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11.03.2014

Hessischer Verfassungsschutz – Widersprüche ungeklärt

Heute und morgen steht noch einmal das hessische Landesamt für Verfassungsschutz im Mittelpunkt des Verfahrens. Heute wurde eine Vorgesetzte des Landesamt-Mitarbeiters Temme befragt, morgen wird erst der ehemalige Direktor Irrgang und dann nochmals Temme selbst befragt. Temmes ehemaliger direkter Vorgesetzter ist krank und muss später vernommen werden.

Zunächst aber wurde ein Video vorgeführt, mit dem die ermittelnde Polizei im Jahr 2006 die Schilderung Temmes von seinem Aufenthalt in dem Kasseler Internetcafé nachgestellt hatte. Bezeichnend war vor allem die Szene, in der Temme kurz vor Verlassen des Cafés noch einmal umdreht, Geld auf den Tresen legt und sich dabei wegen seiner Körpergröße deutlich über den Tresen beugt. Temme muss also – auch nach diesem Film – den hinter dem Tresen liegenden schwerverletzten bzw. toten Halit Yozgat gesehen haben. Die Darstellung Temmes, er habe hinter dem Tresen nichts gesehen, wird damit noch einmal unglaubwürdiger.

Die Ungereimtheiten seiner Aussagen wurden bei der Vernehmung seiner ehemaligen Vorgesetzten noch deutlicher. Diese gab an, am Montag nach dem Mord im Auftrag ihres Vorgesetzten Temme beauftragt zu haben, beim Staatsschutzdezernat nach Erkenntnissen zu dem Mord nachzufragen. Der Verfassungsschutz habe klären wollen, ob die Tat einen islamistischen Hintergrund habe, da der Ermordete ein „türkischer Mitbewohner von Kassel“ gewesen sei. Temme habe zu ihr gesagt, es könne sich um einen „bundesweiten Reihenmord“ oder die „Tat eines Serienmörders“ handeln – sie wisse aber nicht mehr genau, wann er dies gesagt habe und woher er diese Kenntnisse gehabt habe. Nachgefragt habe sie jedenfalls nicht.

Temme habe nicht erwähnt, dass er schon einmal in dem Internetcafé gewesen sei. Internetcafés sollten von Mitarbeitern ihrer Behörde auch nicht benutzt werden, da sie ja „in so Gegenden, wo auch viele Ausländer sind“, lägen. Diese Angaben der Zeugin machten deutlich, auf welch niedrigem, von rassistischen Vorurteilen geprägten Niveau die Arbeit des hessischen Landesamtes ablief.

Daneben widerspricht ihre Aussage zum Auftrag an Temme auch diametral dessen Behauptung, er sei zwar nach dem Wochenende in der Polizeidirektion gewesen, habe da aber höchstens beiläufig über den Mord gesprochen. Temme hatte zudem auch – wiederum entgegen der Angabe der Zeugin – behauptet, er habe nur dieses eine Internetcafé nicht aufsuchen dürfen, und zwar konkret wegen der Nähe zu einer Moschee, in der zu überwachende Personen verkehrten.

Gleichzeitig widersprechen die Aussagen der Zeugin aber auch Vermerken anderer Mitarbeiter des Landesamtes zu deren Gesprächen mit Temme. Das Landesamt für Verfassungsschutz bleibt bislang ein Hort der Verwirrung, nicht der Aufklärung.

Bemerkenswert und charakterisierend für das Landesamt war allerdings die berufliche Bewertung Temmes – des Zeugen also, der über einen langen Zeitraum die Ermittlungsbehörden belogen hat und der bis heute „nichts gesehen“ haben will: er sei sehr ehrgeizig und fleißig gewesen, das sei von Vorgesetzten anerkannt worden, er sei teilweise sogar als Vorbild empfunden worden.