30.09.2015

Ablehnung weiterer Beweisanträge – OLG verweigert weitere Aufklärung

Die ersten ZeugInnen heute waren zwei PolizeibeamtInnen, die den Taxifahrer befragt hatten, der angab, er habe im Juni 2011 Beate Zschäpe von der NSU-Wohnung in Zwickau zum Bahnhof gefahren – diese Fahrt entsprach einer Internetrecherche auf dem Rechner Zschäpes zu einer Zugverbindung zum Wohnort des Angeklagten Gerlach (vgl. den Bericht vom 02.09.2015). Sie gaben an, der Zeuge habe seine Erinnerung so geschildert, wie in ihrem Vermerk niedergelegt – er habe Zschäpe am Morgen des 16.6.2011 morgens zum Bahnhof gebracht, außerdem habe er einige Wochen vorher einmal Uwe Böhnhardt gefahren. Die Versuche von Zschäpe-Verteidiger Rechtsanwalt Stahl, Widersprüche in die BeamtInnen hineinzufragen, zeichneten sich wieder einmal mehr durch Aufgeregtheit als durch Substanz aus.

Es folgte ein Beamter, der Fotos zu den Tätowierungen von André Eminger ausgewertet hatte. Auf Emingers Körper findet sich das volle Programm von Hardcore-NS-Sprüchen: ein SS-Totenkopf, der NS-Leitspruch „Du bist Nichts, Dein Volk ist alles“ in Runen, der Hitlerjugend-Leitspruch „Blut und Ehre“ (vgl. engl. „Blood and Honour“), der Name der von ihm mitbegründeten „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ sowie, als krönender Abschluss in großen Buchstaben auf dem Bauch, „Die, Jew, Die“ („Stirb, Jude, Stirb“). Diese Sprüche zeigt er auch gerne in der Öffentlichkeit, das zeigen Urlaubsfotos vom Strand. Während der Angeklagte im Verfahren schweigt, zeigt sein Körper umso deutlicher, dass Eminger genau die Ideologie fanatisch vertritt, die auch Grundlage der Morde und Anschläge des NSU war.
Nach der Mittagspause erfolgte ein zweiter Schwung von Beschlüssen, mit denen Beweisanträge der Nebenklage aus den vergangenen zwei Jahren abgelehnt wurden.

Erstaunlich war an den teilweise schablonenhaft formulierten Beschlüssen nicht die Tatsache, dass die Beweisanträge abgelehnt wurden – der Antrag zu den Combat 18-Aktivitäten der Dortmunder Naziszene wurde ja bereits am 6.11.2014 gestellt, es war also offensichtlich, dass das Gericht ihm nicht nachgehen wollte. Überraschend war eher, wie leicht es sich das Gericht nun macht, mögliche Kontakte organisierter Nazis an den Tatorten zum NSU und damit eine Einbindung in die Taten als für das Münchner Verfahren bedeutungslos abzutun. Dabei muss sich das Gericht nun entscheiden, ob es die Aufklärung der terroristischen Vereinigung NSU und der durch diese begangenen Straftaten oder doch nur die Verurteilung der in München angeklagten Mitglieder und Unterstützer zum Ziel hat. In den vergangenen zwei Jahren hatte der Vorsitzende Richter immer wieder Interesse an einer tatsächlichen Aufklärung gezeigt, nun scheint sich das Gericht darauf festgelegt zu haben, jedenfalls die möglichen Kontakte zu Nazistrukturen an den Tatorten sowie zur Existenz eines bundesweiten Netzwerkes bewaffneter Zellen aus dem Prozess heraushalten zu wollen. Entsprechend wurde auch ein Beweisantrag auf Beiziehung der sogenannten „NSU-NSDAP“-CD, die der verstorbene V-Mann Thomas Richter geliefert hatte, abgelehnt.

Die Nebenklage wird mit Sicherheit nochmals deutlich machen, warum eine solche, sehr eng an die – in Teilen, soweit sie den NSU als isolierte Gruppe darstellen will, ja schon widerlegte – Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gelehnte Sicht der Dimension des Strafverfahrens nicht gerecht wird. Darüber hinaus wird die Nebenklage natürlich mit weiteren Anträgen versuchen, möglichst umfassende Aufklärung zu erzwingen.