Plädoyer der Verteidigung Eminger: überzeugter Nationalsozialist, aber ahnungslos.
Bevor heute die Verteidigung Eminger ihr Plädoyer hielt, erklärte der erst Anfang April als weiterer Verteidiger hinzugekommene Rechtsanwalt Sprafke per Presseerklärung, er habe soeben das Mandat zu André Eminger niedergelegt. „Aufgrund sachlich divergierender Ansichten zwischen Verteidiger und Mandant, wie die weitere Verteidigung anzulegen sei“, sei die Mandatierung zu beenden gewesen. Der insgesamt ziemlich unglückliche Auftritt des Karlsruher Verteidigers ist damit Geschichte, weitere Verzögerungen sind nicht mehr zu erwarten.
Die beiden Verteidiger des Angeklagten Eminger, Kaiser und Hedrich, hielten dann abwechselnd das gemeinsame Plädoyer. Im Ergebnis forderten sie einen vollständigen Freispruch für ihren Mandanten. Eminger sei sicherlich ein überzeugter Nationalsozialist, ihm sei allerdings keine strafbare Handlung nachgewiesen worden.
Den beiden Verteidigern dürfte dabei klar sein, dass sie mit dieser Bewertung der Beweissituation weitgehend alleine dastehen. Immerhin hat das Gericht Eminger im vergangenen Herbst in Untersuchungshaft genommen wegen des dringenden Tatverdacht nicht nur bezüglich der Beihilfe zum bewaffneten Raub, sondern auch zum versuchten Mord beim Bombenanschlag auf den Lebensmittelladen in der Kölner Probsteigasse.
Die Verteidigung fasste zunächst sehr ausführlich das Plädoyer der Bundesanwaltschaft und den Gerichtsbeschluss zusammen und brachten dann ihre Gegenargumente an, die allesamt nicht überzeugen können:
Die nachgewiesenen Unterstützungshandlungen Emingers, beispielsweise die Beschaffung der Bahncards, seien für keine konkrete Straftat zwingend notwendig gewesen. Dabei verkennt die Verteidigung, dass natürlich die mit der Bahncard erleichterte Mobilität für das gesamte klandestine Leben von Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos, also auch für die Begehung und Planung der Straftaten, notwendige Voraussetzung war.
Es sei nicht nachgewiesen, dass die von Eminger bzw. unter Nutzung seiner Papiere angemieteten Fahrzeuge auch tatsächlich zur Durchführung der beiden Raubüberfälle sowie des Bombenanschlages in Köln genutzt wurden. Dabei lässt die systematische Anmietung von Wohnmobilen in engem Zusammenhang mit von Böhnhardt und Mundlos durchgeführten Raubüberfällen, Morden und Sprengstoffanschlägen natürlich den Schluss zu, dass auch die von Eminger angemieteten Wohnmobile für die hier in Rede stehenden Straftaten verwendet wurden. Es ist – entgegen dem Plädoyer der Eminger-Verteidiger – gerade nicht naheliegend, dass mit den gemieteten Fahrzeugen eine Urlaubsreise unternommen wurde, während Böhnhardt und Mundlos mit einem anderen Fahrzeug zu den Tatorten fuhren.
Die Bombe in Köln sei erst abgelegt worden, als das Wohnmobil schon wieder beim Vermieter abgegeben worden war. Diese Behauptung basiert auf unklaren Angaben der Geschädigten zum Tag der Ablage, auch in der Hauptverhandlung konnte der Ablagetag nicht genau eingegrenzt werden. Damit stehen diese etwas ungenauen Angaben einer Beihilfe Emingers also gerade nicht entgegen. Nachdem zudem Beate Zschäpe in ihrer schriftlichen Erklärung angegeben hat, dass ihr Böhnhardt und Mundlos vom Bau der Bombe, dem Verbringen nach Köln und der Ablage in dem Laden erzählt haben, spricht alles dafür, dass es eben das von Eminger gemietete Fahrzeug war, das die beiden für den Transport der Bombe nach Köln nutzten.
