Schlagwort-Archive: Eminger

25.04.2020 Schriftliches Urteil pünktlich zum Fristablauf. Und: Wie geht es weiter mit der Revision zu Eminger?

Das schriftliche Urteil des OLG München ist 21. April, einen Tag vor Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist, zur Geschäftsstelle gelangt. Der Senat hat also die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Fertigstellung des Urteils praktisch vollständig ausgeschöpft. Das ist natürlich rechtlich zulässig, hat aber durchaus problematische Folgen angesichts der beinahe zwei Jahre, die seit der mündlichen Urteilsverkündung vergangen sind, und vor allem vor dem Hintergrund der großen Bedeutung, die dem endgültigen Abschluss des NSU-Strafverfahrens beigemessen werden muss. Es entsteht der Eindruck, das Gericht wolle auf diese Weise nochmal betonen, dass es sich bei dem Urteil gegen Zschäpe, Wohlleben, Schultze, Gerlach und Eminger um etwas völlig Alltägliches handelt und der NSU-Komplex eh abgeschlossen ist.

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22.09.2015

Die Mühen der Ebene: Details zur Asservatenauswertung

Der heutige Verhandlungstag war kurz, geladen waren nur drei PolizistInnen:
Die erste Zeugin, eine BKA-Beamtin, hatte eine in der Frühlingsstraße gefundene Postkarte ausgewertet. Diese wurde etwa ein halbes Jahr vor dem Mord an Mehmet Kubaşik in Dortmund von Dortmund aus an die Wohnung in der Frühlingsstraße versandt, der banale Inhalt „Viele liebe Güße das Wetter ist schön Tschüß“ stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von Uwe Böhnhardt. Der Tag korrespondiert mit einer Anmietung eines Wohnwagens, am Folgetag wurde eine Liste möglicher Anschlagsziele in Dortmund erstellt, mit Anmerkungen wie „gutes Objekt und geeigneter Inhaber“. Anscheinend hatten Mundlos und Böhnhardt also bei ihren Ausspähungen von Mordopfern in Dortmund noch Zeit, Zschäpe in Zwickau eine Postkarte mit einem Elefantenbaby zu schicken. Weiterlesen

08./09.10.2013

Spuren aus dem Brandschutt belasten Zschäpe und Eminger

Zunächst wurde der Nachbar der Dortmunder Zeugin gehört, die vergangene Woche angegeben hatte, einen bulligen Skinhead zusammen mit Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos vor dem Haus gesehen zu haben. Der Zeuge bestritt selbstverständlich, irgendwelche Kontakte in die Naziszene zu haben, alles andere hätte ihn ja auch zu einem Verdächtigen gemacht. Sein Abstreiten rechter Kontakte wirkte allerdings wenig glaubhaft: seine Kindern tragen Namen, die unmittelbar an nazistische Ideologie erinnern, beim Fußball hat er keine Probleme, mit Dortmunder Nazigrößen im selben Fanblock zu stehen, und den Spruch „Zick Zack Kanackenpack“ empfindet er nicht als politisch rechts.

All das kann die Zeugenaussage der Nachbarin von vergangener Woche, nach dem 31. März 2006 habe sie Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gemeinsam mit einem bulligen Skinhead auf dem Nachbargrundstück neben ihrem Wohnhaus in Dortmund gesehen, nicht widerlegen.

Diese Zeugenaussage ist aber insoweit problematisch, als die Beobachtung sieben Jahre her ist und die Zeugin sich Ende 2011 an die drei erinnerte, nachdem sie die Fahndungsbilder im Fernsehen gesehen hatte. Alleine auf eine solche Identifikation könnte eine Verurteilung nicht gestützt werden. Die Bedeutung der Aussage der Zeugin wird erst im weiteren Prozessverlauf deutlich werden. Sollten weitere Hinweise zu einem Aufenthalt auch Zschäpes an Tatorten bekannt werden, wird diese Aussage erneut in den Vordergrund treten. Bis dahin muss festgehalten werden, dass es für eine Verurteilung Zschäpes wegen täterschaftlicher Begehung der hier angeklagten Morde auch gar nicht erforderlich ist, dass sie sich selbst an einem der Tatorte aufgehalten hat.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung machte eine Polizistin Angaben zur Auswertung einer Festplatte aus dem Brandschutt der Frühlingsstraße. Auf dieser wurden neben anderen Dateien das Bekennervideo des NSU, aber auch zwei Vorläuferversionen dieses Videos und Arbeitsmaterial aus der Erstellung gefunden. Das Bekennervideo lag in einem Ordner zum Brennen auf DVD bereit, zahlreiche Versandadressen waren vorbereitet. Der Versand war also von langer Hand vorbereitet und geplant.

In einem anderen Ordner auf dieser Festplatte fanden sich zahlreiche Dateien, die dem Angeklagten Eminger zuzurechnen sind, so etwa mit Hakenkreuzen versehene Weihnachtskarten an seine Eltern, Schwiegereltern und gesamte Familie, Vorlagen für Tattoos, Bilder seiner Frau und Kinder. Dies spricht dafür, dass Eminger, der sich mit Bildverarbeitung selbständig gemacht hatte, das Bekennervideo zusammengestellt und bearbeitet hat.

Am Mittwoch, dem 9.10., wurde einmal mehr die Angeklagte Zschäpe belastet. Im Brandschutt der Frühlingsstraße war ein aus 68 Artikeln bestehendes Archiv zu den Mordanschlägen des NSU gefunden worden. Obwohl Fingerabdrücke naturgemäß auf Papier sehr schlecht zu sichern sind, wurden zwei Fingerabdrücke Zschäpes gefunden.

Den gesamten Nachmittag über wurde ein Polizeibeamter befragt, der anhand der vorliegenden Mietverträge für PKW und Wohnmobile ermittelt hatte, welche Fahrten mit diesen unternommen worden sein können. Dabei hatte dieser Beamte allerdings keine eigenen Ermittlungen außer der reinen Auswertung durchgeführt.

Demnach wurden insgesamt bei vier Autovermietungen Fahrzeuge angemietet, anfangs auf Namen und Ausweis André Eminger, später als Holger Gerlach, nach Wahllichtbildvorlagen sei allerdings davon auszugehen, dass die Fahrzeuge von Uwe Böhnhardt angemietet wurden. Auch Beate Zschäpe sei von Mitarbeitern der Autovermieter wiedererkannt worden. Allerdings wurde bei einer Anmietung auf den Namen Eminger die Telefonnummer eines tatsächlich von diesem genutzten Mobilanschlusses angegeben, was dafür spricht, dass nicht nur dessen Ausweispapiere benutzt wurden, sondern er auch in direktem Kontakt stand.

Insgesamt seien 65 Anmietungen festgestellt worden. Bei 15 Anmietungen hätten sich zeitliche Überschneidungen zu 17 Straftaten ergeben. Auch die gefahrenen Kilometer hätten, soweit angegeben, zu den Fahrtstrecken zu den begangenen Straftaten gepasst. Andere Anmietungen hätten zum Teil mit Urlauben in Verbindung gebracht werden können. Nach der Auswertung seien für die Anmietungen in den Jahren 2000 bis 2011 sowie den vermuteten Benzinverbrauch Kosten in Höhe von 27.622,62 Euro entstanden.

Eines der angemieteten Fahrzeuge sei im Rahmen einer Fahndung nach dem Mord an der Polizistin Kiesewetter in Heilbronn erfasst worden.