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24.02.2015

Zum Alltag in Zwickau

Der Sitzungstag heute endete wegen Erkrankung von Beate Zschäpe bereits mittags.
Es berichtete nur eine ehemalige Nachbarin des NSU aus der Zwickauer Polenzstraße über ihre Kontakte zu Beate Zschäpe, die sie als „Lise“ bzw. „Lisa“ kannte. Sie hatte nur Kontakt mit Zschäpe – von den beiden Männern kannte sie nur den einen als ihren Freund, der war aber auch häufig weg, „auf Montage“. Mehrmals standen Wohnmobile vor dem Haus, für den Urlaub, wie „Lisa“ sagte.

Zschäpe kam auch nach dem Umzug in die Frühlingsstraße hin und wieder zu Besuch. Die Zeugin empfand sie als angenehme Gesprächspartnerin, man habe sich gerne mit ihr unterhalten. Sie habe aber vor allem zugehört und wenig über sich selbst erzählt.
Bei einem der letzten Besuche habe es Streit mit einer anderen Nachbarin über Geld gegeben, Zschäpe sei sehr aggressiv geworden: „ich dachte, sie haut ihr gleich eine.“ Bei ihrem letzten Besuch, etwa vierzehn Tage vor der Explosion in der Frühlingsstraße, habe sie sehr gestresst gewirkt und deutlich mehr getrunken als sonst, habe aber gesagt, es sei alles in Ordnung.
Von dem deutschen Alltag, den Zschäpe mit anderen Nachbarinnen pflegte (vgl. die Berichte vom 03.02.2014 und vom 9.-11.12.2013), bekam diese Zeugin nach eigenen Angaben nichts mit, politische Ansichten seien gar nicht geäußert worden, „dann hätte ich ja mit ihr nicht mehr geredet.“

Die Verteidigung Zschäpe stellte der Zeugin eine Reihe von Fragen, ohne erkennbare Linie oder nennenswerte Ergebnisse.

09.07.2014

Mühsame Befragung zu Böhnhardt

Zunächst sollte heute Morgen Matthias Dienelt befragt werden, der über insgesamt 7 Jahre Wohnungen für den NSU angemietet hatte, zunächst in der Polenzstraße, später in der Frühlingsstraße. Gegen Dienelt läuft immer noch ein Strafverfahren wegen Unterstützung des NSU, insofern verweigerte er erwartungsgemäß die Aussage.

Daher wurde in direktem Anschluss ein Polizeibeamter aus Chemnitz befragt, der Dienelt kurz nach dem Brand in der Frühlingsstraße vernommen hatte. Dieser hatte damals angegeben, über seinen Freund André Eminger einen Max Florian B. kennengelernt zu haben und für diesen nacheinander die beiden Wohnungen angemietet zu haben. B. habe ihm gesagt, er könne wegen Schulden keinen Mietvertrag unterschreiben. In beiden Wohnungen habe er ein Zimmer gehabt, aber nur selten dort geschlafen. Zuletzt habe er etliche Monate nicht mehr in der Frühlingsstraße geschlafen.

Zutreffend hatte Dienelt Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt als Lise, Mac und Gerry beschrieben. Seine sonstige Geschichte ist wenig glaubhaft, so dass seine Aussageverweigerung konsequent ist. Es spricht vielmehr alles dafür, dass Dienelt sehr genau wusste, für wen und warum er die Wohnung anmietete. Dienelt war zusammen mit André Eminger in ihrer Heimatstadt Johanngeorgenstadt auch politisch in der Naziszene aktiv.

Danach wurde der Bruder von Uwe Böhnhardt vernommen. Dieser beschrieb sein nicht besonders enges Verhältnis zu seinem Bruder, dessen Identifikation mit der Naziszene und schließlich sein Abtauchen. En wirklich enges Verhältnis hatte offensichtlich nur während der Kindheit bestanden, später nahm er den Nazi-Bruder in SA-Uniform eher als Belastung für das eigene Leben wahr.

