Plädoyer der Verteidigung Gerlach: ganz gut gemacht, aber vom eigenen Mandanten widerlegt
Heute hielt die Verteidigung Gerlach ihr Plädoyer. Und wenn auch dieses Plädoyer im Ergebnis nicht überzeugen kann und Gerlach nicht vor der verdienten Verurteilung retten wird, kann man jedenfalls zu den Ausführungen von Rechtsanwalt Hachmeister sagen: das war jedenfalls mal ein Plädoyer. Auch Gerlachs Verteidiger griffen „politische Kreise an“, die das Verfahren für politische Zwecke nutzen wollten, und vertraten abwegige Thesen wie die, vor den 2000ern habe man sich doch nie mit rechtem Terror auseinandersetzen müssen. Aber sie unternahmen immerhin auch einen wirklichen Versuch, das Gericht zu überzeugen, setzten sich tatsächlich in einiger Tiefe mit den von der Bundesanwaltschaft vorgebrachten Indizien auseinander.
Hachmeister beklagte zunächst den auf dem Verfahren lastenden „erheblichen Pönalisierungsdruck“ und schilderte die Befürchtung seines Mandanten, als „Sündenbock“ für die Taten von Böhnhardt und Mundlos herhalten zu müssen, weil die eben nicht mehr bestraft werden können. Nun stellt sich gerade in Bezug auf Gerlach die Frage, wie hoch denn dieser Druck wirklich ist – die Forderung der Bundesanwaltschaft, fünf Jahre Freiheitsstrafe, zeugt ja nicht von blindem Bestrafungseifer. Im Gegenteil kann man die These vertreten, dass gerade Gerlach von den wenig eifrigen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im Umfeld des NSU-Kerntrios profitiert hat, denn bei ihm als altem Freund und treuen Kamerad der drei Personen, der mit ihnen bis 2011 in stetigem Kontakt war und sich regelmäßigen „Systemchecks“ unterzog, ließe sich statt einer Unterstützung des NSU durchaus auch an eine Mitgliedschaft in der Organisation denken.
Da es aber nun eben wenige objektive Beweismittel zum Verhältnis von Gerlach zu den drei Personen gibt, konnte die Verteidigung ihn recht gut als jemand darstellen, der aus alter Freundschaft zu Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos diese beim Leben in der Illegalität unterstützen wollte, dabei auch Straftaten zur Aufrechterhaltung dieses Lebens in Kauf nahm, aber nie mit einer Begehung von Morden und Sprengstoffanschlägen gerechnet habe. Er sei daher im Ergebnis nur wegen eines Falles der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (wegen der Banküberfälle) zu bestrafen, und zwar aus Sicht der Verteidigung zu einer Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren. Gerlach selbst habe aber darum gebeten, kein konkretes Strafmaß zu beantragen, er sei bereit, die vom Gericht verhängte Strafe zu akzeptieren. RA Rokni-Yazdi machte dann noch Ausführungen dazu, dass auch bei einer Strafe von unter zwei Jahren und trotz guter Sozialprognose für Gerlach von der Strafaussetzung zur Bewährung abgesehen werden könnte, und zwar „zur Verteidigung der Rechtsordnung“ wegen der besonderen Bedeutung des NSU an sich. Dies ist eine klare Einladung an das Gericht, Gerlach zu einer kurzen Strafe von ein oder eineinhalb Jahren, dafür aber eben ohne Bewährung, zu verurteilen.
Nun hörten sich die Argumente, mit denen v.a. Rechtsanwalt Hachmeister Gerlach als ahnungslos hinsichtlich der Morde und Sprengstoffanschläge darstellte, abstrakt durchaus hörenswert an, und er vermochte es durchaus, aus dem Fehlen vernünftiger Ermittlungsergebnisse Kapital zu schlagen. Indes hat sein Mandant selbst ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht: Der hat nämlich nicht nur gestanden, dass er dem NSU-Kerntrio 2001/2002 eine Schusswaffe überbracht hat, sondern hat auch mitgeteilt, er habe den dreien damals gesagt, man könne sich doch nicht anmaßen, mit fünf Leuten die Welt zu retten. Wie dieser Satz, vor allem die Zahl fünf, zu verstehen ist, haben zuletzt die Verteidiger Carsten Schultzes dargestellt: er beschreibt den NSU als logische Folge der Kameradschaft Jena und der in dieser geführten Diskussionen um den Einsatz von Waffengewalt zur Durchsetzung politischer Ziele, drei „untergetauchte“ Personen, die Gewaltstraftaten begehen, werden von zwei in der Legalität verbliebenen Personen – nämlich Gerlach und Wohlleben, André Kapke als letztes Mitglied des engen Kerns war wegen interner Unterschlagungsvorwürfe raus – als „legaler Arm“ unterstützt. Gerlach selbst hat also eingeräumt, dass er die folgenden Straftaten sehr wohl vorhersehen konnte, will aber versucht haben, „denen“ diese Taten auszureden. Von einem Erfolg dieser Überredungsversuche hat er nicht berichtet, dennoch hat er dem NSU-Kerntrio nach der Waffe mehrfach Identitätspapiere geliefert und sich auf angebliche Zusagen, mit denen werde „kein Scheiß passieren“, verlassen. Damit hat Gerlach selbst auch den für eine Verurteilung notwendigen Vorsatz gestanden und wird verurteilt werden, daran hätte kein noch so gutes Plädoyer etwas ändern können.
Dass auch einige der Argumente der Verteidiger inhaltlich nicht so ganz hinkommen, ist dann eher nebensächlich, eines ist aber durchaus erwähnenswert: sowohl Hachmeister als auch Rokni-Yazdi hatten geschildert, wie ungerührt Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt den „Ausstieg“ Gerlachs aus der Nazi-Szene entgegengenommen hätten. Nun mag das daran liegen, dass es mit diesem Ausstieg nicht so besonders weit her war, wurden doch auf dem 2011 in Gerlachs Wohnung beschlagnahmten PC und Telefon zahlreiche Nazi-Musikstücke und -bilder, Besuche auf Neonazi-Webseiten, eine Einladung zu einem „Hammerskin“-Festivals usw. gefunden; einem Beweisantrag der Nebenklage dazu, dass Gerlach nach dem „Ausstieg“ auch noch an mindestens drei Nazi-Demos teilgenommen hatte, war das Gericht nicht nachgekommen.
Es bleibt also festzuhalten, dass auch das handwerklich in Teilen durchaus gelungene Plädoyer seiner Verteidiger Gerlach im Ergebnis nichts nützen wird.
Das Verfahren geht weiter am Dienstag, 15. Mai mit dem Plädoyer der Verteidigung Wohlleben.