Archiv für den Monat: Dezember 2013

20.12.2013

Der heutige Verhandlungstag war sehr kurz. Die per Videoverbindung zugeschaltete Zeugin war alters- und krankheitsbedingt nicht in der Lage auszusagen. Voraussichtlich wird sie auch weiterhin nicht zu befragen sein. Es wird dann ihre polizeiliche Vernehmung durch Verlesung des Protokolls und Vernehmung der Polizeibeamten eingeführt werden.

Die Verhandlung wird am 8. Januar 2014 fortgesetzt.

19.12.2013

Heute wurde die Vernehmung des Vaters von Uwe Mundlos fortgesetzt. Am Ende der Vernehmung gab Rechtsanwalt Hoffmann, auch im Namen der Rechtsanwälte Clemm, Dr. Elberling, Fresenius, Ilius, Kuhn, Lex, Lunnebach, Scharmer, Stolle, von der Behrens eine Erklärung dazu ab, die wir im Folgenden dokumentieren:

Die Vernehmung des Zeugen Dr. Mundlos war geprägt durch dessen Bemühen, jede Verantwortung für die Straftaten des NSU von seinem Sohn abzuwehren. Dr. Mundlos hat sich offensichtlich über die letzten Jahre in ein geschlossenes Vorstellungsbild des Geschehens hineingearbeitet, in dem sein Sohn als unschuldiges Opfer fehlgeleiteter Polizeiarbeit, verleitet von V-Leuten des Verfassungsschutz, der eigentlich nur aus Freundschaft Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den Untergrund begleitete, dargestellt wird.

Sein eigenes Versagen bei der Erziehung seines Sohnes, seine Unfähigkeit dessen Naziideologie adäquat zu entgegnen, seine innere Weigerung zu erkennen, dass er das Ausmaß der Gefährlichkeit seines Sohnes und dessen Ideologie unterschätzt hat, kann der Zeuge Dr. Mundlos nicht reflektieren. Wenn er von insgesamt 12 Opfern des NSU spricht, und damit offensichtlich seinen Sohn und Uwe Böhnhardt miteinbezieht, wird deutlich, dass er jeden Bezug zur Realität verloren hat und sich weigert Fakten aufzunehmen. Dies mag einem verzweifelten Vater, der seinen Sohn im doppelten Sinne verloren hat zuzugestehen sein, es muss sich allerdings unmittelbar auf die Bewertung der Zeugenaussage auswirken.

Gleichwohl darf diese Bewertung nicht dazu führen, die Aussage des Zeugen Mundlos insgesamt als nicht relevant abzuhaken. Die von dem Zeugen geschilderten Beobachtungen der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter bzw. deren Mitarbeiter sind für dieses Strafverfahren relevant. Die geschilderte Einflussnahme von bezahlten V-Leuten, die Gründung des Thüringer Heimatschutzes durch den V-Mann Brandt, die Lieferung von Sprengstoff durch den V-Mann Starke, die Tatsache, dass selbst nach dem Abtauchen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mehrere V-Leute von Verfassungsschutzbehörden im direkten Umfeld der Unterstützer aktiv waren, sind Tatsachen, die zur Beurteilung der Schuld der Angeklagten zu berücksichtigen sind.

18.12.2013

Vater Mundlos – verzweifeltes Leugnen

Die Beweisaufnahme diese Woche konzentriert sich auf den Vater von Uwe Mundlos. Darüber hinaus soll am Freitag eine Videovernehmung mit einer alten Dame stattfinden, die sich im Haus in der Frühlingsstraße befand, als Zschäpe dieses anzündete. Ursprünglich sollte am Freitag die am 22.11.2013 begonnene Vernehmung des THS-Aktivisten André Kapke fortgesetzt werden, eines der engsten Vertrauten von Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt, Gerlach und Wohlleben. Diese Zeugenvernehmung wurde nun in das kommende Jahr verschoben

Die Vernehmung des Dr. Mundlos, der zuletzt im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Thüringen ausgesagt hatte, gestaltet sich äußerst schwierig. Schon früh gerät er hart mit dem Vorsitzenden Richter Götzl aneinander, weil der nur seine Fragen beantwortet haben will und versucht, vortragsähnliche Ausführungen des Zeugen abzuwürgen. Die Szene gipfelt in dem Ausruf von Vater Mundlos „Sie sind ein Klugsch…“.

Vater Mundlos bemüht sich verzweifelt, jede Schuld und Verantwortung von seinem Sohn und seiner Familie abzuwehren. Sein Sohn sei nur durch den Kontakt zu V-Leuten des Verfassungsschutzes und zu Uwe Böhnhardt nach rechts geraten. Er selbst habe alles ihm Mögliche getan, seinen Sohn von dessen Weg wegzuholen. Die Staatsanwaltschaft habe „die Drei“ zu Unrecht verfolgt, daher seien diese in den Untergrund gegangen. Auch die Verantwortung für das weitere Geschehen verortet er bei staatlichen Stellen und fordert mehrfach die Bundesanwaltschaft auf, das staatliche Handeln in die Beweisaufnahme einzubeziehen.

