Sturm im Wasserglas – Verteidigung Wohlleben spielt die Zschäpe-Verteidiger gegeneinander aus
Nachdem die Angeklagte Zschäpe gestern den Antrag ihrer Zwangsverteidiger Heer, Stahl und Sturm auf Abgabe einer dienstlichen Erklärung der Richter mit der abschließenden Erklärung sabotiert hat, ihr sei dieser Antrag nicht bekannt gewesen, nahm heute die Verteidigung Wohlleben einen zweiten Anlauf. Wohlleben schließe sich dem Antrag der drei Zschäpe-Verteidiger an, um anhand der dienstlichen Erklärungen zu prüfen, ob er die Richter als befangen ablehne. Außerdem – und das ist der eigentliche Knackpunkt des heutigen Antrags – sei die Hauptverhandlung sofort auszusetzen, sie müsste also nun beendet und zu einem späteren Zeitpunkt völlig neu begonnen werden. Bis dahin habe der Senat dafür zu sorgen, dass eine sachgerechte Verteidigung der Angeklagten Zschäpe gegeben sei; Wohlleben sei aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
Kern dieses Antrags ist die Behauptung, Zschäpe sei spätestens seit dem Antrag auf Aufhebung der Beiordnung von Stahl, Sturm und Heer am 20.07.2015 nicht mehr ordnungsgemäß verteidigt: Die Weigerung Zschäpes, mit Heer, Stahl und Sturm zu sprechen mache eine effektive Strafverteidigung unmöglich. Der neue Pflichtverteidiger Grasel habe von den „Altverteidigern“ keine Mitschriften der bisherigen Verhandlungstage erhalten, er könne die Akte in der kurzen Zeit noch nicht durchgearbeitet haben und sei daher nicht in der Lage, sachgerecht zu verteidigen. Die aus diesen Gründen ineffektive Verteidigung Zschäpes habe auch Auswirkungen auf die Verteidigung Wohlleben: es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer effektiveren Verteidigung Zschäpes sich auch die prozessuale Lage Wohllebens verbessern würde.
Ganz davon abgesehen, dass die Ursache der Situation in der Verteidigung Zschäpe das destruktive Verhalten der Angeklagten selbst ist, die die Kommunikation zu Sturm, Stahl, Heer verweigert und auch Grasel entsprechende Weisungen zu geben scheint: Natürlich kennt die Strafprozessordnung kein Recht auf eine besonders qualifizierte Verteidigung einer Mitangeklagten. Zu beantragen, den Prozess auszusetzen, damit möglicherweise eine andere Verteidigung den eigenen Mandanten entlastet, ist natürlich ziemlich dreist
Möglich ist dieses Verhalten der Verteidigung Wohlleben nur, weil sich Sturm, Stahl und Heer einerseits, Grasel andererseits immer wieder in öffentlicher Hauptverhandlung gegenseitig beschuldigen, nicht ausreichend zu kooperieren. Zschäpe nutzt diese Situation, um die Stimmung zwischen den Anwälten weiter anzuheizen: hatte sie gestern noch den Antrag ihrer Verteidiger abgetan, ließ sie Grasel heute erklären, sie schließe sich dem Antrag der Wohlleben-Verteidiger an.
Auch der zweite für den Antrag vorgebrachte Grund, die mögliche Ablehnung der Richter als befangen wegen einer falschen Zulassung einer Nebenklage, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt: Selbst wenn der Senat bei der Zulassung der Nebenklage von „Meral Keskin“ nicht sorgfältig genug vorgegangen ist, dann folgt daraus nicht ansatzweise eine Voreingenommenheit der entscheidenden Richter zu Lasten der Angeklagten – und nur eine solche Voreingenommenheit könnte eine erfolgreiche Ablehnung wegen Befangenheit begründen.
Insoweit sind der gestrige wie der heutige Antrag nichts mehr als verzweifelte Versuche der Verteidigung, angesichts einer immer erdrückenderen Beweislage das Gericht zu Fehlern zu provozieren bzw. die Situation der Verteidigung Zschäpe verzerrt darzustellen, um möglicherweise Revisionsgründe zu schaffen. Klar ist jedenfalls, entgegen einiger spontaner Reaktionen auf der Pressebank: Beate Zschäpe ist ordnungsgemäß verteidigt, der Prozess wird nicht „platzen“. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Gericht am nächsten Dienstag ohne größere Verzögerungen wieder in die Beweisaufnahme eintreten kann. Es wird dann insbesondere um das in der NSU-Wohnung in Zwickau gefundene Kartenmaterial gehen, das die sorgfältige Planung und Vorbereitung der Morde und Anschläge sowie die Ausspähung weiterer möglicherweise Anschlagsziele dokumentiert.