Das Gericht versucht, das Tempo anzuziehen. Dennoch: Verteidigungsplädoyers wohl frühestens nächste Woche
Die Plädoyers der Verteidigung Zschäpe werden vermutlich doch erst nächste Woche beginnen. Auslöser hierfür ist der neue Verteidiger des Angeklagten Eminger, Rechtsanwalt Sprafke aus Karlsruhe – das kurzzeitige Mandat zum Ex-Republikaner Björn Clemens hat Eminger anscheinend schon wieder beendet. Sprafke, der bisher nicht als Szeneverteidiger in Erscheinung getreten ist, hatte beantragt, ihn als dritten Pflichtverteidiger beizuordnen und das Verfahren für drei Wochen zu unterbrechen, damit er sich einarbeiten könne. Diese Anträge wurden heute beide abgelehnt, im Wesentlichen mit der – überzeugenden – Begründung, dass es keinen Grund zu der Annahme gibt, Eminger sei von seinen beiden bisherigen Verteidigern nicht ausreichend verteidigt.
Sprafke beantragte daraufhin eine längere Unterbrechung, um über ein Befangenheitsgesuch zu beraten. Als ihm diese Pause nicht gewährt wurde und ihm der Vorsitzende stattdessen zusicherte, das Gesuch werde auch heute Abend oder morgen entgegengenommen – ein relativ üblicher Vorgang in Strafverfahren –, versuchte Sprafke sich dagegen zu wehren und verhedderte sich völlig, wechselte etwa zwischen den Angaben, er wolle mit Eminger über ein Befangenheitsgesuch beraten, er wolle eines schriftlich stellen und er habe schon eines gestellt, wild hin und her. Am Ende bestätigte der Senat die Entscheidung des Vorsitzenden, das Gesuch zurückzustellen.
Nun meldete sich die Verteidigung Zschäpe in Gestalt von Rechtsanwalt Stahl, der monierte, dann werde ja das Plädoyer der Zschäpe-Verteidiger Borchert und Grasel auseinandergerissen, wenn heute Borchert beginne zu plädieren und dann morgen nach Eingang der Befangenheitsgesuche die Verhandlung unterbrochen werden müsse. Dem schloss sich Borchert an.
In der Mittagspause stoppelte Rechtsanwalt Spraffke dann ein in jeder Hinsicht dünnes und erkennbar unbegründetes Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden zusammen. Die zur Entscheidung über dieses Gesuch berufenen Mitglieder des Senats unter Vorsitz von Richter am Oberlandesgericht Dr. Kuchenbauer wollten die Stellungnahmen hierzu in einer mündlichen Anhörung direkt im Anschluss an die Hauptverhandlung entgegennehmen – nahmen davon aber wieder Abstand, nachdem Rechtsanwalt Heer moniert hatte, eine solche Anhörung müsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.
Die Hauptverhandlung wird nun morgen um 12 Uhr fortgesetzt, vermutlich mit den weiteren Befangenheitsanträgen von Rechtsanwalt Sprafke.
Das Gericht zeigte mit der Entscheidung des Vorsitzenden, die angekündigten Befangenheitsanträge zurückzustellen, und mit dem Versuch der mündlichen Abhandlung des einen gestellten Antrags, dass es versucht, endlich das Tempo anzuziehen und das Ende des NSU-Verfahrens in einer halbwegs würdigen und zügigen Form über die Bühne zu bringen. Das wurde auch höchste Zeit, immerhin wurden sowohl nach den Plädoyers der Bundesanwaltschaft als auch nach denen der Nebenklage schon jeweils über zwei Monate alleine mit der vom Gericht überaus zeitaufwändig betriebenen Ablehnung von Anträgen der Verteidigung gefüllt. Nachdem indes schon der Versuch der Beschleunigung über die mündliche Befangenheitsverhandlung nach wenigen Minuten wieder ausgebremst werden konnte, ist fraglich, ob die erhoffte Beschleunigung eintreten wird. Für diese Woche jedenfalls, so ist zu befürchten, wird morgen nach Entgegennahme der weiteren Befangenheitsanträge der Verteidigung Eminger Schluss sein.
Der neue Eminger-Verteidiger Sprafke hat es also immerhin geschafft, eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu erreichen. Ob er die Verteidigung Emingers auch ernsthaft wird weiterbringen können, darf bezweifelt werden – der Einstieg heute war jedenfalls insgesamt ziemlich verstolpert.