16.09.2015

Zur frühen Zeit der Kameradschaft Jena

Einziger Zeuge heute war Tom Turner, der mit dem Trio, Wohlleben, Gerlach und anderen die Kameradschaft Jena gegründet hatte, dann aber nach einigen Monaten ausgetreten war, weil ihm die ernsthaften Strukturen in der Kameradschaft zu eng wurden und er sich lieber seiner Skinhead-Band widmen wollte. Turner war schon mehrfach geladen, aber bisher nie erschienen, hatte sich beim letzten Anlauf krank gemeldet. Heute erschien er und sagte auch recht umfassend aus. Seine Vernehmung wurde allerdings am frühen Nachmittag unterbrochen und wird im Oktober fortgesetzt.

Turner hatte schon bei der Polizei recht ausführlich zu den ideologischen Grundlagen der Kameradschaft Jena ausgesagt. Demzufolge war Mundlos ein überzeugter und unerbittlicher Nationalsozialist, der bei politischen Themen kein Einlenken kannte, Böhnhardt hatte einen „Waffentick“ und neigte schon damals zu Gewalttätigkeiten. Auch Beate Zschäpe war „natürlich“ von Anfang an dabei, auch wenn sie sich damals nicht mit inhaltlichen Statements hervortat. Wohlleben und Kapke teilten Mundlos‘ politische Auffassung, auch Gerlach war von Anfang an vollwertiges Mitglied der Kameradschaft. Turner hatte auch berichtet, dass die Kameradschaft sich Videos von militanten Nazi-Strukturen aus Skandinavien angeschaut und danach Diskussion über Gewalt geführt hatte – von diesen hatte ja auch schon der Angeklagte Gerlach in seiner Einlassung berichtet.

All das bestätigte Turner heute im Grundsatz, versuchte aber hier und dort, einen relativierenden Halbsatz einzuflechten – möglicherweise hat er, der nicht mehr in Nazi-Strukturen aktiv ist, Angst vor Racheakten seiner früheren „Kameraden“, wenn er Zschäpe mit seiner Aussage belastet.

Nach seiner Vernehmung folgte ein längerer Antrag seitens der Nebenklage zu den beim Brandenburger Verfassungsschützer Görlitz beschlagnahmten Unterlagen (vgl. den Beitrag vom  29.07.2015) – das Brandenburger Innenministerium hatte diese Unterlagen mit zum Teil abenteuerlicher „gesperrt“, die Nebenklage forderte das Gericht auf, hier beim Ministerium auf eine Änderung hinzuwirken. Außerdem soll das Ministerium aufgefordert werden, die weiteren Unterlagen, die Görlitz zur Vorbereitung auf seine Aussage genutzt hatte, zur Verfügung zu stellen. Angesichts der abenteuerlichen „Erinnerungslücken“ Görlitz‘ und der Bedeutung, die die Informationen seines V-Mannes Szczepanski für den Fall haben können, bleibt zu hoffen, dass das Gericht diesen Anträgen nachgeht.