Die Nebenklage stellte anschließend einen umfangreichen Beweisantrag zur Verbindung von André Eminger zu den sogenannten Hammerskins, einer Organisation, die wie „Blood and Honour“ mittels Musik und Konzerten Naziideologie und Terrorkonzepte propagiert. Eminger hatte gemeinsam mit seinem Bruder Maik eine Gruppe „Weisse Bruderschaft Erzgebirge“ aufgebaut, die ideologisch und personell eng mit den Hammerskins verbunden war und die die von amerikanischen Naziterroristen in ihren „14 Words“ aufgestellte Forderung „We must secure the existence of our people and a future for White children.“(Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern.) als quasi-religiöse Losung verbreitet.

9.-11.12.2013

Die Verhandlungswoche hat praktisch keine für das Verfahren erheblichen Ergebnisse erbracht.

Eine Polizeibeamtin berichtete über ihre Ermittlungen zu Zschäpes Aufenthalt zwischen dem Verlassen des brennenden Hauses in der Frühlingsstraße und ihrer Selbststellung bei der Polizei. Die Details dieser Tour werden noch detailliert über direkte Zeugen eingeführt werden.

Beachtenswert war allenfalls die Vernehmung einer Nachbarin aus der Zwickauer Polenzstraße und ihres Sohnes. Die Zeugin hatte in Zschäpe offensichtlich eine Freundin gefunden, die bereit war, sich ihre Sorgen anzuhören, und die auch nach dem Auszug aus der Polenzstraße regelmäßig zu Besuch kam. Zschäpe hatte diese Zeugin nicht nur als verständige Zuhörerin, sondern auch finanziell unterstützt und z.B. für sie eingekauft. Die Zeugin hatte noch bei der Polizei ihr Entsetzen darüber ausgedrückt, dass an diesem Geld ja „Blut dranhing“. In der Hauptverhandlung war hiervon nicht mehr die Rede. Vielmehr entstand eine Stimmung, in der beinahe schon eine Solidarisierung der Zeugin mit ihrer ehemaligen Freundin spürbar war.

Der Sohn der Zeugin konnte weniger über das tägliche Zusammenleben mit Zschäpe berichten, behauptete aber, wie auch seine Mutter, Zschäpe habe ihn einmal davor gewarnt, in die rechte Szene abzudriften. Allerdings wichen seine Darstellungen dieser Szene und die seine Mutter in zentralen Punkten so eindeutig voneinander ab, dass sich die Vermutung aufdrängt, dass hier Mutter und Sohn ihre gemeinsame Bekannte und Freundin Zschäpe in ein positives Licht rücken wollten.

Dies gilt umso mehr, als sich schnell herausstellte, dass der Sohn trotz seiner Beteuerung, er habe mit „rechter Politik“ nichts zu tun, ideologisch eng in neonazistischen Vorstellungen verwurzelt ist und insoweit ein Motiv hätte, Zschäpe zu helfen. Nachdem ihm ein Interview, das er anonym gegeben hatte, vorgehalten wurde, gab er an: Asylbewerber, die „nicht arbeiten“ „hasse ich ganz ehrlich“. Die Forderung nach Entschädigung von Opfern des NSU „finde ich absolut asozial. Es gibt andere Menschen, die Schlimmeres erlebet haben. … Die kriegen auch keine Entschädigung.“ Auf Vorhalt der Nebenklage gab er auch zu, bei Facebook die Kampagne gegen eine Asylbewerberunterkunft in Schneeberg und die Rechtsrock-Band Endstufe zu bewerben. Gefragt, was ihn von einem „Rechten“ unterscheide, meinte er, ein „Rechter“ trage seine Meinung äußerlich frei zur Schau, er selbst halte damit hinterm Berg. Nach dieser Definition dürften viele der rechten Zeugen aus diesem Verfahren, zumindest bei ihrer Aussage vor Gericht, als „unpolitisch“ einzustufen sein.

Die Befragung von weiteren Urlaubsbekanntschaften des „Trios“ bestätigte das bekannte Bild: im relativ kostspieligen Urlaub unter Deutschen waren die drei kinderliebe, fürsorgliche Wohnwagennachbarn, mit denen man eine schöne Zeit verbringen konnte. Beate Zschäpe war die Mütterliche, die „ihre Männer“ umsorgte und die gemeinsame Kasse verwaltete.

27.11.2013

Familie Zschäpe: Mutter schweigt, Cousin verschweigt

Mit dem Cousin und der Mutter Beate Zschäpes sollten heute Familienmitglieder einen Einblick in die Persönlichkeit und Entwicklung der Hauptangeklagten geben. Die Mutter berief sich allerdings auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige und verließ nach drei Minuten den Saal.

