Reihe von Fragen, ohne erkennbare Linie oder nennenswerte Ergebnisse.

12.02.2015 – 23.2.2015 Verhandlungspause

Antrag auf Widerruf der Zulassung der Nebenklage von S. und der Beiordnung von Rechtsanwalt Alexander Hoffmann zurückgewiesen

Mit Beschluss vom 12. Februar 2015 hat das Oberlandesgericht München erwartungsgemäß  den Antrag der Verteidigung Zschäpe, die Nebenklagebefugnis einer Nebenklägerin zu widerrufen, zurückgewiesen. Rechtsanwalt Alexander Hoffmann bleibt also im Verfahren.

Diese Entscheidung war nicht anders zu erwarten, der Antrag der Verteidigung Zschäpe von vornherein als reines Ablenkungsmanöver zu erkennen. Die Verteidigung Zschäpe versuchte mit diesem Antrag einerseits, einen unangenehmen Nebenklagevertreter aus dem Prozess auszuschließen. Vor allem ging es aber darum, nur wenige schwerverletzte Personen als wirkliche Tatopfer zu akzeptieren und damit die mörderische Dimension des Nagelbombenanschlages in der Kölner Keupstraße zu verschleiern. Durch die Behauptung , dass eine Person, die sich während der Bombenanschlages in unmittelbarer Nähe der Bombe aufhielt und nur durch Zufall nicht Bombensplittern ausgesetzt war, keine Geschädigte der Bombe ist, sollte  in den Hintergrund treten, dass dieser Anschlag sich gegen alle BewohnerInnen der Keupstraße richtete.

Der Senat führt zur Begründung schlicht aus, bei Zulassung der Nebenklage davon ausgegangen zu sein, dass sich die Nebenklägerin im Gefährdungsbereich der Nagelbombe befunden habe und damit eine Verurteilung der Angeklagten Zschäpe möglich sei. Ob die Beweisaufnahme im Prozess dies nachweise – für die Behauptung, sie tue dies nicht, hatte die Verteidigung Zschäpe Seiten über Seiten vollgeschrieben – , sei für die Entscheidung ohne jeden Belang.

12.02.2015

Der heutige Verhandlungstag wurde abgesagt, weil die Angeklagte Beate
Zschäpe krank ist. In der nächsten Woche ist Verhandlungspause, der
Prozess geht weiter am Dienstag, 24. Februar mit Nachbarinnen des NSU
aus Zwickau und Gordian Meyer-Plath, dem ehemaligen V-Mann-Führer von
Carsten Szczepanski und jetzigem VS-Präsidenten Sachsens.

11.02.2015

Zur Gefährlichkeit der Nagelbombe in der Keupstraße und dem bislang dreistesten Nazi-Zeugen.

Heute war zunächst Bernd Tödter geladen, Führer des „Sturm 18“ aus Kassel und gerade vor wenigen Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem er wegen Gewaltdelikten zu 2 1/2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Tödter erschien im klassischen Nazi-Skinhead-Outfit der 90er mit Glatze, Bomberjacke und „Sturm 18“-Shirt.

Er hatte bei einer seiner vorherigen Haftstrafen der Polizei gesagt, er könne Angaben machen zu einem Treffen mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Jahr 2006, kurz vor dem Mord an Halit Yozgat in Kassel. Heute wollte Tödter hiervon nichts mehr wissen – und schaffte es, so dreist wie kein Zeuge vor ihm, Aussageverweigerung und Falschaussage miteinander zu verbinden: Zunächst meinte er, er wolle keine Angaben machen, um sich selbst nicht der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen. Nachdem ihn der Vorsitzende Richter Götzl darauf hinwies, dass ihm kein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht, meinte er „Dann kann ich mich an nichts erinnern.“ Der Vorsitzende versuchte geduldig, den Zeugen zu den Inhalten seiner Gespräche mit der Polizei zu befragen, aber der blieb bei seiner Blockade. Weiterlesen

10.02.2015

Zum Antrag der Verteidigung Zschäpe und einem weiteren Zeugen mit Erinnerungsproblemen

Heute sagte zunächst ein weiterer Betroffener des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße aus. Er war Kunde in dem Friseursalon, vor dem die Bombe explodierte. Er selbst blieb wie durch ein Wunder unverletzt, seine Freundin, die ihn begleitete, erlitt Schnittwunden, Verbrennungen und Verletzungen am Trommelfell und litt auch erheblich an psychischen Folgen: „In den Tagen danach ist sie schon zusammengezuckt, wenn nur das Telefon klingelte.“ Diese Zeugin ist für einen späteren Zeitpunkt geladen.

