Ein weiterer Zeuge mit Erinnerungsproblemen, erneut zu den Wahrnehmungsproblemen des VS-Mannes Temme, und Fragen des Gerichts an Zschäpe
Heute wurde ein weiterer Zeuge gehört zu einem Angriff mehrerer Jenaer Neonazis auf zwei Personen Ende der 1990er Jahre, den der Angeklagte Schultze geschildert hatte (vgl. die Berichte vom 21.07.2016 und 01.09.2016). Auch dieser Zeuge konnte sich an den Angriff nicht erinnern, wollte ihn aber auch nicht ausschließen – es habe damals so viele Schlägereien gegeben, an denen er und sein Umfeld beteiligt waren, außerdem habe er damals viel Alkohol getrunken. Damit sind die Angaben Schultzes erneut weder eindeutig bestätigt noch widerlegt, das Ziel der Verteidigung Wohlleben, Schultze als unglaubwürdig darzustellen, also erneut verfehlt.
Die Nebenklage Yozgat stellte einen weiteren Beweisantrag zum VS-Mann Temme, der am Tatort des Mordes an Halit Yozgat gewesen war, aber behauptet hatte, er habe davon gar nichts mitbekommen. Der Senat hatte sich zuletzt darauf festgelegt, diese Behauptung Temmes sei glaubwürdig, und damit versucht, weitere Anträge zu diesem Thema abzuwürgen (vgl. zuletzt den Beitrag vom 12.07.20016). Ein Sachverständigengutachten soll beweisen, dass die Schüsse aus der schallgedämpften Ceska so laut gewesen sein müssen, dass es für Temme unmöglich war, sie nicht zu hören. Rechtsanwältin Dierbach und Rechtsanwalt Bliwier hatten sich zur Vorbereitung des Antrags selbst auf einer Schießanlage Schüsse aus einer vergleichbaren Waffe angehört und festgestellt, dass diese selbst durch eine verschlossene Tür hindurch unüberhörbar waren.
Zum Abschluss des Tages stellte das Gericht einige weitere Fragen an die Angeklagte Zschäpe – die meisten davon betreffen das Innenverhältnis zu Böhnhardt und Mundlos und Nachfragen zu einigen Formulierungen in Zschäpes bisheriger Einlassung. Ob es bei diesen Fragen bleibt oder ob das Gericht weitere Fragen stellen wird und dabei auch weitere Fragen der Nebenklage aufgreifen wird, blieb unklar. Verteidiger Grasel kündigte an, dass die Fragen wie üblich schriftlich beantwortet werden.
Die Diskussion um den Brief Zschäpes, dessen Verlesung die Nebenklage am letzten Verhandlungstag beantragen wollte, was aber zunächst an Störfeuern der Verteidigung scheiterte (vgl. den Bericht vom 14.09.2016), soll morgen fortgeführt werden. Immerhin zeigte sich, dass nunmehr wohl auch das Gericht die Bedeutung der in diesem Brief enthaltenen Selbstdarstellung Zschäpes erkannt hat – so teilte der Vorsitzende mit, man erwäge eine förmliche Beschlagnahme des Schriftstückes.