Das Zwangsverteidiger-Trio beantragt seine Entpflichtung – ohne Begründung
Der Verhandlungstag begann heute mit Anträgen der drei Pflichtverteidiger Heer, Stahl und Sturm, sie von der Verteidigung zu entbinden. „Begründet“ wurden diese Anträge nur mit einer anwaltlichen Versicherung, dass sog. „wichtige Gründe“ für eine Entbindung vorlägen. Mehr könne man wegen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht nicht sagen, man könne Zschäpe auch nicht raten, die drei insoweit von dieser Pflicht zu entbinden. Rechtsanwältin Sturm ergänzte, Zschäpe seien die Gründe hierfür „teilweise“ schon bekannt. Nach zahlreichen Unterbrechungen, Stellungnahmen und Erläuterungen lehnte der Vorsitzende Richter die Anträge schließlich ab.
Der Antrag konnte in dieser Form keinen Erfolg haben, denn er enthielt keine Begründung. Die anwaltlichen Versicherungen der VerteidigerInnen reichen nicht aus: Es ist schon sehr fraglich, ob man überhaupt eine rechtliche Wertung – dass wichtige Gründe vorlägen – anwaltlich versichern kann. Hinzu kommt, dass die drei noch vor wenigen Wochen, als Zschäpe von sich aus die Entpflichtung von Rechtsanwältin Sturm beantragt hatte, ausführlich dargelegt hatten, warum aus Ihrer Sicht kein Grund für eine Entpflichtung vorliege.
Ob der Antrag nur gestellt wurde, um nach dem unwürdigen Schauspiel über den Entbindungsantrag Zschäpes wenigstens das noch verbleibende Ansehen von Heer, Stahl und Sturm zu retten, oder ob diese tatsächlich aus der Verteidigung entlassen werden wollen, ist unklar. Klar ist aber, dass alle drei alles getan haben, damit ihr Antrag keinen Erfolg haben kann. Besonders weit ging insoweit Rechtsanwalt Heer: Dieser hatte in seinem Antrag dem Vorsitzenden Richter vorgeworfen, er habe ihn mehrfach davor gewarnt, dass „solche Bedingungen eintreten werden“, diese Warnungen seien „in den Wind geschlagen“ worden. Er weigerte sich dann aber, auch auf ausdrücklichen Hinweis, dass diese Gespräche ja wohl kaum der Schweigepflicht unterliegen können, diesen kryptischen Vorwurf in irgendeiner Form zu spezifizieren. Der neue vierte Verteidiger Grasel erklärte, dass Zschäpe sich nicht weiter äußern werde, tat also seinerseits das Notwendige, damit das Gericht die Anträge ablehnen kann.
Nach der Mittagspause reagierte der Vorsitzende auf das widersprüchliche Verhalten von vor allem Rechtsanwalt Heer, indem er kurz mehrere Gespräche der drei Verteidiger mit dem Gericht zusammenfasste: u.a. hatten diese geäußert, zu dritt hätten sie der Mandantin noch „Grenzen setzen“ können, das sei jetzt nicht mehr möglich, sie befürchteten, die Beiordnung eines vierten Verteidigers könnte diese zu weiteren Entpflichtungsanträgen animieren. Der Bericht über solche Hinterzimmergespräche offenbarte natürlich ein Verständnis von Strafverteidigung, das mit dem, das die drei in ihren Anträgen vor sich her trugen, nicht ansatzweise in Einklang zu bringen ist – vom naheliegenden Verstoß gegen die anwaltliche Schweigepflicht ganz zu schweigen. So teilte auch Rechtsanwalt Grasel mit, diese Angaben hätten bei Zschäpe zu „Befremden“ geführt.
Grasel bezog sich stattdessen auf einen Antrag, den seine Mandantin heute Morgen schriftlich gestellt hatte: darin bat sie um eine Entscheidung des Gerichts über die Sitzordnung innerhalb der Verteidigung, da Rechtsanwalt Heer sich weigere, seinen Platz direkt an der Richterbank aufzugeben.
Die Begründung, mit der der Vorsitzende den Antrag ablehnte, fiel dann auch relativ kurz aus. Damit bleiben Heer, Stahl und Sturm im Verfahren. Es besteht nach alledem derzeit keinerlei Grund zu der Befürchtung, der Prozess könne „platzen“, also ausgesetzt werden und neu angefangen werden müssen.
Im Anschluss wurde am späten Nachmittag noch die Befragung eines Zeugen fortgesetzt, der bereits am 29.04.2015 vernommen worden war. Seine Vernehmung erfolgte allerdings mehr oder weniger formal, um an diesem Verhandlungstag das Verfahren überhaupt noch zu fördern, und wurde nach relativ kurzer Zeit erneut unterbrochen, der Zeuge wird nochmals anreisen müssen. Nach dem zum Teil ins Kindische abgleitenden Geplänkel der Verteidigung Zschäpe machte ein Zitat dieses Zeugen, der 1996/1997 mit einer Falschaussage Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und Wohlleben ein Alibi verschafft hatte, deutlich, um was es in diesem Prozess eigentlich gehen muss: „Ich habe das alles zugegeben, dass das nicht richtig war. Und im Endeffekt, es geht hier um feige Morde, es geht um brutale Banküberfälle.“