Schlagwort-Archive: Hänßler

06.08.2013

„Für mich persönlich war 2005 selbstverständlich ein ausländerfeindlicher Hintergrund zu sehen. Es gab da grundsätzlich in der großen Ermittlungskommission, der BOA Bosporus, keine Zweifel.“

Diese klare Aussage des Leiters der Nürnberger Mordkommission Hänßler in der Hauptverhandlung am 6. August steht in krassem Widerspruch zu den Ermittlungen der sogenannten BOA Bosporus bis zum Jahr 2011. Ob diese Darstellung so zutrifft, oder ob sie nur die eigenen Fehler kaschieren soll, müssen weitere Zeugenvernehmungen der zuständigen Ermittler ergeben.

Nach der Beweisaufnahme des letzten Verhandlungstages vor der Sommerpause musste sich die eines ausländerfeindlichen Hintergrundes nach der Ermordung des Nürnberger Döner-Imbiss-Betreibers Ismail Yasar aber auch aufdrängen. Hänßler berichtet, es habe zwei Hauptspuren gegeben: Die eine war die sogenannte Fahrradspur – mehrere Zeugen hatten zwei Fahrradfahrer direkt vor dem Imbiss des Ermordeten gesehen und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang Schüsse gehört. Die andere war die sogenannte Kölnspur, denn die Beschreibungen der Fahrradfahrer in Nürnberg wiesen erhebliche Ähnlichkeiten mit den beiden Verdächtigen in Köln auf. Ein Kölner Ermittler hatte sich an die Nürnberger Ermittler gewandt. Insbesondere die sich mit diesen Spuren ergebende Verbindung zwischen dem Nagelbombenanschlag in einer überwiegend von TürkInnen und KurdInnen bewohnten Straße in Köln und der Mordserie gegen Migranten ließ wenig Zweifel an einem fremdenfeindlichen Motiv.

Die Nürnberger Ermittler hätten daher, so Hänßler, auch gegen die militante Naziszene ermittelt, vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz aber nicht alle angeforderten Datensätze erhalten, sondern nur eine Auswahl von über 600 Daten von Nazis aus dem Nürnberger Umland. Warum die Ermittler nicht das von ihnen angeforderte Material erhielten, ob zu diesem Zeitpunkt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und andere Landesämter einbezogen wurden, darauf konnte der Zeuge allerdings keine Antwort geben und verwies auf einen Kollegen, der diese Ermittlungen durchgeführt habe.

Die Tatsache, dass von 2005 bis 2001 weiterhin gegen die Opferfamilien ermittelt wurde und angemessene, länderübergreifende Ermittlungen gegen die militante Naziszene vollständig unterblieben, wenn doch in der gesamten Ermittlungsgruppe angeblich kein Zweifel an der fremdenfeindlichen Motivation der Täter bestand, wirft viele Fragen auf. Es wird abzuwarten sein, ob diese Fragen im laufenden Verfahren zugelassen werden.

Ein weiterer Polizeibeamter berichtete, dass sowohl auf im Brandschutt der Frühlingsstraße gefundenen Stadtplänen als auch auf den dort gefundenen Computern mögliche Anschlagsziele, darunter auch der Dönerimbiss des ermordeten Yasar, markiert und mit Ausspähnotizen versehen waren. Die Zuordnung des Mordes als Mord der NSU dürfte auf Grund dieser Beweise und der Bezugnahme auf den Mord im Bekennervideo unproblematisch sein.

Die nächsten Verhandlungstage nach der Sommerpause sind für den 5. und 6. September geplant.