Mehr Theater von der Verteidigung Zschäpe, und Erkenntnisse zur Nähe André Emingers zum Trio
Der Verhandlungstag begann heute zunächst wieder mit Theater: Der Vorsitzende fragte, ob er über den gestrigen Antrag zur Sitzordnung wirklich entscheiden müsse oder ob die Verteidigung sich so einigen könne. Rechtsanwalt Heer erwiderte, wie man es von ihm gewohnt ist: er sei dazu eigentlich bereit, aber jetzt wo Zschäpe einen weiteren Entbindungsantrag gegen ihn gestellt habe, sei das vielleicht nicht mehr aktuell. Rechtsanwalt Grasel reagierte und stellte den Antrag zur Sitzordnung klar – Heer sollte jetzt noch einen Platz weiter von Zschäpe entfernt sitzen. So wurde es gemacht, und bis die erste Zeugin erschien, war es dann 10:15 Uhr. Die Verteidigung, die sonst so auf dem Beschleunigungsgrundsatz herumreitet, hatte also mit ihrem kindischen Streit mal wieder die Zeit aller Beteiligten verschwendet. Über den neuen Antrag auf Entpflichtung Heers, der bislang nicht allen Prozessbeteiligten zur Kenntnis gegeben wurde, wird das Gericht wohl außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden.
Die erste Zeugin heute war eine BKA-Beamtin, die u.a. zur NSU-DVD und zu dem sogenannten NSU-Brief, den die Organisation im Jahr 2002 an andere Nazis versandt hatte, ermittelt hatte. Sie hatte allerdings, wie häufig beim BKA, nur die Erkenntnisse anderer KollegInnen zusammengefasst und konnte insoweit wenig Neues berichten. Zudem berichtete sie – auch
wieder die Erkenntnisse anderer BeamtInnen zusammenfassend – über die Fahrt von Beate Zschäpe nach Niedersachsen im Sommer 2011, um den Reisepass für Uwe Mundlos bei Holger Gerlach abzuholen (s. den Bericht vom 14.07.2015).
Schließlich hatte sie auch noch eine in der Frühlingsstraße gefundene DVD untersucht. Diese dürfte vom Angeklagten André Eminger stammen, denn es fanden sich darauf diverse Nazi-Bücher, die auch auf dem Rechner Emingers gefunden wurden, und private Bilder der Emingers. Es fand sich auch eine mit einem Bildbearbeitungsprogramm bearbeitete Datei mit dem Bild von Rudolf Hess und dem an das NSU-Video erinnernden Slogan „Es ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage.“ Damit belegt diese CD nicht nur die enge personelle Verbindung Emingers zum Trio, sondern der Spruch spricht auch für eine engere Einbindung in Ideologie und Taten des NSU, als die Anklage annimmt.
Am Rande der Aussage stellte sich heraus, dass Bundesanwaltschaft und BKA ein „Nachfolgeverfahren“ zu der beim verstorbenen V-Mann Thomas Richter alias Corelli gefundenen CD „NSU-NSDAP“ führen (s. blog vom 29.04.2014).
Es folgte Henning H., neben dem Trio, Wohlleben und Kapke Beschuldigter in einem Verfahren aus den Jahren 1996/1997 wegen diverser Bomben bzw. Bombenattrappen in Jena. Bei ihm zu Hause war eine selbstgebaute Rohrbombe gefunden worden. Er behauptete, diese Bombe – gefüllt mit Nägeln und Schrauben! – sei als Sylvesterkracher gedacht gewesen, er – damals 29 Jahre alt – habe sie zum Jahreswechsel in einem Jugendclub zünden wollen. Allerdings ergaben die Ermittlungen auch keine konkreten Hinweise auf Kontakt zu Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt und Wohlleben. H. war allerdings befreundet mit den Betreibern des Szeneladens Madley’s, Liebau und Schultz, und war mit diesen mehrfach auf Nazi-Konzerten in Chemnitz – jedes Mal stark betrunken, wie er zur Begründung seiner mangelnden Erinnerung zu seinen Begleitern betonte.
Wie zu erwarten, ergab seine Befragung heute wenig Neues, er blieb bei seinen Angaben. Ob sich hinter all dem mehr verbirgt oder ob H tatsächlich, so wie er das darstellt, nur ein rechter Alkoholiker war, der zufällig auch eine Rohrbombe gebaut hatte – das ließ sich nach den halbherzigen Ermittlungen, sowohl in den 1990ern als auch nach 2011, heute nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg hinterfragen.