10.02.2015

Zum Antrag der Verteidigung Zschäpe und einem weiteren Zeugen mit Erinnerungsproblemen

Heute sagte zunächst ein weiterer Betroffener des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße aus. Er war Kunde in dem Friseursalon, vor dem die Bombe explodierte. Er selbst blieb wie durch ein Wunder unverletzt, seine Freundin, die ihn begleitete, erlitt Schnittwunden, Verbrennungen und Verletzungen am Trommelfell und litt auch erheblich an psychischen Folgen: „In den Tagen danach ist sie schon zusammengezuckt, wenn nur das Telefon klingelte.“ Diese Zeugin ist für einen späteren Zeitpunkt geladen.

Es folgten Stellungnahmen zum Antrag der Verteidigung aus der letzten Woche, der Mandantin von Rechtsanwalt Hoffmann die Nebenklagebefugnis zu entziehen. Die Generalbundesanwaltschaft meinte, sie sei zwar nicht Geschädigte eines versuchten Mordes, aber jedenfalls einer versuchten gefährlichen Körperverletzung und daher weiterhin nebenklageberechtigt. Rechtsanwalt Hoffmann machte noch einmal deutlich, dass der Antrag rechtlich keinerlei Aussicht auf Erfolg haben kann, was den Eindruck erweckt, dass er vor allem der Stimmungsmache dient. Seine Stellungnahme schloss wie folgt:

„Der jetzt erfolgte Versuch, noch vor Erstattung des Gutachtens über die Sprengwirkung der Bombe die Opfereigenschaft einer Nebenklägerin in Frage zu stellen, zielt darauf, nur wenige schwerverletzte Personen als wirkliche Tatopfer zu akzeptieren und damit die mörderische Dimension des Anschlages zu verschleiern. Das Kalkül: wenn man behaupten kann, dass eine Person, die sich während der Bombenanschlages in unmittelbarer Nähe der Bombe aufhielt und nur durch Zufall nicht Bombensplittern ausgesetzt war, keine Geschädigte der Bombe ist, dann tritt in den Hintergrund, dass dieser Anschlag sich gegen alle BewohnerInnen der Keupstraße richtete.

Die Stoßrichtung der Nagelbombe in der Keupstraße war Terror im ganz ursprünglichen Sinne. Diese Feststellung belastet auch die Angeklagte Zschäpe sehr. Der Antrag ihrer Verteidigung kann ausschließlich darauf abzielen, von dieser Tatsache abzulenken. Er ist zurückzuweisen.“

Rechtsanwältin Pinar schloss sich dem an und wies ergänzend hin auf den Charakter des Nagelbombenanschlags als Fall der Hasskriminalität, als Angriff auf MigrantInnen wegen ihrer Eigenschaft als MigrantInnen. Die Verteidigung Zschäpe und Wohlleben grätschten dazwischen, wollten offensichtlich nicht, dass dieser Charakter des Anschlags näher dargestellt wird. Weitere Nebenklage-VertreterInnen schlossen sich Rechtsanwalt Hoffmanns Ausführungen an.

Am Nachmittag setzte das Gericht die Befragung des Nazi-Zeugen fort, der bereits am 3.2.2015 ausgesagt hatte. Wie schon bei der ersten Befragung gab er vor, sich nicht wirklich zu erinnern, hütete sich aber auch, Dinge eindeutig zu verneinen, die möglicherweise nachweisbar sind – „möchte ich nicht ausschließen“, „ist möglich“, „mag so gewesen sein“, so seine stereotyp wiederholten Floskeln. Klar wurde erneut, dass Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und ihre Jenaer Kameradschaft seit den frühen 1990ern Kontakte nach Chemnitz hatten. Insbesondere wurden die Beweisbehauptungen der Verteidigung Wohlleben – die Chemnitzer Zeugen würden Wohlleben nicht kennen, „die Drei“ hätten sich in Chemnitz abgekoppelt von der sonstigen Szene radikalisiert usw. – nicht bestätigt. Im Gegenteil musste der Zeuge bestätigen, dass er in einer polizeilichen Vernehmung Wohlleben als „Wolle aus Thüringen“ erkannt hatte.