Nachdem Vater Mundlos gegenüber den Opfern des NSU betont, er sei ebenfalls an einer vollständigen Aufklärung „des Ganzen“ interessiert und „das deutsche Volk“ habe einen Anspruch auf vollständige Aufklärung, beendet der Vorsitzende entnervt die Befragung für den heutigen Tag.

Die Befragung wird morgen fortgesetzt.

9.-11.12.2013

Die Verhandlungswoche hat praktisch keine für das Verfahren erheblichen Ergebnisse erbracht.

Eine Polizeibeamtin berichtete über ihre Ermittlungen zu Zschäpes Aufenthalt zwischen dem Verlassen des brennenden Hauses in der Frühlingsstraße und ihrer Selbststellung bei der Polizei. Die Details dieser Tour werden noch detailliert über direkte Zeugen eingeführt werden.

Beachtenswert war allenfalls die Vernehmung einer Nachbarin aus der Zwickauer Polenzstraße und ihres Sohnes. Die Zeugin hatte in Zschäpe offensichtlich eine Freundin gefunden, die bereit war, sich ihre Sorgen anzuhören, und die auch nach dem Auszug aus der Polenzstraße regelmäßig zu Besuch kam. Zschäpe hatte diese Zeugin nicht nur als verständige Zuhörerin, sondern auch finanziell unterstützt und z.B. für sie eingekauft. Die Zeugin hatte noch bei der Polizei ihr Entsetzen darüber ausgedrückt, dass an diesem Geld ja „Blut dranhing“. In der Hauptverhandlung war hiervon nicht mehr die Rede. Vielmehr entstand eine Stimmung, in der beinahe schon eine Solidarisierung der Zeugin mit ihrer ehemaligen Freundin spürbar war.

Der Sohn der Zeugin konnte weniger über das tägliche Zusammenleben mit Zschäpe berichten, behauptete aber, wie auch seine Mutter, Zschäpe habe ihn einmal davor gewarnt, in die rechte Szene abzudriften. Allerdings wichen seine Darstellungen dieser Szene und die seine Mutter in zentralen Punkten so eindeutig voneinander ab, dass sich die Vermutung aufdrängt, dass hier Mutter und Sohn ihre gemeinsame Bekannte und Freundin Zschäpe in ein positives Licht rücken wollten.

Dies gilt umso mehr, als sich schnell herausstellte, dass der Sohn trotz seiner Beteuerung, er habe mit „rechter Politik“ nichts zu tun, ideologisch eng in neonazistischen Vorstellungen verwurzelt ist und insoweit ein Motiv hätte, Zschäpe zu helfen. Nachdem ihm ein Interview, das er anonym gegeben hatte, vorgehalten wurde, gab er an: Asylbewerber, die „nicht arbeiten“ „hasse ich ganz ehrlich“. Die Forderung nach Entschädigung von Opfern des NSU „finde ich absolut asozial. Es gibt andere Menschen, die Schlimmeres erlebet haben. … Die kriegen auch keine Entschädigung.“ Auf Vorhalt der Nebenklage gab er auch zu, bei Facebook die Kampagne gegen eine Asylbewerberunterkunft in Schneeberg und die Rechtsrock-Band Endstufe zu bewerben. Gefragt, was ihn von einem „Rechten“ unterscheide, meinte er, ein „Rechter“ trage seine Meinung äußerlich frei zur Schau, er selbst halte damit hinterm Berg. Nach dieser Definition dürften viele der rechten Zeugen aus diesem Verfahren, zumindest bei ihrer Aussage vor Gericht, als „unpolitisch“ einzustufen sein.

Die Befragung von weiteren Urlaubsbekanntschaften des „Trios“ bestätigte das bekannte Bild: im relativ kostspieligen Urlaub unter Deutschen waren die drei kinderliebe, fürsorgliche Wohnwagennachbarn, mit denen man eine schöne Zeit verbringen konnte. Beate Zschäpe war die Mütterliche, die „ihre Männer“ umsorgte und die gemeinsame Kasse verwaltete.

