Schlagwort-Archive: Temme

20.09.2016

Ein weiterer Zeuge mit Erinnerungsproblemen, erneut zu den Wahrnehmungsproblemen des VS-Mannes Temme, und Fragen des Gerichts an Zschäpe

Heute wurde ein weiterer Zeuge gehört zu einem Angriff mehrerer Jenaer Neonazis auf zwei Personen Ende der 1990er Jahre, den der Angeklagte Schultze geschildert hatte (vgl. die Berichte vom 21.07.2016 und 01.09.2016). Auch dieser Zeuge konnte sich an den Angriff nicht erinnern, wollte ihn aber auch nicht ausschließen – es habe damals so viele Schlägereien gegeben, an denen er und sein Umfeld beteiligt waren, außerdem habe er damals viel Alkohol getrunken. Damit sind die Angaben Schultzes erneut weder eindeutig bestätigt noch widerlegt, das Ziel der Verteidigung Wohlleben, Schultze als unglaubwürdig darzustellen, also erneut verfehlt. Weiterlesen

12.07.2016

Aufklärungswille niedrig – Verurteilungswille hoch – Verfassungsschutz schützen: 100%

Heute wurden diverse Dokumente verlesen, u.a. zu einer Durchsuchung bei David Petereit, NPD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern und früher Herausgeber des Nazi-Fanzines „Der Weiße Wolf“. Bei der Durchsuchung wurde ein Exemplar des sog. „NSU-Briefes“ gefunden, mit dem die Organisation bestimmten neonazistischen Organisationen Geld hatte zukommen lassen. „Der Weiße Wolf“ hatte sich im Vorwort der nächsten Ausgabe im Jahr 2002 bedankt: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen;-) Der Kampf geht weiter …“ Petereit selbst ist für morgen als Zeuge geladen.

Nach der obligatorischen Mittagspause lehnte das Gericht weitere Beweisanträge ab, diesmal Anträge aus dem Februar und April 2014 (!) zu den Versuchen des Hessischen Verfassungsschutzes, die Ermittlungen wegen des NSU-Mordes an Halit Yozgat in Kassel zu behindern und den VS-Mitarbeiter Temme zu schützen, der am Tatort gewesen war, aber behauptet hatte, er habe nichts mitbekommen. Weiterlesen

24.06.2015

Noch einmal zur Keupstraße, und weiter zum Verfassungsschützer Temme

Zunächst sagte heute ein weiterer Geschädigter des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße aus, der sich zum Zeitpunkt der Explosion im Reisebüro seines Vaters in der Keupstraße aufhielt. Er hatte das Glück, nicht verletzt zu werden, weil ein Lieferwagen zwischen ihm und der Bombe stand und Dutzende Nägel abfing. Die beiden Gutachter, die bereits sehr klare und eindeutige Gutachten zur Lebensgefährlichkeit der Nagelbombe erstattet hatten (vgl. den Beitrag vom 11.02.2015), ergänzten und bestätigten ihre Gutachten im Hinblick auf die Aussagen des heutigen Zeugen und weiterer Zeugen aus der Keupstraße aus den letzten Monaten.

Nachmittags sagte ein weiterer Kollege des hessischen Verfassungsschützers Temme, der damalige Geheimschutzbeauftragte Hess, aus. Auch er hatte nach dem Mord an Halit Yozgat in Kassel mehrere Telefonate mit dem – damals beschuldigten – Temme geführt, die von der Kriminalpolizei abgehört und aufgezeichnet wurden. In dem ersten Gespräch sagte er wörtlich: „Ich sage ja jedem, äh, wenn der weiß, dass irgendwo sowas passiert, bitte nicht vorbeifahren.“ Weiterlesen

17.06.2015

Zu den abgehörten Telefonaten des V-Mann-Führers Temme mit seinen Kollegen

Heute wurden drei ehemalige Kollegen des V-Mann-Führers Temme vom Verfassungsschutz Hessen vernommen, mit denen Temme im April/Mai 2006, als er Beschuldigter des Mordes an Halit Yozgat in Kassel war, telefoniert hatte.

Am 9. Mai 2006 hatte Temme mit seinem Vorgesetzten Muth telefoniert, u.a. ging es um eine dienstliche Stellungnahme Temmes. Muth empfahl ihm zunächst, das Geschehen so zu schildern, wie es war – nahm dies dann aber gleich wieder zurück und empfahl Temme stattdessen, zunächst mit dem Geheimschutzbeauftragten Hess Kontakt aufzunehmen.

Am 2. und 15. Mai 2006 telefonierte Temme mit seinem Kollegen Fehling. Im ersten Gespräch berichtete Fehling, welche Maßnahmen das Landesamt eingeleitet habe, um die polizeilichen Ermittlungen zu behindern und zu steuern: Man habe Sorge getragen, dass die Polizei keinen Zugriff auf seine Quellen erlangen würde und dass auch die mit der Sache in Zusammenhang stehenden Berichte Temmes der Polizei nicht bekannt würden. Weiterlesen

09.04.2014

Verfassungsschutz vs Wahrheit

Heute wurde zunächst ein Kriminalpolizist vernommen, der einen Zeugen des Mordes an Halit Yozgat in Kassel vernommen hatte. Jener Zeuge hatte zur Tatzeit telefoniert und hatte die Schüsse gehört, aber nicht als solche wahrgenommen. Er hatte einen der Täter gesehen, dies aber nur aus dem Augenwinkel, so dass er keine genauere Erklärung abgeben konnte. Aber die Beschreibung, die er abgab – jung, kräftig, relativ groß –, passt auf Mundlos bzw. Böhnhardt, und für deren Täterschaft liegen ja bereits ausreichend Beweise u.a. in Form der Mordwaffe und der Bekennervideos vor.

Warum die Vernehmungen des Zeugen sich nicht in den Altakten zum Mord Yozgat befanden, sondern erst auf Anforderung des Gerichts nachgereicht wurden, konnte der Beamte nicht beantworten – ebenso wenig, warum dem Zeugen kein Bild des Verfassungsschützers Temme vorgelegt wurde, von dem bekannt war, dass er zur Tatzeit ebenfalls im Internetcafé war.

Nachmittags wurde dann Frank Fehling, ein Kollege Temmes, vernommen. Dieser hatte in einem Telefonat wenige Wochen nach der Tat Temme dafür gelobt, dass er dem Leiter des Landesamtes Irrgang alles geschildert und „nicht so restriktiv wie bei der Polizei“ ausgesagt habe. Das Gespräch wurde von der Polizei abgehört und gelangte so in die Akte gegen Temme – nicht aber in die des NSU-Verfahrens, trotz der Bedeutung der Aussage, dass Temme mehr über den Mord wusste, als er der Polizei gesagt hat.

Fehling berichtete, die Behördenleitung habe ihn und die anderen Mitarbeiter der Außenstelle kurz nach der Festnahme Temmes als Tatverdächtiger angewiesen, keine Aussagen gegenüber der Polizei zu machen. Das Telefonat mit Temme bestritt er anfangs vehement – er habe mit Temme nicht sprechen wollen, habe dies absichtlich vermieden. Auch als ihm die Gesprächsinhalte aus dem Protokoll der Telefonüberwachung vorgelesen wurden, blieb er zunächst bei dieser Darstellung. Erst als er am nachdrücklichen Frageverhalten des Vorsitzenden erkennen konnte, dass dieser ein weiteres Abstreiten nicht akzeptieren würde, gestand er ein, er könne nicht ausschließen, dass es dieses Gespräch gegeben habe. Dass Temmes Gespräch mit Irrgang Thema war, wollte er jedoch weiter nicht erinnern.

Gleiches galt für überwachte Gespräche, in denen Fehling sich mit Temme mehrfach über die Ermittlungen unterhielt und versprach, ihn auf dem Laufenden zu halten: Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Kienzle hielt dem Zeugen die Protokolle der Telefonüberwachung vor, aber der blieb dabei, er könne sich nicht erinnern, er habe sich immer aus den Ermittlungen rausgehalten.

Aus Sicht der Nebenklage entsteht massiv der Eindruck, dass der Verfassungsschutzmitarbeiter Fehling dreist lügt, weil er verbergen will, dass der hessische Verfassungsschutz die Ermittlungen der Kriminalpolizei ganz erheblich gestört hat.

12.03.2014

Hessischer Verfassungsschutz – Hauptziel: Schutz der eigenen Arbeit

Heute wurde der ehemalige Direktor des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Lutz Irrgang, vernommen, zudem ein weiteres Mal dessen Mitarbeiter Temme. Der hessische Verfassungsschutz hatte sich nach dem Mord an Halit Yozgat massiv bemüht, Temme, der damals am Tatort war, zu decken, seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz geheim zu halten und seine Quellen anonym zu halten. Das hessische Innenministerium hatte die Ermittlungen der Polizei ganz erheblich behindert und das Ermittlungsverfahren gesteuert.

Von solchen Vorgängen will der ehemalige Direktor Irrgang nichts gewusst haben. Dies würde entweder bedeuten, er hat heute eine Falschaussage gemacht, oder seine vergleichsweise kleine Behörde hätte ihm als Chef Informationen von erheblicher Bedeutung vorenthalten und an ihm vorbei die Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaft sabotiert.

Zum Tatzeitpunkt sei er jedenfalls im Urlaub gewesen, erst eine Woche später habe er von der Anwesenheit Temmes am Tatort erfahren. „Ich war eine Verwaltungsbehörde“, beschreibt er seinen Umgang mit anderen Ämtern. Dem Landespolizeipräsidenten habe er zugesichert, seine Behörde werde sich „aus dem Sachverhalt zurückziehen“.

Als Temme in Untersuchungshaft genommen wurde und seine Verstrickung publik wurde, sei die wichtigste Arbeit gewesen, den Dienstbetrieb der Außenstelle Kassel irgendwie aufrecht zu erhalten, Quellenübergaben zu machen, für die Sicherheit der Dienststelle zu sorgen. Schwierigkeiten habe auch bereitet, dass „die Polizei die Maßnahmen unseres Hauses durch technische Maßnahmen begleitet“ habe – die Telefone des Verfassungsschutzbehörde seien also abgehört worden. Tatsächlich hat sich offenbar die gesamte Tätigkeit des Landesamtes Hessen in dieser Zeit ausschließlich darauf konzentriert, die eigene Arbeit zu sichern und die Veröffentlichung der Namen der „Quellen“, also der Informationsgeber und V-Männer, zu verhindern.

Änderungen der Strukturen des hessischen Landesamtes aber zog der Vorfall keine nach sich – die Behörde beschränkte sich darauf, Temme zu suspendieren, und hielt damit alle Probleme für gelöst.

An einer Stelle zeigte der ehemalige Chef des hessischen Landesamtes, dass er damals die Bedeutung des Geschehens in Kassel genau verstanden hatte: „In dem Augenblick, in dem offenbart worden ist, dass ein Verfassungsschützer zum Tatzeitpunkt am Tatort war, habe ich in einem handschriftlichen Vermerk niedergelegt, dass die Aufklärung schwierig wird, weil die Täter damit sich neu positionieren mussten. […] Durch die Anwesenheit von Temme wurde die Aufklärung auf Jahre verhindert, nachdem man das offenbar gemacht hat. Das war meine persönliche Meinung.“

Diese Einschätzung zeigt den unglaublichen Zynismus einer Sicherheitsinstitution, die nur die eigenen Interessen im Auge hat. Um das eigene Personal zu schützen und für die vage Hoffnung einer beschleunigten Aufklärung der Morde sollte die Anwesenheit des VS-Mitarbeiters Temme geheim gehalten werden. Die Pressemeldungen über die Anwesenheit des VS-Mannes führten, so die Einschätzung des Zeugen, dazu, dass die Täter glaubten, der Verfassungsschutz sei ihnen auf der Spur, und aus diesem Grunde ihr Tatmuster änderten. Tatsächlich war der Mord in Kassel der letzte Mord an einem migrantischen Selbständigen. Die Veröffentlichung der Anwesenheit eines VS-Mitarbeiters hat nach dieser Theorie also zum Abbruch der Mordserie geführt und weitere gleichgelagerte Morde verhindert. Bis heute aber wünscht sich der ehemalige Chef der hessischen Behörde, die Identität Temmes wäre geheim gehalten worden, und hätte nach seiner eigenen Theorie lieber weitere ähnliche Morde in Kauf genommen. Die von Irrgang vertretene Hoffnung, auf diese Weise wären die Morde – für die man ja auch im hessischen Landesamt für Verfassungsschutz Migranten, Türken oder Islamisten verantwortlich machte – früher aufgeklärt worden, kann als widerlegt angesehen werden. Hervorzuheben ist allerdings, dass diese These Irrgangs nur dann Sinn macht, wenn er bereits damals von einem politischen Hintergrund der Morde ausgegangen ist.

Der Zeuge Temme konnte keinen der vorhandenen Widersprüche zu seinen Aussagen klären. Er will sich weiter an nichts erinnern. Seine Befragung konnte wieder nicht beendet werden, er wird mindestens noch ein weiteres Mal vor Gericht erscheinen müssen.

