Vorsitzender Götzl kündet offiziell eineErklärung Zschäpes an – Altverteidiger beantragen erneut Entpflichtung, Wohlleben will Befangenheitsantrag stellen.
Zu Beginn des Verhandlungstages teilte der Vorsitzende mit, was die Presse seit gestern als definitiv berichtet hatte: Zschäpe-Verteidiger Grasel hat angekündigt, dass er morgen für Zschäpe eine Einlassung zu den Vorwürfen abgeben wird. Dies hatte sein Kanzlei-Senior bereits am 31.8.2015 dem Vorsitzenden angekündigt, seitdem gab es mehrere Telefonate zum Termin. Gleichwohl hielt es der Vorsitzende bis heute nicht für nötig, die anderen Prozessbeteiligten zu informieren.
Auf Nachfrage eines Nebenklägervertreters teilte Grasel heute noch mit, man werde Fragen des Gerichts, aber nicht Fragen der Nebenklage beantworten.
Das Altverteidigertrio Heer, Stahl und Sturm reagierte mit einem erneuten Antrag auf Entpflichtung und stützte diesen zu großen Teilen darauf, dass der Vorsitzende sie nicht von den Ankündigungen Grasels in Kenntnis gesetzt habe und damit gezeigt habe, dass das Gericht selbst von einem „irreparabel zerrütteten Vertrauensverhältnis ausgehe“.
Die Verteidigung Wohlleben wiederum kündigte eine weitere Ablehnung aller RichterInnen wegen angeblicher Befangenheit an – der Antrag wird wohl auf die Nichtinformation der anderen Prozessbeteiligten gestützt werden. Derzeit ist die Verhandlung bis zum frühen Nachmittag unterbrochen, damit das Ablehnungsgesuch formuliert werden kann.
Auch aus Sicht der Nebenklage ist natürlich das Verhalten des Vorsitzenden zu kritisieren – wenn er seit Monaten weiß, dass eine Einlassung Zschäpes bevorsteht, dann hat er das den anderen Verfahrensbeteiligten mitzuteilen – und so etwa auch den NebenklägerInnen die Gelegenheit zu geben, zu überlegen, ob sie am Tag der Einlassung Zschäpes am Prozess teilnehmen wollen.
Der Antrag der AltverteidigerInnen, deswegen entpflichtet zu werden, geht aber erneut am Kern der Sache vorbei: Es ist nachvollziehbar, dass die drei, die Zschäpe immer zum Schweigen geraten haben, sich nun öffentlichkeitswirksam von der neuen Strategie distanzieren wollen. Aber: Ursprung für die Probleme der Verteidigung Zschäpe ist – erneut – alleine ihre Mandantin, die wieder einmal die VerteidigerInnen – das usprüngliche Pflichtverteidigertrio, den neuen vierten Mann Grasel, aber auch die sie in letzter Zeit mit-verteidigenden AnwältInnen von Ralf Wohlleben – gegeneinander ausspielt.
Heer, Stahl und Sturm beklagen in ihrem Antrag u.a., „die Verteidigung von Frau Zschäpe – als Institut“ sei erheblich behindert. Allerdings muss aus Strafverteidigersicht klargestellt werden: Der Antrag von Sturm, Stahl und Heer ist gerade geeignet, das Recht auf freie Verteidigung zu beschädigen. Denn das Problem der Verteidigung Zschäpe gründet genau in der Kommunikationsverweigerung der Mandantin. Wem das Institut der Strafverteidigung am Herzen liegt, der muss dieses Problem innerhalb der Verteidigung klären – und sei es mit einer Mitteilung an die Mandantin, dass man angesichts der anscheinend geänderten Verteidigungsstrategie erst einmal nichts weiter unternehmen werde. Stattdessen wenden sich Heer, Stahl und Sturm einmal wieder ans Gericht und erwarten von diesem eine Lösung der Verteidigungsprobleme. Das ist nichts anderes als die Forderung nach einem Eingriff des Gerichts in das Innenverhältnis der Verteidigung – ein Verhältnis, das vor solchen Eingriffen von außen unbedingt zu schützen ist, auch und gerade, wenn innerhalb der Verteidigung Uneinigkeit herrscht.
Ganz nebenbei erschließt sich jetzt auch, warum das Gericht seit dem Ende der Sommerpause nur noch mit angezogener Handbremse verhandelt – offensichtlich ging es vor allem darum, die Zeit zu überbrücken, bis Zschäpe, Grasel und Borchert ihre Erklärung fertiggestellt haben würden.
Über den weiteren Verlauf des Hauptverhandlungstages werden wir gesondert berichten.