Schlagwort-Archive: Andre Kapke

26.02.2015

Und täglich lügt der Nazi-Zeuge.

Heute sagte zunächst eine Jugendfreundin von Carsten Schultze aus der rechten Szene Jenas aus, die sich auch mit ihm zusammen aus der Szene zurückgezogen hatte. Sie war sichtlich bemüht, ihren alten und noch-Freund Schultze zu entlasten. Insbesondere versuchte sie ihn als jemand darzustellen, der keine eigenständige Rolle in der Szene spielte, sondern nur von anderen – vor allem André Kapke und Ralf Wohlleben – „geschickt“ wurde und reine Jugendarbeit machte. Wie auch Schultze selbst, versuchte die Zeugin den Eindruck zu erwecken, sie selbst und auch Schultze hätten damals gar keine politische Meinung gehabt, sondern seien nur wegen persönlicher Probleme in die Szene geraten.

Ihre Aussage war offensichtlich genau so extrem gefärbt wie die Selbstdarstellung Schultzes: Sicher stimmt es, wie die Zeugin sagte, dass Wohlleben und Kapke die führende Rolle in der Nazi-Szene Jenas spielten. Dass deswegen alle anderen reine MitläuferInnen ohne eigene Meinung gewesen seien, mag vielleicht für sie selbst gelten, die im Alter von 12 oder 13 Jahren Weiterlesen

03.04.2014

Die resignierte Mutter

Die Zeugenvernehmung der Mutter von Uwe Mundlos war beinahe das Gegenteil der Vernehmung des Vaters: abgeklärt, resigniert schilderte Ilona Mundlos, wie ihr Sohn Uwe ihr, während sie mit der Pflege seines behinderten Bruder völlig beschäftigt war, immer mehr entglitt. Die „Fliegerjacke“ hatte sie ihm noch gekauft, weil diese so modern und pflegeleicht war, das Nazi-Braunhemd hatte sie ihm verboten – aber er zog immer wieder mit seinen Nazifreunden los und sie hatte keinen Einfluss auf seine Entwicklung. Sie bekam mit, dass er einem im Gefängnis einsitzenden „Kameraden“ schrieb – vermutlich der spätere Chemnitzer Unterstützer und Polizeiinformant Thomas Starke, sie bekam mit, dass er nach der Störaktion in der Gedenkstätte Buchenwald Hausverbot bekam – aber all dies lief offensichtlich neben ihr ab, ihr Einfluss war allenfalls marginal.

Ihr Sohn sagte ihr, die Polizei habe eine Garage entdeckt, nach Aussage seines Rechtsanwalts würden ihm 7 Jahre Gefängnis drohen – und das, obwohl er mit den Waffen nichts zu tun habe, von ihm sei nur „Schreibzeugs“ dort gewesen. Er müsse zehn Jahre wegbleiben, dann käme er wieder. Damit verabschiedete sich Uwe Mundlos von seiner Mutter, die ihn nie wieder sah.

Andre Kapke sei bei diesem letzten Besuch dabei gewesen. Mit Juliane Walther habe sie in diesem Zusammenhang zweimal gesprochen: Diese Treffen hat Juliane Walther bislang bestritten, sie wird dies in der Fortsetzung ihrer Vernehmung erklären müssen.

13.03.2014

Bedrückende Erklärung des Vaters von Halit Yozgat – Hetzerische Geburtstagszeitung nur „pubertärer Quatsch“?

Die Hauptverhandlung begann mit der angekündigten Erklärung des Vaters des in Kassel ermordeten Halit Yozgat. Diese wurde einmal unterbrochen, weil Zschäpe-Verteidiger Rechtsanwalt Heer der Ansicht war, Yozgat habe seine Mandantin zu Unrecht als Mörderin bezeichnet und die Stellungnahme verhalte sich nicht ausreichend zur Beweisaufnahme. Nach dieser zynischen Unterbrechung konnte die Stellungnahme aber ungestört weiter verlesen werden.

Die Familie Yozgat sieht sich nach wie vor von der deutschen Gesellschaft und ihren Vertretern im Stich gelassen. Auch die Zusage der Bundeskanzlerin aus dem vergangenen Jahr, alles zu tun, um die Verbrechen des NSU aufzudecken, hat keinen Fortschritt gebracht. Nach wie vor hat das Gericht nicht alle Akten, insbesondere aus dem Verfahren gegen den Verfassungsschutzmitarbeiter Temme, beigezogen. Auch das Leid, das die Familie Yozgat durch die polizeilichen Ermittlungen erlitten hat, die sich überwiegend auf das Umfeld der Familie bezogen, ist nicht wirklich anerkannt worden.