11.03.2014

Hessischer Verfassungsschutz – Widersprüche ungeklärt

Heute und morgen steht noch einmal das hessische Landesamt für Verfassungsschutz im Mittelpunkt des Verfahrens. Heute wurde eine Vorgesetzte des Landesamt-Mitarbeiters Temme befragt, morgen wird erst der ehemalige Direktor Irrgang und dann nochmals Temme selbst befragt. Temmes ehemaliger direkter Vorgesetzter ist krank und muss später vernommen werden.

Zunächst aber wurde ein Video vorgeführt, mit dem die ermittelnde Polizei im Jahr 2006 die Schilderung Temmes von seinem Aufenthalt in dem Kasseler Internetcafé nachgestellt hatte. Bezeichnend war vor allem die Szene, in der Temme kurz vor Verlassen des Cafés noch einmal umdreht, Geld auf den Tresen legt und sich dabei wegen seiner Körpergröße deutlich über den Tresen beugt. Temme muss also – auch nach diesem Film – den hinter dem Tresen liegenden schwerverletzten bzw. toten Halit Yozgat gesehen haben. Die Darstellung Temmes, er habe hinter dem Tresen nichts gesehen, wird damit noch einmal unglaubwürdiger.

Die Ungereimtheiten seiner Aussagen wurden bei der Vernehmung seiner ehemaligen Vorgesetzten noch deutlicher. Diese gab an, am Montag nach dem Mord im Auftrag ihres Vorgesetzten Temme beauftragt zu haben, beim Staatsschutzdezernat nach Erkenntnissen zu dem Mord nachzufragen. Der Verfassungsschutz habe klären wollen, ob die Tat einen islamistischen Hintergrund habe, da der Ermordete ein „türkischer Mitbewohner von Kassel“ gewesen sei. Temme habe zu ihr gesagt, es könne sich um einen „bundesweiten Reihenmord“ oder die „Tat eines Serienmörders“ handeln – sie wisse aber nicht mehr genau, wann er dies gesagt habe und woher er diese Kenntnisse gehabt habe. Nachgefragt habe sie jedenfalls nicht.

Temme habe nicht erwähnt, dass er schon einmal in dem Internetcafé gewesen sei. Internetcafés sollten von Mitarbeitern ihrer Behörde auch nicht benutzt werden, da sie ja „in so Gegenden, wo auch viele Ausländer sind“, lägen. Diese Angaben der Zeugin machten deutlich, auf welch niedrigem, von rassistischen Vorurteilen geprägten Niveau die Arbeit des hessischen Landesamtes ablief.

Daneben widerspricht ihre Aussage zum Auftrag an Temme auch diametral dessen Behauptung, er sei zwar nach dem Wochenende in der Polizeidirektion gewesen, habe da aber höchstens beiläufig über den Mord gesprochen. Temme hatte zudem auch – wiederum entgegen der Angabe der Zeugin – behauptet, er habe nur dieses eine Internetcafé nicht aufsuchen dürfen, und zwar konkret wegen der Nähe zu einer Moschee, in der zu überwachende Personen verkehrten.

Gleichzeitig widersprechen die Aussagen der Zeugin aber auch Vermerken anderer Mitarbeiter des Landesamtes zu deren Gesprächen mit Temme. Das Landesamt für Verfassungsschutz bleibt bislang ein Hort der Verwirrung, nicht der Aufklärung.

Bemerkenswert und charakterisierend für das Landesamt war allerdings die berufliche Bewertung Temmes – des Zeugen also, der über einen langen Zeitraum die Ermittlungsbehörden belogen hat und der bis heute „nichts gesehen“ haben will: er sei sehr ehrgeizig und fleißig gewesen, das sei von Vorgesetzten anerkannt worden, er sei teilweise sogar als Vorbild empfunden worden.

05.12.2013

Mehr zum hessischen Verfassungsschutz – und ein sinnloses Befangenheitsgesuch

Der Verhandlungstag begann mit einem Antrag von NebenklägervertreterInnen, den Zeugenbeistand des ehemaligen V-Mannes von Verfassungsschutz-Mitarbeiter Temme auszuschließen. Dieser Rechtsanwalt war vor der ersten Vernehmung des Zeugen beim BKA vom Verfassungsschutz beauftragt worden, als Zeugenbeistand aufzutreten. Auch in der heutigen Sitzung schien er mehr die Interessen des hessischen Verfassungsschutzes als die des Zeugen zu vertreten: Er beanstandete Fragen, die in Richtung einer Einflussnahme des Verfassungsschutzes auf die Zeugenaussage durch den Verfassungsschutz gingen, und begründete dies damit, Antworten darauf seien nicht von der Aussagegenehmigung des Zeugen gedeckt. Vorher hatte er aber eine ganze Reihe von Fragen „durchgehen“ lassen, zu denen der Zeuge nach diesem Verständnis der Aussagegenehmigung auch nichts hätte sagen dürfen – demnach hätte er sehenden Auges einen Geheimnisverrat, also eine Straftat des Zeugen zugelassen. Dies zeigt, dass der Beistand nicht die Interessen des Zeugen, sondern – jedenfalls auch –die des hessischen Verfassungsschutzes vertritt. Das sah das Gericht anders und lehnte den Antrag ab.

