10.01.2017

Weitere Verzögerung der Gutachtenerstattung. Und: Zschäpe widerspricht dem Gutachten

Nach der Weihnachtspause sollte heute nach einer kurzen Vernehmung eines Polizeibeamten das Gutachten des Sachverständigen Saß erstattet werden. Die Zschäpe-Verteidigung setzte ihren Kampf gegen die Gutachtenerstattung auf ganz verschiedenen Ebenen fort: die Altverteidiger Stahl, Sturm und Heer stellten umfangreiche Anträge, die Gutachtenerstattung akustisch aufzuzeichnen und dem Sachverständigen sowohl methodisch als auch von der Auswahl der seinem Gutachten zu Grunde zu legenden Beobachtungen einschränkende Anweisungen zu erteilen. Die Verteidiger Borchert und Grasel hingegen verlasen eine weitere Erklärung der Angeklagten Zschäpe, mit der offensichtlich versucht werden soll, einige zentrale Punkte aus dem schriftlich ja bereits bekannten (Vor-)Gutachten anzugreifen.

In dieser Erklärung versucht Zschäpe erneut, die Glaubhaftigkeit ihrer bisherigen Erklärungen zu beteuern und dem aus der Beweisaufnahme erwachsenen Bild der manipulativen Persönlichkeit, die sich ohne Mitgefühl an den Straftaten des NSU beteiligt hat, entgegenzuwirken. Einerseits gibt Zschäpe an, sie habe auf Anweisung der Altverteidiger keine Regung und Gefühle gezeigt, weil dies „von der Öffentlichkeit und einigen Vertretern der Nebenklage bewusst oder unbewusst falsch dargestellt oder gedeutet werden“ würde. Dieses Verhalten, nämlich keine Gefühlsregungen zu zeigen, habe sie sich schon in den Jahren des Untertauchens angewöhnt.

Allerdings werden auch in der gesamten, achtseitigen Erklärung Gefühle immer nur dann konkret benannt, wenn sie Zschäpe selbst betreffen. So erklärt sie, sie habe sich am ersten Hauptverhandlungstag von ihren VerteidigerInnen „alleingelassen“ gefühlt und sei „desorientiert“ gewesen, ihre der Presse abgewandte Körperhaltung habe ihr Sicherheit gegeben. Sobald Zschäpe aber Gefühle in Bezug auf dritte Personen, etwa die Mutter des ermordeten Halit Yozgat, beschreibt, kommen nur inhaltsleere Worthülsen. Deren „Appell von Frau zu Frau“ (vgl. unseren Bericht vom 02.10.2013) habe sie noch heute vor Augen und würde ihn nie vergessen, sie hätte ihr damals keine Antwort auf ihre Fragen geben können. Welche Gefühle Zschäpe konkret in diesem Moment gehabt haben will, bleibt erneut offen – und insbesondere erklärt Zschäpe nicht, warum sie auch heute noch die Fragen der Frau Yozgat nicht beantworten will.

Für ihre Außenwirkung während des Prozesses schiebt Zschäpe nunmehr alle Verantwortung auf ihre Altverteidiger, mit derselben Logik, mit der sie die gesamte Verantwortung für die Verbrechen des NSU auf Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos schiebt. Und so beschreibt sich Zschäpe weiter als Opfer – der beiden Uwes, der Altverteidiger, der bösen Nebenklage und der Lügenpresse. Sie weigert sich nach wie vor, für ihr Handeln in irgendeiner Weise Verantwortung zu übernehmen.