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25.09.2013

Die Beweisaufnahme zum Mord an Theodoros Boulgarides verlief wie erwartet. Zahlreiche Bilder des Tatortes und der Wohnung, die ausführliche Schilderung der durch die Schüsse verursachten tödlichen Verletzungen, die Darstellung des Waffensachverständigen, die drei Schüsse seien mit der bekannten Ceska abgegeben worden.

Dagegen zeigte die Befragung eines Polizeibeamten, der im Kassler Mordfall Yozgat ermittelt hatte, sehr deutlich, warum Nazis zehn Menschen ermorden konnten, ohne dass die deutschen Behörden eine rassistische und nazistische Gesinnung als Tatmotiv in Betracht zogen:

Da sitzt im September 2013, mehr als sieben Jahre nach dem Mord an Halit Yozgat in Kassel, ein Polizeibeamter als Zeuge im Gericht und erzählt munter, wie gut das Verhältnis seiner Ermittlungsgruppe zu der Familie des Ermordeten gewesen sei, wie aufgeschlossen und offen die Familie gewesen sei. Dass die polizeilichen Ermittlungen sich im Wesentlichen gegen die Familie richteten, dass die Telefone der gesamten Familie abgehört wurden, dass sogar ein verdeckter Ermittler eingesetzt wurde, ist für diesen Polizeibeamten weder ein Widerspruch zu dieser Behauptung Aussage noch ein Grund, Bedauern über seine unzulängliche Ermittlungsarbeit zu empfinden.

Ein Nebenklägervertreter der Familie hält ihm vor, dass der Vater des Ermordeten sich bei einem türkischstämmigen Polizeibeamten beschwert hatte: Die Polizei solle aufhören, ihn und seine Familie zu verdächtigen. Er sei der festen Überzeugung, dass sein Sohn und die anderen Opfer aus ausländerfeindlichen Motiven getötet wurden. Andere Möglichkeiten gäbe es nicht, es müsse ein Spinner sein, der wahllos Ausländer umbringt.

An den Vermerk dieses Kollegen könne er sich heute nicht wirklich erinnern, erwidert der Zeuge, ihm gegenüber habe sich Herr Yozgat jedenfalls nicht so geäußert. „Fragen Sie doch Herrn Yozgat!“, antwortet er dem Anwalt – man habe sich doch so gut verstanden.

Außerdem habe man ja in alle Richtungen ermittelt. Auf Nachfrage, was für Ermittlungen denn in Richtung eines rassistischen Tatmotives geführt worden seien, stammelt der Beamte dann, in der Schule des Ermordeten habe man nach Schlägereien mit rassistischem Hintergrund gefragt und einen Freund des Ermordeten habe man auch gefragt. Es habe auch einen Hinweis auf irakische Kurden gegeben. Ein Ansatzpunkt für eine religiös-politische Tatmotivation habe nicht vorgelegen.

Es wird deutlich, dass dieser Beamte bis heute nicht verstanden hat, dass seine Ermittlungsgruppe „Café“ eine Tataufklärung mehr verhindert als gefördert hat.

Im Hinblick darauf, dass kommende Woche der zur Tatzeit am Tatort anwesende Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und V-Mann-Führer Andreas Temme als Zeuge aussagen wird, dürfte die dummdreiste Vorwärtsverteidigung des heutigen Polizeizeugen letztlich nur einen Vorgeschmack auf noch zu erwartende weitere Rechtfertigungsversuche darstellen.