Schlechte Stimmung in der Verteidigung Zschäpe und zu Zschäpes Beteiligung am NSU-Bekennervideo
Die Hauptverhandlung begann heute, ohne dass der Antrag der Angeklagten Zschäpe, ihre Verteidigerin Sturm zu entpflichten (vgl. den Bericht vom 10.06.2015), auch nur erwähnt wurde. Allerdings war zu bemerken, dass Zschäpe gegenüber Sturm, aber auch gegenüber den beiden anderen Verteidigern Stahl und Heer demonstrative Ablehnung zeigte. Rechtsanwältin Sturm hatte vergangene Woche dem Gericht mitgeteilt, die von Zschäpe gegen sie erhobenen Vorwürfe seien falsch. Stahl und Heer nahmen ebenfalls in eigenen Schriftsätzen Stellung: die Angaben Zschäpes träfen nicht zu. Zschäpe hat sich beim Gericht bis Mittwoch eine Fristverlängerung zur Stellungnahme erbeten. Sie wolle sich noch anwaltlichen Rat einholen. Eine Entscheidung über den Antrag Zschäpes, in dem bisher lediglich die Entpflichtung von RAin Sturm beantragt und kein möglicher neuer Verteidiger genannt wurde, wird also frühestens nächste Woche fallen.
Heute sagte zunächst ein weiterer BKA-Beamter zu den Raubüberfällen des NSU aus, diesmal zum Überfall auf eine Sparkasse in Zwickau im Spätsommer 2002. Belege für die Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt sind u.a. Übereinstimmungen verwendeter Waffen und Kleidung mit solchen, die in der Frühlingsstraße bzw. im Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden, und Teile der Beute, so z.B. Blankosparbücher, die ebenfalls in der Frühlingsstraße gefunden wurden.
Es folgte ein weiterer Zeuge aus der damaligen Nazi-Szene in Chemnitz. Er hatte bei der Polizei u.a. zur Ideologie von Mundlos ausgesagt, der bei einem Nazi-Konzert geäußert habe, solche Konzerte seien auch politische Ereignisse, und zu einem „viel härteren“ Vorgehen gegen u.a. Juden aufgerufen habe. Heute versuchte der Zeuge – wie so viele vor ihm –, seine damalige Aussage zu relativieren und/oder Erinnerungslücken vorzuschieben, und wurde daher vom Vorsitzenden recht energisch zur Wahrheit ermahnt. Besonders ergiebig war seine Aussage aber auch im Weiteren nicht.
Schließlich sagte ein weiterer BKA-Beamter zu den in der Frühlingsstraße gefundenen Computern aus. Auf einem davon befand sich die Datei einer „Wette“, bei der Zschäpe als Wetteinsatz neben dem Putzen der Wohnung auch „200x Videoclips schneiden“ angeboten hatte. Der Beamte sagte aus, dass sich auf allen Rechnern nur ein einziges Video befand, das aus dem in Frage kommenden Zeitraum stammt und aufwendig geschnitten wurde – das Bekennervideo des NSU. Dies spricht dafür, dass Zschäpe an dem Bekennervideo nicht nur mitgearbeitet hat, sondern dass dieses Video unter den Dreien ein so alltägliches und selbstverständliches Gesprächsthema war wie das Putzen der Wohnung – ein weiteres sehr starkes Indiz für die gleichberechtigte, täterschaftliche Stellung Zschäpes innerhalb des NSU. Hierfür würden auch Aufzeichnungen sprechen, die im Brandschutt der Frühlingsstraße gefunden wurden: auf 49 handbeschriebenen Seiten wurde eine Art Drehbuch des Bekennervideos erstellt, u.a. mit Anmerkungen, welche Clips aus Original-“Paulchen-Panter“-Material Verwendung finden sollten. Die Arbeit an dem Video begann auch ca. ein halbes Jahr nach Erstellung der Datei „Wette“.
Die Verteidigung versuchte, diese Schlussfolgerungen in Frage zu ziehen, ihre Alternativthese: Zschäpe habe möglicherweise aus mitgeschnittenen Fernsehserien die Werbung herausgeschnitten.