Befangenheitsgesuch der Verteidigung Wohlleben
Nach der langen Unterbrechung brachte die Verteidigung Wohlleben ihr Befangenheitsgesuch gegen alle Mitglieder des Gerichts an. Interessanterweise stützte sich dieses Gesuch nicht allein auf die fehlende Information der Beteiligten über die angekündigte Einlassung Zschäpes. Vielmehr stellten RechtsanwältInnen Schneiders, Nahrath und Klemke zunächst noch einmal langatmig ihre bisherigen Anträge zur angeblich fehlenden Verteidigung Zschäpes und die ablehnenden Beschlüsse des Senats dar (vgl. dazu die Berichte vom 08.10.2015, 13.10.2015 und 14.10.2015). Zum Zeitpunkt dieser Beschlüsse war dem Gericht schon bekannt, dass Zschäpe sich einlassen werde und dies Heer, Stahl und Sturm nicht mitgeteilt hatte, das wurde jedoch in den Beschlüssen nicht mitgeteilt. Das Gericht habe also „hingenommen“, dass die Verteidigungsaktivitäten von Heer, Stahl und Sturm der Verteidigungsstrategie Grasels entgegenstehen würden. Das habe der Senat aber hingenommen, um „um jeden Preis“ die Einlassung Zschäpes zu erhalten.
Dass die Verteidigung Wohlleben ein erneutes Befangenheitsgesuch formulieren würde, ist wenig überraschend, steht Wohlleben doch nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahmen mit dem Rücken zur Wand und muss jede Gelegenheit nutzen, zu versuchen, Sand ins Getriebe zu streuen. Überraschend ist allerdings, dass auch dieses Gesuch allein auf die vermeintlichen Defizite in der Verteidigung Zschäpe gestützt wird. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Verteidigung Wohlleben Befürchtungen betreffend den Inhalt einer Einlassung Zschäpes hat – möglicherweise weil sie Grund zur Annahme hat, Zschäpe könnte weitere Angaben machen, die Wohlleben belasten.
Inhaltlich ist die Argumentation der Verteidigung Wohlleben genauso hanebüchen wie die der Verteidigung Zschäpe heute Vormittag: wenn innerhalb der Verteidigung nicht an einem Strang gezogen wird und deren Mitglieder nicht miteinander sprechen, dann ist es nicht Aufgabe des Gerichts, hier tätig zu werden, im Gegenteil würde ein Tätigwerden des Gerichts einen schwerwiegenden Eingriff in das Innenverhältnis der Verteidigung bedeuten. Der Vorwurf an das Gericht geht damit – erneut – vollständig an der Sache vorbei. Dass zudem – erneut – nicht ansatzweise erkennbar ist, wieso Wohlleben von den Querelen in der Verteidigung Zschäpe betroffen sein soll, sei nur am Rande erwähnt, das ist man ja inzwischen schon fast gewöhnt.
Pikantes Detail am Rande: Schneiders, Klemke und Nahrath teilten mit, Rechtsanwalt Grasel habe ihnen bereits am 24.09.2015 mitgeteilt, dass Zschäpe sich einlassen wolle. Sie sollten darüber aber Stillschweigen bewahren, auch gegenüber Wohlleben selbst – und hätten das auch bis heute getan. Trifft dies zu – und immerhin versichern die Wohlleben-VerteidigerInnen es anwaltlich –, dann hätten sie sich also Grasel mehr verpflichtet gefühlt als dem eigenen Mandanten.