Die weitere Befragung des Zeugen war wieder sehr zäh – er schien viele Fragen nicht zu verstehen, ansonsten konnte oder wollte er sich nicht erinnern. Interessant war nur, dass er angab, er habe vor dem Landesamt für Verfassungsschutz auch für den Militärischen Abschirmdienst gearbeitet.

Welche Probleme dadurch entstehen, dass die Temme-Akten vom Gericht nicht beigezogen wurden, zeigte noch einmal die Befragung durch Nebenklägervertreterin Rechtsanwältin von der Behrens: sie hatte diese Akten bei der Generalbundesanwaltschaft eingesehen und machte dem Zeugen nun Vorhalte aus ihren Mitschriften. Die Verteidigung Wohlleben meinte, dies sei unzulässig. Das Gericht jedoch ließ den Vorhalt aus den Mitschriften zu.

Ausgerechnet auf diese Entscheidung stützte dann die Verteidigung Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden mit der Begründung, bisher haben doch alle Befragenden bei Vorhalten das entsprechende Dokument vorlegen müssen. Aus Sicht der Nebenklage ist diese Begründung mehr als albern – ein solcher Vorhalt ist natürlich zulässig, und dass man ein Dokument nicht vorlegen kann, das man einfach nicht hat, dürfte sich auch von selbst verstehen.

Das Gericht stellte die Entscheidung zurück, so dass die Vernehmung des Zeugen zunächst zu Ende geführt werden konnte. Aufgrund eines angekündigten Antrages wurde er allerdings nicht entlassen, sondern muss wohl nochmals anreisen.

23.10.2013

Zum Mord an Mehmet Turgut

Heute begann endlich die Beweisaufnahme zum Mord an Mehmet Turgut in Rostock – die betreffenden Zeugen waren mehrfach abgeladen worden, zuletzt wegen der Befangenheitsgesuche der Verteidigungen Zschäpe und Wohlleben. Geladen waren zum einen mehrere Polizeibeamte.

Der Tatortermittler berichtet von seiner anscheinend sehr sorgfältig durchgeführten Arbeit. Sein Fazit: „Die sind nicht gekommen, um zu rauben oder irgendetwas, die sind nur gekommen, um zu töten.“

Mehrere seiner Kollegen berichteten von den Ermittlungen und bestätigten das Bild, das schon aus anderen Taten bekannt ist: Der Polizei war zwar einerseits schon früh klar, dass auch dieser Mord mit der Ceska-Pistole begangen worden war und daher Teil der Mordserie war. Andererseits wurden trotzdem die Ermittlungen lange Zeit nur in Richtung angeblicher Verdachtslagen gegen die Familie Turgut und die befreundete Familie des Imbissbetreibers geführt. Konkrete Hinweise auf ein ausländerfeindliches Motiv habe es nicht gegeben, so der Ermittlungsführer – in einer Pressemitteilung der Polizei schon kurz nach der Tat wurde daraus die Behauptung, ein ausländerfeindlicher Hintergrund könne „derzeit ausgeschlossen werden.“

Der Betreiber des Imbisses, der wenige Minuten nach der Tat den sterbenden Mehmet Turgut auffand, schilderte anschaulich das Leid der Familie Turgut wie auch sein eigenes. Er selbst hat seinen Imbiss aufgegeben und nie wieder einen Fuß dorthin gesetzt. Er schilderte auch, dass er von der Polizei sehr lange vernommen wurde, ihm immer wieder gesagt wurde, „Du weißt alles“ und er wie ein Beschuldigter behandelt wurde.

Den Antrag der Nebenklägervertreterin Rechtsanwältin Basay, die Akten aus dem Verfahren gegen den Verfassungsschutz-Mitarbeiter Temme beizuziehen, wurde abgelehnt: Der Senat sah keine Relevanz für das Urteil im Münchener Verfahren. Dieser Beschluss sorgte bei der Nebenklage für Unverständnis, liegt doch die Bedeutung des Zeugen auf der Hand. Rechtsanwältin Basay kündigte für morgen eine Stellungnahme zu dem Beschluss an.