16.05.2017

Fragen an den Verteidigungs-Gutachter Prof. Faustmann

Heute stellten die Verfahrensbeteiligten Fragen an den Gutachter Prof. Faustmann, der von den Zschäpe-„AltverteidigerInnen“ Heer, Stahl und Sturm geladen worden war und sich methodenkritisch zum Gutachten von Prof. Saß geäußert hatte.

Als wesentlicher Kritikpunkt Faustmanns stellte sich ein Aspekt von Saß‘ Gutachten heraus, der in seiner Bescheidenheit durchaus wohltuend ist: Saß betont, dass die Psychiatrie eben keine Naturwissenschaft ist und dass die forensische Psychiatrie als eine Wissenschaft, die Prognosen für den Einzelfall erstellen soll, nicht frei von subjektiven Einschätzungen und Erfahrungswissen sein kann. Wesentliches Gütemerkmal eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens sei daher, dass es den Stoff ordnet und in sich stimmig und für den Empfänger – hier das Gericht – verständlich und nachvollziehbar ist.

Faustmann forderte dagegen eine wissenschaftliche Objektivierung und „Operationalisierung“ der Vorgehensweisen – wobei nicht der Eindruck entstand, dass dabei viel gewonnen wäre, da angesichts des Forschungsgegenstands der forensischen Psychiatrie auch die Anwendung von Methoden, wie sie Faustmann hochhält, nur eine Pseudo-Wissenschaftlichkeit herstellen kann und insoweit Saß‘ Eingeständnis der Eingeschränktheit der Psychiatrie einfach nur ehrlich ist.

Hierzu passt, dass Faustmann nicht deutlich machte, dass er mit seiner Auffassung zu einzelnen Aspekten in der deutschsprachigen Psychiatrie zur absoluten Minderheit gehört: so ist er etwa der Auffassung, Psychiater_innen könnten keine Prognosegutachten für Personen erstatten, bei denen keine psychische Erkrankung diagnostiziert wurde, dafür seien Psycholog_innen zuständig. Anderer Auffassung sind nicht nur die deutschen Gerichte, die ständig Psychiater_innen mit solchen Gutachten beauftragen, sondern auch die Mehrheit der deutschen Psychiater_innen.

Mitunter wirkten Faustmanns Anmerkungen auch arg konstruiert und besserwisserisch – so fühlte er sich etwa bemüßigt, auch Hinweise zur Anwendung von Methoden anzubringen, die Saß zwar erwähnt, aber gar nicht selbst angewandt hatte.

Interessanterweise wehrte sich der Sachverständige aber auch gegen die Versuche des Verteidigers Stahl, der von ihm hören wollte, dass das Gutachten von Prof. Saß letztlich nicht verwertbar sei – das sei Aufgabe des Gerichts, seine Methodenkritik sei eine Unterstützung für das Gericht bei dieser Tätigkeit.

Nach alledem ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass Faustmanns Anmerkungen das Gericht dazu bringen werden, an Saß‘ Gutachten und seinen Schlussfolgerungen zu zweifeln.