Der Herzenswunsch des Vaters, die Holländische Straße in Kassel, in der sein Sohn Halit nicht nur ermordet, sondern auch geboren wurde, in Halit-Straße umzubenennen, bleibt bislang unerfüllt. Zwar wurde ein Platz in Kassel nach seinem Sohn benannt, dies entsprach aber nicht dem Wunsch der Familie. So wandte sich der Vater am Ende seiner Stellungnahme in seiner Verzweiflung an das Oberlandesgericht München, es möge die Umbenennung möglich machen, mit den Worten:

„Wenn Sie entscheiden, dass die Holländische Straße in Halit-Straße umbenannt wird, dann werde ich die Väter von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zur Straßenumbenennung einladen und mit ihnen weiße Tauben als Symbol des Friedens steigen lassen.“

Wenn irgendjemand wirklich ein Interesse an Versöhnung im Zusammenhang mit den Morden des NSU hat, sollte diese Bitte, auch wenn sie hier an die falsche Instanz gerichtet wurde, nicht überhört werden.

Nach dieser bedrückenden Stellungnahme folgte die Vernehmung der Zeugin Jana J., die in den Jahren 1996 bis 2000 durch eine enge Freundschaft zum NSU-Unterstützer André Kapke eng mit der Naziszene Jenas und damit auch mit den NSU-Mitgliedern verbunden war. Sie hatte 1998 gemeinsam mit dem Angeklagten Wohlleben eine „Geburtstagszeitung“ im Stil einer gebastelten Bild-Zeitung für Kapke hergestellt. Kapke war in Südafrika gewesen, wo er auch nach einer Möglichkeit zum Untertauchen für das Trio gesucht haben soll. Nach seiner Rückkehr erhielt er die „Geburtstagszeitung“ als Geschenk.

Die Zeitung ist voll von antisemitischen, rassistischen Parolen, Mordaufrufen und anderen Widerlichkeiten. Die Zeugin erkannte ihre Schrift, gestand auch ein, diese Zeitung verfasst zu haben, erinnerte sich aber an keine Details. Die Zeitung sei aus heutiger Sicht zu verabscheuen, sie schäme sich dafür. Aus der damaligen Sicht einer 18-jährigen aus der rechten Szene sei die Zeitung allerdings „pubertärer Quatsch“ und eine Reaktion auf die Kriminalisierung der Naziszene, die sie damals als ungerecht angesehen habe.

Damals seien in Jena praktisch alle Menschen rechts und ausländerfeindlich gewesen, die jüngeren hätten das eben nur extremer betrieben. Die Naziszene in Jena sei ja sehr groß gewesen. Wenn man sich der rechten Szene irgendwie verbunden gefühlt habe, habe man dort gut leben können, „das war ja so allgemein die Stimmung im Osten“. Ihr Freund André Kapke sei ganz klar „nationalistisch, fremdenfeindlich, rassistisch“ gewesen. Insgesamt habe sie keine schlechten Erinnerungen an irgendjemand.

Weiter erinnerte sich die Zeugin an einen „Mädelabend“ mit Beate Zschäpe im Jahr 1997 in der Wohnung Zschäpes. Zschäpe habe eine Pistole gehabt, die sie liebevoll Walli genannt habe. Was für eine Art von Waffe dies gewesen sei, konnte die Zeugin allerdings nicht angeben. Allerdings habe Zschäpe einen Schulter-Gurt gehabt, um die Waffe unter dem Pulli herumtragen zu können.

Nach dem Abtauchen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos hätten diese stärker im Vordergrund gestanden als davor. Alle hätten über „die Drei“ gesprochen, allerdings nicht offen. Mit der Polizei habe sich in dieser Zeit ein Katz- und Mausspiel entwickelt. Der Bruder von André Kapke habe ein Konzert gegeben, auf dem für die Abgetauchten Geld gesammelt werden sollte.

Am Beispiel der Zeugin Jana J. lässt sich gut erkennen, dass eine starke, dynamische Nazibewegung, die von großen Teilen der „normalen“ Gesellschaft teilweise Zustimmung, jedenfalls aber keine entschiedene Ablehnung erfährt, breite Teile  der Jugend einbinden kann. Jana J. hat sich damals offensichtlich vor allem aus Opportunismus der sie umgebenden Naziszene angeschlossen, deren Ideologie und Gestus angenommen und sich so in ihr gesellschaftliches Umfeld eingeordnet. Heute, wo sie als Pädagogin in Berlin lebt, lehnt sie ihrer neuen Lebenswelt entsprechend auch ihre damalige Meinung deutlich ab.

Die Vernehmung der Zeugin soll am 16. April fortgesetzt werden.