24.09.2015

Die Mühen der Ebene II – DNA-Spuren stützen Netzwerk-Theorie

An zwei Tagen referierte der beim Bundeskriminalamt arbeitende Sachverständige Dr. Proff die Untersuchungen von Gegenständen auf DNA-Spuren, vor allem aus der Frühlingsstraße sowie dem Wohnmobil, in dem Böhnhardt und Mundlos starben Der Sachverständige erklärte zunächst die Untersuchungsmethode und Probleme bei dieser Art der Untersuchung, die sich insbesondere aus der Vermischung von DNA-Material verschiedener Personen ergeben.

Für den Angeklagten Eminger ergibt sich eine Besonderheit, weil er einen Zwillingsbruder hat. Wenn die Behauptung, die beiden seien eineiige Zwillinge, zutrifft, ist ihre DNA identisch.

Viele der in den zwei Tagen aufwändig dargestellten Untersuchungsergebnisse haben im Prozess bereits Beachtung gefunden und wurden auch in diesem Blog schon behandelt: die Spuren von Beate Zschäpe auf Seiten des Zeitungsarchives des NSU, zahlreiche Spuren von Böhnhardt und Mundlos an Waffen. Diese Ergebnisse stützen die bisherige Beweisaufnahme: Böhnhardt und Mundlos benutzten die gefundenen Fahrräder, Bekleidung, Masken und Waffen für die Straftaten des NSU. Zschäpe war nicht direkt an den Morden und Überfällen beteiligt, aber in die Organisation des alltäglichen Lebens, die Beschaffung von Papieren, Unterkunft, Mietwagen und die Aufrechterhaltung des Lebens im Untergrund beteiligt.

Es fanden sich aber im Wohnmobil in Eisenach auch an einer PET-Flasche Spuren von Zschäpe und Böhnhardt und zwei Socken mit Spuren von Zschäpe. Möglicherweise war also Zschäpe auch in dem Fahrzeug. Eine bislang nicht vernommene Zeugin hat gegenüber der Polizei angegeben, am Tag vor dem Überfall in Eisenach ein Wohnmobil mit einer Frau gesehen zu haben, die Zschäpe geähnelt habe.

Aber auch die Aussage der Nebenklage, dass der NSU nicht aus einer Kleinstgruppe von drei Personen bestand, sondern eingebunden war in ein Netzwerk aktiver Nazis, wurde gestärkt. An Schuhen von Beate Zschäpe, die diese auf ihrer Flucht trug, fanden sich Spuren von Susan Eminger, das Kind von André und Susan Eminger hielt sich bei dem Trio auf. Eine Spur beweist auch, dass mindestens ein weiteres Kind, das nicht mit den Angeklagten und den bislang bekannten Unterstützern verwandt ist, Kontakt zu der Gruppe hatte. Und an 19 Zigarettenkippen im Keller der Wohnung Frühlingstrasse wurden Spuren einer weiteren bislang unbekannten Frau gefunden. Auch an einem Revolver und einer Handgranate aus dem Wohnmobil fanden sich Spuren mindestens einer unbekannten Person.

Ebenso fanden sich auf in der Brandwohnung aufgefundenen Ausspähnotizen und Kartenmaterial DNA-Spuren weiterer bislang unbekannter Personen, vor allem an den Ausspähnotizen zu Kassel, wo 2006 der Mord an Halit Yozgat verübt wurde. Dies legt nahe, dass weitere Mittäter zumindest in die Suche nach Opfern und geeigneten Tatorten eingebunden waren. Bisher wurden jedoch alle Anträge der Nebenklage, eine Beweisaufnahme zu möglichen Kontakten des NSU zu bewaffneten Nazigruppen durchzuführen, insbesondere auch nach Dortmund und Kassel, abgelehnt.

Einen Blick in die Psyche von Uwe Mundlos erlaubte die Untersuchung einer Jogginghose aus der Frühlingsstraße. Diese hatte er mit großer Wahrscheinlichkeit getragen, es fanden sich seine Körperzellen an der Hose selbst und an Zellstofftüchern in der Hosentasche. An den Hosenbeinen fanden sich Blutspuren der ermordeten Polizeibeamtin Michelle Kiesewetter, die Hose wurde also bei dem Mordanschlag in Heilbronn getragen. Der Sachverständige gab an, Aussehen der Hose und Qualität der DNA-Spur ließen den Schluss zu, dass diese Hose seitdem nicht gewaschen wurde. Dass die Hose von Mundlos quasi als Trophäe aufbewahrt wurde, ist natürlich nicht eindeutig zu beweisen. Es wird aber erneut deutlich, dass die Gruppe in ihrem Alltagsleben fast keine Anstrengungen unternahm, Beweismittel zu vernichten, im Gegenteil auch praktisch unbrauchbare Gegenstände, die aus ihren Taten stammten, aufbewahrte.

Dagegen fanden sich an den zahlreichen CDs mit dem „Bekennervideo“ praktisch keine Spuren, hier wurde offensichtlich sehr vorsichtig gearbeitet. Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und ihre Mittäter scheinen sich also sehr sicher gefühlt und keine Angst vor Entdeckung gehabt zu haben.