05.12.2013

Mehr zum hessischen Verfassungsschutz – und ein sinnloses Befangenheitsgesuch

Der Verhandlungstag begann mit einem Antrag von NebenklägervertreterInnen, den Zeugenbeistand des ehemaligen V-Mannes von Verfassungsschutz-Mitarbeiter Temme auszuschließen. Dieser Rechtsanwalt war vor der ersten Vernehmung des Zeugen beim BKA vom Verfassungsschutz beauftragt worden, als Zeugenbeistand aufzutreten. Auch in der heutigen Sitzung schien er mehr die Interessen des hessischen Verfassungsschutzes als die des Zeugen zu vertreten: Er beanstandete Fragen, die in Richtung einer Einflussnahme des Verfassungsschutzes auf die Zeugenaussage durch den Verfassungsschutz gingen, und begründete dies damit, Antworten darauf seien nicht von der Aussagegenehmigung des Zeugen gedeckt. Vorher hatte er aber eine ganze Reihe von Fragen „durchgehen“ lassen, zu denen der Zeuge nach diesem Verständnis der Aussagegenehmigung auch nichts hätte sagen dürfen – demnach hätte er sehenden Auges einen Geheimnisverrat, also eine Straftat des Zeugen zugelassen. Dies zeigt, dass der Beistand nicht die Interessen des Zeugen, sondern – jedenfalls auch –die des hessischen Verfassungsschutzes vertritt. Das sah das Gericht anders und lehnte den Antrag ab.

Die weitere Befragung des Zeugen war wieder sehr zäh – er schien viele Fragen nicht zu verstehen, ansonsten konnte oder wollte er sich nicht erinnern. Interessant war nur, dass er angab, er habe vor dem Landesamt für Verfassungsschutz auch für den Militärischen Abschirmdienst gearbeitet.

Welche Probleme dadurch entstehen, dass die Temme-Akten vom Gericht nicht beigezogen wurden, zeigte noch einmal die Befragung durch Nebenklägervertreterin Rechtsanwältin von der Behrens: sie hatte diese Akten bei der Generalbundesanwaltschaft eingesehen und machte dem Zeugen nun Vorhalte aus ihren Mitschriften. Die Verteidigung Wohlleben meinte, dies sei unzulässig. Das Gericht jedoch ließ den Vorhalt aus den Mitschriften zu.

Ausgerechnet auf diese Entscheidung stützte dann die Verteidigung Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden mit der Begründung, bisher haben doch alle Befragenden bei Vorhalten das entsprechende Dokument vorlegen müssen. Aus Sicht der Nebenklage ist diese Begründung mehr als albern – ein solcher Vorhalt ist natürlich zulässig, und dass man ein Dokument nicht vorlegen kann, das man einfach nicht hat, dürfte sich auch von selbst verstehen.

Das Gericht stellte die Entscheidung zurück, so dass die Vernehmung des Zeugen zunächst zu Ende geführt werden konnte. Aufgrund eines angekündigten Antrages wurde er allerdings nicht entlassen, sondern muss wohl nochmals anreisen.

03./04.12.2013

Keine Erinnerung beim Verfassungsschutz

Die Verhandlung dreht sich in dieser Woche vollständig um den Mordfall Halit Yozgat in Kassel, und hierbei um die Wahrnehmungen des ehemaligen V-Mann-Führers Andreas Temme. Temme, der sowohl in dem gegen ihn geführten Strafverfahren als auch bei seiner letzten Vernehmung am 01.10.2013 in München keine Erinnerung haben wollte und allerlei Unglaubwürdigkeitenzum Besten gab, setzte am Dienstag seine wirren Erzählungen fort. Für die Hauptverhandlung ergab die Vernehmung keinerlei Ergebnis.

Zuvor hatte das Gericht eine weitere Gegenvorstellung von Nebenkläger-VertreterInnen, die nach wie vor dafür kämpfen, die Ermittlungsakte des eingestellten Strafverfahrens gegen Temme zu den Prozessakten beiziehen zu lassen, abgelehnt. Das Gericht bleibt dabei, dass all dieses Material nich relevant ist, wohl weil es für die Verurteilung der hier Angeklagten nicht notwendig ist.

Wie sinnlos diese Entscheidung ist und zu welchem umständlichen Prozedere sie führt, wurde bei der heutigen Vernehmung des damaligen V-Mannes von Temme deutlich. Die Nebenklage Yozgat hatte dem Zeugen Vorhalte aus der Akte gemacht, die sie vor längerer Zeit noch von der Bundesanwaltschaft erhalten hat, die das Gericht aber nicht beiziehen will. Es entstand die absurde Situation, dass der Vorsitzende die Seiten, die dem Zeugen vorgehalten wurden, ausgedruckt vorgelegt haben wollte – nachdem er gerade die Beiziehung u.a. dieser Seiten abgelehnt hatte. Die Nebenklage Yozgat bot daraufhin an, die gesamten ihr vorliegenden Akten vorzulegen, dies lehnte jedoch der Vorsitzende ab. Stattdessen wies er an, vor jedem Vorhalt die entsprechenden Seiten auszudrucken und dann vorzulegen.

Beide Zeugen sollen am Donnerstag weiter vernommen werden. Wenn der Vorsitzende an der von ihm nun angeordneten, äußerst umständlichen Prozedur festhält, wird sich diese Vernehmung noch einige Zeit hinziehen. Der Vorsitzende Richter Götzl scheint erhebliche Probleme zu haben, unwillige Zeugen zum sprechen zu bringen. Seine Verhandlungsführung führt zurzeit zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens.