19.05.2015

Zur Lieferkette der Mordwaffe, einem „geständigen“ Lügner und „Missverständnissen“ der Verteidigung Zschäpe

Der halbe Tag war heute von Unterbrechungen geprägt, weil die Verteidigung Zschäpe erreichen wollte, dass der Sachverständige Psychiater Saß ihre Mandantin nur noch eingeschränkt beobachten darf. Im Ergebnis sitzt Saß nun 50 cm weiter von Zschäpe entfernt. Allerdings offenbarte sich, wie wenig sich die Verteidigung bisher für alltägliche Bedürfnisse ihrer Mandantin eingesetzt hat: auf die Angabe der Verteidigung, Zschäpe dürfe ihren Laptop mit der Ermittlungsakte während Unterbrechungen nicht in die Vorführzelle im Gericht mitnehmen, entgegnete der Vorsitzende lediglich, das sei selbstverständlich möglich, wenn es bisher verweigert worden sei, müsse das auf einem Missverständnis beruhen. Offensichtlich wurde diese tatsächliche Beschränkung Zschäpes bis zum heutigen 205. Verhandlungstag nie von der Verteidigung angesprochen.

Nach der Mittagspause konnte dann endlich der erste Zeuge, ein Polizeibeamter aus dem Berner Oberland, gehört werden. Er war auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen und berichtete über ein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des Waffengeschäftes, von dem die Mordwaffe Ceska stammt. Laut Anklage ging die Ceska vom ersten Käufer an den Schweizer Hans-Ulrich Müller, über diesen nach Thüringen und über weitere Personen an die Angeklagten Wohlleben und Schultze. Dieser Weg ist durch viele Beweismittel belegt – das Gericht hat hierzu im Haftprüfungsverfahren festgestellt, dass weiter dringender Tatbestand gegen Wohlleben besteht, der Bundesgerichtshof hat dies gebilligt.

Der Antrag auf Ladung des heutigen Zeugen stellt einen verzweifelten Versuch der Verteidigung dar, diese Beweise zu erschüttern. Jedoch bestätigte der Zeuge nicht einmal das Beweisziel der Verteidigung – das Waffenbuch des Waffenhandels sei unzuverlässig geführt worden –, sondern sagte vielmehr aus, bei seinen zahlreichen Überprüfungen sei immer alles in Ordnung gewesen. Von „krummen Geschäften“ des Waffengeschäfts, die die Verteidigung aus anderen Akten entnommen haben wollte, hatte er jedenfalls nichts mitbekommen.

Als nächstes erschien wieder einmal Bernd Tödter, vorgeführt aus der Untersuchungshaft, wo er wieder einmal wegen des Verdachts von Gewaltdelikten einsitzt (zu seinen bisherigen Vernehmungen vgl. die Berichte vom 11.02.2015 und 23.04.2015). Er legte sich zu Beginn der Vernehmung fest: seine damalige Aussage bei der Polizei habe er sich ausgedacht, die Angeklagten und Böhnhardt und Mundlos habe er noch nie gesehen, er habe sich damals mit aus dem Internet angelesenen Wissen Hafterleichterungen erschleichen wollen: „Ich hab mir gedacht, ich spring mal auf den fahrenden Zug auf und guck, was dabei rauskommt.“

Der Vorsitzende konnte diesen Sinneswandel nicht ganz nachvollziehen, zumal Tödter durchaus Gelegenheit zum Kontakt mit „den Drei“ hatte, u.a. mehrfach bei seinem Bruder in Zwickau zu Besuch war und es auch Verbindungslinien innerhalb der Nazi-Szene gab. Auch aus der Nebenklage kamen Nachfragen – so war Tödter etwa vor seinen Angaben bei der Polizei in der Haft und hatte gar keine Möglichkeit, sich Informationen zum NSU aus dem Internet zu besorgen. Tödter blieb dabei, alles sei aus dem Internet oder selbst ausgedacht gewesen, manches habe ihm auch die Polizei in den Mund gelegt und er habe das „abgenickt“.

Welche der sich widersprechenden Angaben Tödters stimmen, ist schwer zu sagen. Klar ist: es ist unvorstellbar, dass der NSU seine Morde in ganz Deutschland ohne Unterstützung durch Nazis vor Ort durchgeführt hat. Dies gilt insbesondere für die Morde 2006 in Kassel und Dortmund. Die Nebenklage hat hierzu weitere Zeugen benannt – es ist zu hoffen, dass diese für mehr Aufklärung sorgen können als der je nach Laune dreist in die eine oder die andere Richtung lügende Tödter.