10.10.2013

“Sie sagten, der Mann ihrer Schwester sei nicht rein deutschen Blutes?“ (Rechtsanwalt Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben)

Die Spannung war groß, als nach einer kurzen Vernehmung eines Polizeibeamten die erneute Vernehmung des Angeklagten Carsten Schultze, diesmal durch die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben, begann. Ursprünglich hatte Schultze sich geweigert, Fragen der Wohlleben-Verteidigung zu beantworten. Er fand es nicht fair, dass er sich durch umfassende Aussagen „nackig mache“, während Wohlleben schweigt. Zwischenzeitlich wurde Schultze allerdings klar, dass es seiner Glaubwürdigkeit nützen und möglicherweise auch zu einer niedrigeren Strafe für ihn selbst beitragen könnte, wenn er auch diese Befragung auf sich nimmt.

Schultze belastet Wohlleben massiv: Wohlleben habe den Kontakt zu dem untergetauchten Trio gehalten. In Wohllebens Auftrage habe er die Ceska gekauft und an „die Drei“ übergeben. Schultzes Aussagen sind besonders glaubhaft, nachdem er durch seine Aussage im Prozess bereits einen weiteren Sprengstoffanschlag aufgedeckt hat.

Dementsprechend erwarteten viele eine intensive Befragung durch die Verteidigung Wohlleben. Diese wurde der spannenden Situation aber nicht gerecht: Stundenlange Fragen, die Schultze zwar an den Rand seines Erinnerungsvermögens, zu keinem Zeitpunkt aber in Erklärungsnot brachten. Rechtsanwalt Klemke offenbarte aber, wessen Geistes Kind er ist. Mit der Frage „Sie sagten, der Mann Ihrer Schwester sei nicht rein deutschen Blutes?“ offenbarte der Verteidiger seine ideologische Nähe zu den Angeklagten.

Nach fünf Stunden war die Befragung Schultzes beendet. Abgeschlossen wurde die Hauptverhandlung mit einem Beweisantrag des Berliner Nebenklägervertreters Rechtsanwalt Stolle.

Dieser beantragte, eine bei dem ebenfalls unter NSU-Verdacht stehenden André Kapke gefundene „Geburtstagszeitung“ in den Prozess einzuführen. Das von Ralf Wohlleben und einer gemeinsamen Freundin in Anlehnung an die BILD-Zeitung layoutete Heft zum Geburtstag von André Kapke am 24.08.1998 enthält „lustige“ Artikel, z.B. über „die Umfunktionierung des KZ Buchenwald in eine ‚Tankstelle‘ für Gas“, aber vor allem auch zahlreiche Huldigungen an die kurz zuvor abgetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe.

Die Selbstbeschreibung des Angeklagten Wohlleben in dem Heft beschreibt jemanden, der schon als Kleinkind zutiefst rassistisch war und aus seinem Hass auf alles, was nicht seinem extrem rechten Weltbild entspringt, bereit ist zu töten.

Wohlleben wusste, wovon er schrieb. Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt, Gerlach und Kapke waren seine engsten Vertrauten. Sie verband eine langjährige Freundschaft und politische Organisierung. Wohlleben wusste also, wenn er von rassistischen Tötungsphantasien fabulierte, dass er damit nicht nur von sich selbst, sondern für die gesamte Kameradschaft Jena sprach. Offensichtlich hat er damit auch den Kern getroffen, schließlich hat Kapke das Heft jahrelang aufbewahrt.