09.11.2016

Blockade der Verteidigung und mal wieder ein Zeuge ohne Tiefgang

Der gesamte heutige Verhandlungstag war einem aus Jena stammenden Zeugen gewidmet, der vor dem Abtauchen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mit ihnen und Ralf Wohlleben befreundet und über Wohlleben in die Naziszene gekommen war. Der Zeuge hatte sich offensichtlich nicht nur zu spät auf den Weg gemacht, sondern auch noch verfahren, so dass mit seiner Vernehmung erst nach dem Mittagessen begonnen werden konnte. Die Zeit bis dahin hätte genutzt werden können, denn das Gericht hatte einige Unterlagen zur Verlesung vorgesehen. Die Verteidigung Wohlleben widersprach allerdings diesem Vorgehen, und das Gericht zeigte sich nicht in der Lage, über diesen Widerspruch sofort zu entscheiden.

Anschließend schlug der Vorsitzende vor, in der kommenden Woche den Sachverständigen Prof. Saß sein Gutachten zu Beate Zschäpe vortragen zu lassen. Dies wiederum wurde von Zschäpes Altverteidigern zurückgewiesen: sie müssten sich noch eine unbestimmte Zeit lang hierauf vorbereiten. Der gesamte Vormittag verging also erneut ungenutzt.

Ab Mittag wurde dann der Zeuge befragt. Aus einem Mobiltelefon, das in den Trümmern der Frühlingsstraße 26 gefunden wurde, konnte ein SMS-Austausch aus dem Sommer 2000 rekonstruiert werden, mit einer Beschwerde „von Ebi hört man gar nichts mehr…“ und der Antwort „Er hat gesagt, dass er 21 h anruft, wenn er es schafft!“. Der Spitzname „Ebi“ würde mit einiger Wahrscheinlichkeit zu dem Nachnamen des Zeugen passen. Dafür, dass er Hilfsdienste für die Untergetauchten geleistet hatte, sprach neben seiner Freundschaft zu den Angeklagten auch, dass er schon Mitte der 90er für Wohlleben ein Postfach auf seinen eigenen Namen angemeldet und im Jahr 1999 für einige Monate bei Wohlleben gewohnt hatte, zudem beim Militärischen Abschirmdienst in zwei Befragungen umfangreiche Angaben vor allem zu Wohlleben gemacht hatte (es liegt allerdings nur noch das Protokoll der zweiten Befragung vor, das erste ist nicht mehr vorhanden).

Die Befragung löste ein Déjà-Vu an andere Nazizeugen aus. Da er in der damaligen Zeit viel Geld verdient habe, habe er immer Handys gehabt und auch verliehen, ob auch an Wohlleben, das wisse er nicht mehr. Wohlleben sei immer ein sehr korrekter Mensch gewesen, immer für seine Freunde da. Dennoch habe er nie irgendwelche Gespräche über das Verschwinden und den Verbleib seiner drei „Kameraden“ geführt, weder mit Wohlleben noch mit anderen Jenensern – eine Behauptung, die den Beteiligten für Unglauben und Ärger sorgte, selbst der Vertreter der Bundesanwaltschaft Weingarten wurde etwas unwirsch und fragte genauer nach, möglicherweise mit dem Ziel, den Zeugen für ein folgendes Falschaussageverfahren auf klare Lügen festzunageln.

Der Zeuge versuchte alle Fragen mit mangelnder Erinnerung abtun, kam dabei mehrfach ins Schwimmen und widersprach sich selbst. Ganz spannend war es am Ende zu hören, dass er immer noch an Nazidemonstrationen teilnimmt – was für eine fortbestehende Verbundenheit zu Wohlleben spricht. Auch teilte er mit, dass eine weitere Person aus Jena den Spitznamen „Ebi“ oder „Ebbi“ gehabt habe.

Am Ende wollte der Zeuge auch auf die Frage, ob er als V-Mann gearbeitet habe, nicht befriedigend antworten. Zuerst blockte er mit der dämlichen Bemerkung, ob „VP“ vielleicht „Volkseigener Petrieb“ heiße, dann erwiderte er auf die Frage, ob er eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe, er habe viele Unterlagen unterschrieben, ohne diese zu lesen. Diese Scheu, der Frage nach einer V-Mann-Tätigkeit eine klare Absage zu erteilen lässt darauf schließen, dass der Zeuge nun doch Bedenken hatte, eine Falschaussage zu machen, eine V-Mann Tätigkeit aber auch nicht zugeben wollte. Es bleibt also unklar, ob der Zeuge nicht für den MAD, das Thüringer Landesamt oder einen anderen Dienst gearbeitet hat.