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23.04.2015

Der 200. Verhandlungstag – Lügen, verharmlosen und einfach mal zu Hause bleiben

Der 200. Verhandlungstag brachte einmal mehr die Erkenntnis, dass Nazizeugen die Verhandlung beim Oberlandesgericht München nicht besonders ernst nehmen und dass das Gericht das weitgehend durchgehen lässt. Der Zeuge Berndt Tödter meldete sich morgens per Email und teilte mit, er habe erstens eine Magen-Darm-Erkrankung und zweitens dem Gericht nichts mehr zu sagen. Anstatt den Mann nun einfach vorführen zu lassen, wie es in unzähligen anderen Strafverfahren in Deutschland gängige Praxis ist, soll er nun zunächst aufgefordert werden, ein entsprechendes Attest zu seiner angeblichen Erkrankung beizubringen.

Es folgte die Vernehmung einer Frau, die unter dem Spitznamen „Mappe“ Teil der „Blood & Honour“-Szene in Chemnitz gewesen sein soll. Sie erinnerte sich zwar an Mundlos und Zschäpe, die einmal bei ihr übernachtet hätten und sehr viel freundlicher gewesen seien als die anderen Skinhead-„Kameraden“ aus Chemnitz. Ansonsten konnte auch diese Zeugin mal wieder nichts Vernünftiges zur Sachaufklärung beisteuern. Dies erklärt sich wahrscheinlich auch aus dem Umstand, dass sie mit den wichtigsten Protagonisten von „B&H“ Chemnitz bis heute Kontakt hat.

Eine Presseerklärung von 22 NebenklägervertreterInnen zum 200. Verhandlungstag dokumentieren wir hier.

07.10.2014

Erneut „Blood and Honour“ Chemnitz – erneut Leugnen und Verharmlosen

Erneut wurde heute der Chemnitzer Thomas Rothe vernommen, bei dem Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in ihrer Anfangszeit in Chemnitz, direkt nach ihrem Abtauchen, Unterschlupf gefunden hatten. Rothe versuchte weiterhin (vgl. die Berichte vom 01.04.2014 und vom 29.07.2014), alle Fragen mit dumpfem „kann mich nicht erinnern“ abzuwehren. Dies gelang ihm auch erneut, zumindest beim Vorsitzenden Richter Götzl, recht gut.

Die Verteidigung Zschäpe zeigte erneut, offensichtlich angetrieben durch die Unzufriedenheit ihrer Mandantin, etwas mehr an Aktivität und ließ dabei offensichtlich Wissen ihrer Mandantin einfließen. So hielt Rechtsanwältin Sturm dem Zeugen vor: „Nach meinen Erkenntnissen soll Herr Mundlos einmal mehrere Wochen bei Ihnen gewohnt haben.“ Rothe allerdings hatte nicht vor, zur Aufklärung beizutragen, und verneinte auch dies.

Immerhin führte Rothe auf Frage der Verteidigung Zschäpe aus, dass er nicht nur das Trio in Chemnitz aufgenommen hatte, sondern die drei auch in deren späteren Wohnungen in Chemnitz und in Zwickau mehrmals besucht hatte. Mit Mundlos alleine habe er sich in der gesamten Zeit, also über zwei Jahre lang, öfter getroffen, sie seien Freunde gewesen. Mundlos habe ihm auch ein paarmal bei Layoutproblemen am Computer geholfen – vermutlich bei Layouts seines eigenen Naziblättchens „Sachsens Glanz“ oder des „B&H“-Blattes White Youth.

Es war wieder mal der Nebenklage vorbehalten, die Einbindung des Zeugen in die militante Naziszene herauszuarbeiten. Rothe war in einem Zeitraum von zwei Jahren zumindest „Anwärter“ bei „Blood & Honour“, kannte die wichtigen Leute, beteiligte sich nicht nur an Konzerten, sondern auch am Layout von Publikationen. Durch sein eigenes Fanzine „Sachsens Glanz“, so schilderte er, wurden ihm viele andere Zeitschriften und Tonträger zugeschickt. Die in seinem Heft nachzulesenden Besprechungen von Fanzines und Musik zeigen eine Sammlung der aggressivsten, gewaltverherrlichenden neonationalsozialistischen Propaganda der damaligen Zeit.

An einer Stelle log Rothe nachweislich: mehrfach gab er an, er habe erst durch die Fernsehsendung „Kripo live“ am 22.02.1998 erfahren, dass „die Drei“ u.a. wegen dem Aufhängen einer Puppe gesucht wurden. Mit den dreien selbst habe er darüber nicht gesprochen. In der „Kripo Live“-Sendung, die in einer früheren Hauptverhandlung bereits vorgeführt wurde, taucht allerdings der Puppentorso an der Autobahnbrücke gar nicht auf.

Die nachfolgende Vernehmung eines Polizeibeamten, der Enrico Theile vernommen hatte, brachte nichts Neues.

Zum Abschluss gab die Nebenklage eine Erklärung zur Vernehmung Tino Brandt ab und betonte die Bedeutung von Brandts Aussage zur „Gesinnungsgemeinschaft der neuen Front“ (vgl. Blog vom 30.09./01.10.2014).

Die Bundesanwaltschaft nahm Stellung zu Beweisanträgen der Nebenklage und erklärte sich mit der Vernehmung mehrerer Zeugen einverstanden. Dies betrifft insbesondere GndF-Kader Kai Dalek, der auch lange Jahre V-Mann des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz war.