Weitere klar belegte Unterstützungsleistungen, wie die Zeugenaussage bei der Polizei Zwickau nach einem Wasserschaden in der Wohnung, bei der Eminger Zschäpe als seine Frau ausgab, seien erst nach dem letzten Mordanschlag erfolgt, zu diesem Zeitpunkt habe es sich beim NSU aber, weil nur noch Raubüberfälle durchgeführt wurden, gar nicht mehr um eine terroristische Vereinigung gehandelt. Die behauptete „Auflösung“ der terroristischen Vereinigung NSU im Jahr 2007, die die Verteidigung mit einer wilden Parallele zu heute noch abgetauchten vermeintlichen RAF-Mitgliedern erläuterte, die nach Auflösung der RAF heute noch Raubüberfälle begingen, ist nicht mehr als eine Behauptung und wird nicht zuletzt durch das Selbstbekennungs-Video, das Beate Zschäpe 2011 wie geplant versandte, widerlegt.
Auf Emingers Computer sei zwar eine Ausgabe der „Turner-Diaries“ gefunden worden, die der GBA als „Blaupause“ des NSU bezeichnet, die tatsächliche Blaupause sei allerdings das „Field Manual“ der Organisation Combat 18, das nicht aufgefunden wurde. Irgendein Argument, warum jetzt nur das eine und nicht alle der inhaltlich sehr ähnlichen Bücher als Blaupause gedient haben sollten, brachte die Verteidigung nicht vor. Zudem hat sich der Angeklagte Eminger, insbesondere in dem von ihm und seinem Bruder herausgegebenen Fanzine „The Aryan Law and Order“, so eindeutig für den bewaffneten Kampf gegen Nichtdeutsche ausgesprochen, dass auch insoweit an seinem Vorsatz, seiner Bereitschaft, Mordaktionen des NSU zu unterstützen, kein Zweifel bestehen kann.
Das Plädoyer der Verteidigung Eminger brachte insgesamt kein Argument, das nicht schon in der Auseinandersetzung um den Erlass des Haftbefehls im vergangenen Herbst genannt worden wäre. Es gibt also keinen Grund zu der Annahme, das Gericht werde in seinem Urteil zu einer anderen Einschätzung kommen als im Haftbeschluss.
Allerdings wurde offenbar, was die Verteidigung Eminger in den vergangenen fünf Jahren nicht gemacht hat. Wenn nunmehr vorgetragen wird, es sei auch möglich, dass nicht André Eminger, sondern sein Bruder Maik, der ebenfalls militanter Neonazis ist und zum damaligen Zeitpunkt auch vor Ort lebte, die Fahrzeuge mit Andrés Papieren angemietet hat, so wird dies im Plädoyer zum ersten Mal in den Raum gestellt. Maik Eminger hatte in seiner Vernehmung am 29.07.2014 jedenfalls die Aussage nicht mit der Begründung verweigert, dass er sich selbst belasten könnte, sondern, weil er gegen seinen Bruder nicht aussagen muss. Kein Zeuge und auch nicht André Eminger selbst hat jemals die Behauptung oder Vermutung geäußert, sein Bruder Maik könne Papiere von André Eminger benutzt haben – zumal die Beweisaufnahme keinerlei Hinweise auf Kontakte von Maik Eminger zum NSU-Kerntrio ergeben hat. Das Gericht wird sich angesichts dessen nicht intensiv mit dieser hypothetischen Möglichkeit auseinandersetzen müssen.
Auch die heute aufgestellte Behauptung, André Eminger sei zum Tatzeitpunkt im Jahr 2000 noch sehr unreif, noch nicht erwachsen und damit natürlich auch kein überzeugter Neonazi gewesen, wurde zu keinem Zeitpunkt untermauert. Es hätte ja durchaus die Möglichkeit bestanden, Zeugen zu genau diesem Thema zu höre, Anträge dazu wurden allerdings nicht gestellt. Auch heute verblieb es im Wesentlichen bei der Behauptung, man wisse ja nicht, wann Eminger sich das „Die Jew Die“-Tattoo habe stechen lassen, und der darin mitschwingenden Annahme, davor könne Eminger ja kein „überzeugter“ Nationalsozialist gewesen sein. Insoweit brachte das Plädoyer der Verteidigung Eminger auch an dieser Stelle keine wirklichen Argumente gegen eine Verurteilung, sondern beschränkte sich auf ein bloßes Leugnen.