Archiv für den Tag: 20. März 2014

20.03.2014

Kapke lässt die Maske fallen

Die dritte Zeugenvernehmung des André Kapke, Mitbegründer des Thüringer Heimatschutzes und NSU-Helfer der ersten Stunde, brachte Klarheit über den ideologischen Hintergrund des THS, sowohl vor dem Abtauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe als auch danach. Der aus den Aktivitäten des THS erkennbare tödliche Hass auf Nichtdeutsche, die Begeisterung für den Massenmord an den europäischen Juden, wurden, so muss man die teilweise auch provozierenden Antworten des Zeugen bewerten, auch von Zschäpe und Wohlleben geteilt.

Deutlich wurde auch, dass Wohlleben sich keineswegs zu einem „moderaten Nationalisten“ gewandelt hat, wie es seine Verteidigung suggerieren will, sondern bis kurz vor seiner Festnahme aktiv nationalsozialistische Propaganda betrieben hat.

Kapke konnte seine Ideologie insbesondere nicht mehr verharmlosen, als ihm Fotos des „Fest der Völker“ vorgelegt wurden, eines politischen Festivals mit Bands, Rednern und Besuchern aus ganz Europa, das er über Jahre zusammen mit Wohlleben organisiert hatte. Fotos der Bühne, geschmückt mit einem Transparent, auf dem Waffen-SS-Männer unter verschiedenen europäischen Fahnen paradieren, konnte er nicht weglügen, auch wenn er von Frieden in Europa schwafelte.

Auch die Liste der Redner und der Bands, die auf dem „Fest der Völker“ zwischen 2005 und 2009 auftraten, spricht für sich: auf der Bühne war alles vertreten, was im faschistischen und nationalsozialistischen Lager in Europa Rang und Namen hat, insbesondere zahlreiche Bands aus dem „Blood and Honour“-Spektrum. Beim “Fest der Völker” – dessen Titel auf einen Film Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl über die Olympiade im faschistischen Deutschland zurückgeht – trafen sich diejenigen Gruppierungen, deren Mitglieder in ganz Europa den Hass auf MigrantInnen, Menschen jüdischen Glaubens und vermeintliche oder tatsächliche politische GegnerInnen schüren und deren AnhängerInnen immer wieder an Übergriffen und Morden beteiligt sind. Auch die bislang bekannten UnterstützerInnen des NSU kommen überwiegend aus dem Umfeld von „Blood and Honour“.

Der Versuch Kapkes, den THS verharmlosend als Gruppe umweltfreundlicher, systemkritisch-provokanter Jugendlicher darzustellen, ist damit eindeutig widerlegt.

20.03.2014 – Presseerklärung

Presseerklärung von einigen VertreterInnen der Nebenklage im NSU-Prozess

München, den 20. März 2014

„Wir sind hier nicht vor dem Jüngsten Gericht!“
Die Bundesanwaltschaft verhindert erneut kritische Befragung von Nazizeugen

Bei der gestrigen Befragung des offensichtlich lügenden Zeugen Carsten R., der für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach deren Untertauchen in Chemnitz eine Wohnung angemietet hat, torpedierte die Bundesanwaltschaft eine kritische Befragung des Zeugen.

Der Zeuge bejahte die Frage der Nebenklage, ob ihm der Grund, aus dem das Trio 1998 abgetaucht sei, „grenzenlosegal“ gewesen sei. „Mir war es egal“, so der Zeuge weiter,“ ob sie Schokoriegel geklaut oder jemanden umgebracht haben“. Auf die sich daran anschließende Frage aus der Nebenklage, welche Gedanken er sich gemacht habe, als er 2011 erfuhr, dass die Drei möglicherweise tatsächlich Morde begangen hätten, griff die Bundesanwaltschaft prozessordnungswidrig in das Fragerecht der Nebenklage ein und unterbrach mit den Worten: „Wir sind hier nicht das Jüngste Gericht, es ist nicht Aufgabe des Zeugen, sich für Einstellungen, die er damals hatte, zu rechtfertigen, sondern Wahrnehmungen zu bekunden.“
Damit hielt die Bundesanwaltschaft den Zeugen von der Beantwortung der Frage ab. Sie hat damit zu erkennen gegeben, dass sie eine kritische Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen und dessen Motivation, hier falsche Angaben zu machen, verhindern will. Eine weitere sinnvolle Befragung des Zeugen durch die Nebenklage wurde dadurch faktisch unterbunden.

Ein solches Verhalten der Bundesanwaltschaft konnte schon mehrmals bei der Befragung von Zeugen aus der rechten Szene durch die Nebenklage beobachtet werden.Bei den unterzeichnenden Nebenklagevertretern drängt sich der Eindruck auf, dass die Bundesanwaltschaft einer Aufklärung der Strukturen, die zur Entstehung und Fortbestand des NSU geführt und bei der Begehung der dem NSU zugerechneten Taten Unterstützung geleistet haben, aktiv entgegentritt. Nach der Befragung einer Vielzahl von Zeugen aus der Nazi-Szene wird deutlich, dass
es sich bei diesen Zeugen offensichtlich herumgesprochen hat, dass sie beim Lügen oder Vortäuschen von Erinnerungslücken nicht nur mit keinerlei Sanktionen rechnen müssen, sondern ihnen dabei im Zweifel die
Bundesanwaltschaftzur Seite springt.

Vertreterinnen und Vertreter aus der Nebenklage:
Alkan, Rechtsanwalt,
Basay, Rechtsanwältin,
v.d. Behrens, Rechtsanwältin,
Bogazkaya, Rechtsanwalt,
Clemm, Rechtsanwältin,
Daimagüler, Rechtsanwalt,
Dr. Elberling, Rechtsanwalt,
Hoffmann, Rechtsanwalt,
Ilius, Rechtsanwalt,
Kaniuka, Rechtsanwältin,
Kara, Rechtsanwalt,
Kienzle, Rechtsanwalt,
Kolloge, Rechtsanwalt,
Kuhn, Rechtsanwalt,
Lex, Rechtsanwältin,
Lunnebach, Rechtsanwältin,
Narin, Rechtsanwalt,
Parlayan, Rechtsanwalt,
Pinar, Rechtsanwältin,
Reinecke, Rechtsanwalt,
Scharmer, Rechtsanwalt,
Sariyar, Rechtsanwalt,
Sfatkidis, Rechtsanwalt,
Sidiropoulos, Rechtsanwalt,
Stolle, Rechtsanwalt,
Top, Rechtsanwalt,
Ünlücay, Rechtsanwalt
Wierig, Rechtsanwältin.