Anders der Cousin Zschäpes, Stefan A., der sich als spaßorientiertes Mitglied der Skinhead-Fraktion der Jenaer Naziszene beschreibt, der mit Politik kaum etwas zu tun hatte. „Die Musik stachelt einen halt auf, sagt das, was viele gedacht haben. Gegen den Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen Kommunismus“, beschreibt er die Stimmung in Jena Mitte der 1990er-Jahre. Beate Zschäpe sei auch dabei gewesen in der rechten Szene. Sie sei selbstbewusst gewesen. Ihr erster langjähriger Freund habe sich zwar auch „so“ gekleidet, sei aber nicht so anerkannt worden. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, mit denen Beate dann rumgezogen sei, seien an Nazimusik und Politik interessiert gewesen.

Er selbst bestreitet allerdings, eine Rolle in der Jenaer Naziszene gehabt zu haben. Auf Vorhalt des sogenannten Schäferberichts und von Berichten des LKA Thüringen, in denen er als eines der acht aktiven Mitglieder der „Kameradschaft Jena“ bezeichnet wird, spielt er seine Rolle herunter. Fast alle weiteren genaueren Nachfragen beantwortet er nun mit Gedächtnisproblemen – kaum Erinnerungen an gemeinsame Konzerte, an Reisen nach Nürnberg, Gespräche. Immerhin beschreibt er, dass Uwe Mundlos für die Jenaer „Kameraden“ den Briefkontakt zu dem inhaftierten Chemnitzer Nazi und späteren V-Mann Thomas Starke hielt und diesem auch vom Zeugen Grüße ausrichtete. Daran, dass es sich bei diesem Starke und einem weiteren Bekannten vermutlich um führende Kader von „Blood and Honour“ Chemnitz handelte, wollte er sich dann wieder nicht erinnern können. Der Zeuge folgt der offensichtlich für die Zeugen aus der Naziszene ausgegebenen Losung „alles vergessen!“ So muss er zwar nach Vorlage verschiedener Bilder zugeben, dass er an Ku Klux Klan-artigen Kreuzverbrennungen teilgenommen hat und sich mit dem sogenannten „Kühnengruß“, einem leicht abgewandelten Hitlergruß, hat fotografieren lassen – er behauptet aber, er habe nie gewusst, was dieser Gruß bedeutet.

Das Gericht lässt ihn gewähren, denn die für die Bestätigung der Anklage wichtigen Angaben hat er bereits gemacht: Beate Zschäpe war selbstbewusst, sie hatte ihre Männer im Griff und ließ sich nicht unterbuttern. Sie war gleichberechtigtes Mitglied der Naziszene um sie, Mundlos, Böhnhardt, Kapke, Gerlach und Wohlleben.

Seine Vernehmung wird morgen fortgesetzt. Die für morgen angesetzten Zeugen wurden abgeladen mit Ausnahme einer früheren Freundin des Angeklagten Eminger.

14.11.2013

Zu Zschäpes Rolle im NSU

Zu Beginn der Hauptverhandlung beantragten NebenklägervertreterInnen Hoffmann und Pinar ein forensisch-linguistisches Gutachten: Ein Propagandaschreiben des NSU, das in der Frühlingsstraße gefunden und zusammen mit Bargeld an verschiedene Nazigruppen versandt worden war, soll verglichen werden mit einem Brief von Uwe Mundlos und einem Brief, den Zschäpe aus dem Gefängnis an den Neonazi Robin Schmiemann geschrieben hat. Das Gutachten könnte Hinweise dafür geben, dass Zschäpe Mitautorin des sogenannten NSU-Manifests war – was wiederum eine Verurteilung Zschäpes als Mittäterin der NSU-Morde erlauben würde.

Weiter wurden ehemalige Nachbarn von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt aus der Zwickauer Polenzstraße vernommen. Erschreckend war deren offen zur Schau gestellte Sympathie für Zschäpe, über die sie „nichts schlechtes sagen“ konnten oder wollten. Das Wissen um die Verstrickung von Zschäpe in die Mordserie erreichte diese Menschen offensichtlich nicht, oder es reicht jedenfalls nicht aus, um ihr Bild von ihrer ehemaligen Nachbarin zu beeinflussen.