Es folgten Stellungnahmen zum Antrag der Verteidigung aus der letzten Woche, der Mandantin von Rechtsanwalt Hoffmann die Nebenklagebefugnis zu entziehen. Die Generalbundesanwaltschaft meinte, sie sei zwar nicht Geschädigte eines versuchten Mordes, aber jedenfalls einer versuchten gefährlichen Körperverletzung und daher weiterhin nebenklageberechtigt. Rechtsanwalt Hoffmann machte noch einmal deutlich, dass der Antrag rechtlich keinerlei Aussicht auf Erfolg haben kann, was den Eindruck erweckt, dass er vor allem der Stimmungsmache dient. Seine Stellungnahme schloss wie folgt: Weiterlesen

05.02.2015

Weiter keine Entlastung für Wohlleben. Und: Versuch der Verteidigung Zschäpe, einen unbequemen Nebenklagevertreter loszuwerden

Der Verhandlungstag begann sehr ruhig mit dem Bericht eines Mitarbeiters der Jugendgerichtshilfe Düsseldorf, der von seinen Gesprächen mit dem Angeklagten Schultze berichtete. Viel Neues war von ihm nicht zu erfahren, nachdem Schultze selbst ja schon umfangreiche Angaben gemacht hat. In den nächsten Wochen wird das Gutachten erstattet werden, dass sich mit der Frage beschäftigt, ob Schultze zum Tatzeitpunkt noch wie ein Jugendlicher zu bewerten war.

Dann wurde Andreas Graupner, eine zentrale Gestalt von „Blood & Honour“ Sachsen, als Zeuge befragt. Auch er ist auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen worden und sollte vor allem bezeugen, dass an einem „B&H“-Treffen am 8.10.1998 in Wilsdruff, bei dem die Unterstützung des NSU beschlossen worden sein soll, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt teilnahmen.

Graupner, der seit 2001 in Baden-Württemberg lebt, hat als Mitglied der „B&H“ nahestehenden Band Noie Werte bundesweit Bekanntheit erlangt. In zwei Versionen des NSU-Bekennervideos, die auf den Computern in der Frühlingsstraße gefundenen wurden, wird Musik von dieser Band Weiterlesen

04.02.2015

Vermessung der Keupstraße

Weil ein Zeuge – ein Jugendfreund von Uwe Mundlos – nicht erschien, beschränkte sich die Verhandlung heute im wesentlichen auf die Vernehmung eines Polizeibeamten, der anhand verschiedener Tatortskizzen angeben sollte, wie weit bestimmte Häuser in der Keupstraße von der Nagelbombe entfernt sind. Der Zeuge hatte einen Auszug aus dem Liegenschaftsregister und eine Spezialaufnahme zur Hand, die aus verschiedenen von einem Hubschrauber aus gemachten Bildern zusammengefügt war. Die mit größtem Aufwand erstellte Aufnahme machte allerdings Schwierigkeiten, so dass er erst nach einigen Unterbrechungen in der Lage war, die Entfernung der Nachbarhäuser vom Standort des Fahrrads mit der Nagelbombe anzugeben.

Die vergangene Woche angekündigten Anträge der Verteidigung wurden nicht gestellt.

03.02.2015

Zeugen der Verteidigung Wohlleben – keine Entlastung in Sicht

Heute wurden die ersten beiden Zeugen aus dem Umfeld von „Blood & Honour“ Sachsen gehört, die die Verteidigung Wohlleben in ihren Anträgen vom 13.01.2015 benannt hat. Diese Zeugen sollen aussagen, dass in Sachsen und speziell in Chemnitz in den 90er-Jahren Waffen verfügbar waren, dass Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos sich frei in der Szene bewegten und an Treffen teilnahmen und dass die drei erst unter Einfluss von „B&H“ Sachsen ihre Radikalisierung zum NSU durchgemacht haben. Sie sollen weiter aussagen, dass der Angeklagte Wohlleben keinerlei Bezug zu „B&H“ Sachsen und daher keine zentrale Stellung im Unterstützerkreis des NSU innehatte.

Die beiden heutigen Zeugen haben diese Behauptung nicht untermauert, im Gegenteil: Der erste Zeuge, der auf seinem Facebook-Profil unter einem Spruch „Saufen macht frei“ seine innere Einstellung nach außen trägt, gab zwar an, vor allem Zschäpe bereits Anfang der 90er-Jahre kennengelernt und nach dem Abtauchen mehrfach in Chemnitz getroffen zu haben. Viel mehr war aber nicht zu erfahren, der Zeuge berief sich wie viele Nazi-Zeugen vor ihm auf Weiterlesen