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19.11.2013

Über den NSU als Opfer der Behörden – Vernehmung der Mutter Böhnhardt

Einzige Zeugin heute war die Mutter von Uwe Böhnhardt. Sie berichtete im Wesentlichen vom Werdegang ihres Sohnes, von dem Tag seines Untertauchens und von dem Kontakt – Telefonate und drei persönliche Treffen – in der Zeit danach.

Der Verfassungsschutz hatte Kontakt mit der Familie aufgenommen, um die drei Untergetauchten dazu zu bewegen, sich zu stellen. „Die Drei“ wurden wegen mehrerer Propaganda- und Sprengstoffdelikte gesucht, die Behörden boten Zugeständnisse bei der zu erwartenden Strafe an. Diese Angebote – die von „den Drei“ ohnehin nicht ernst genommen wurden – nahmen die Behörden nach einigen Monaten zurück. Diese Entscheidung bedeutete nichts anderes, als dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sich für die ihnen vorgeworfenen Taten in einem normalen Strafprozess würden rechtfertigen müssen wie jeder andere Beschuldigte auch – für die Zeugin war sie ein mieser „Betrug“.

Hierin zeigte sich das erste Mal, was sich auch durch den Rest ihrer Aussage zog und was sie für die Nebenklage nur schwer erträglich machte – Frau Böhnhardt hat sich eine Version der Ereignisse zurechtgelegt, in der ihr Sohn, Beate Zschäpe und Uwe Mundlos ausschließlich als Opfer behördlicher Willkür vorkommen. Dass sie als Mutter, die die Ideologie ihres Sohnes nicht teilte, sich nur schwer vorstellen kann, dass er zehn Menschen umgebracht und mehrere Bombenanschläge begangen hat, ist nachvollziehbar. Absolut unerträglich sind aber Aussagen wie die, es täte ihr leid um „die fünf Jugendlichen hier“ – gemeint sind die Angeklagten –, die ihrer Meinung nach nur im Gerichtssaal sitzen, weil der Verfassungsschutz nicht zu seinem Wort gestanden hat und weil deswegen „die Drei“ sich nicht gestellt haben. Während sie die drei NSU-Mitglieder und die sonstigen Angeklagten also nur als Opfer der Behörden sieht, findet sie auch nicht nur die Andeutung eines Mitgefühls für die Opfer ihres Sohnes, redet immer nur von Taten, die ihm „vorgeworfen“ werden.

Die Vernehmung wird morgen vormittag fortgesetzt, es folgt André Kapke am Nachmittag

Am Ende des Sitzungstages ging es kurz um Anträge: der Antrag auf Beiziehung der Ermittlungsakte gegen André Kapke wurde abgelehnt, das Gericht war der Meinung, es gäbe keine Anhaltspunkte, dass deren Inhalte für das Verfahren relevant sind. Die Verteidigung Schultze beantragte, einen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Zeugen dafür zu hören, dass Schultze in der Naziszene eine untergeordnete Rolle hatte. Allerdings hatte der Mitarbeiter Schultze nie selbst beobachtet, sondern nur Berichte wertend zusammengefasst, so dass er als Zeuge ungeeignet ist – so auch die Stellungnahme von Nebenklägervertreter RA Bliwier.